FUST-Tirol    Positionen

„Jagdgatter” und Aussetzen von Wildtieren zum Abschuss


 Jagdgatter haben in Europa eine Geschichte von mehreren Jahrhunderten. Sie sind eingefriedete Areale (bis mehrere 1000 ha), in denen Wildarten, vor allem Schalenwildarten, in meist höherer Dichte gehalten werden, um Abschüsse zu erleichtern. Meist ist heute damit die Absicht höherer Einnahmen verbunden.
Speziell entwickelte Zucht-, Fütterungs-, Transport- und Vermarktungstechniken ermöglichen nun Manipulationen des Wildes, die den Prinzipien einer zeitgemäßen, nachhaltigen Jagd und den ethischen Grundsätzen großer Teile der Gesellschaft widersprechen. Durch mangelnde Unterscheidung zwischen nachhaltiger Jagd und anderen als „Jagd“ bezeichneten Aktivitäten wird „Die Jagd“ immer stärker ins Zwielicht gerückt. Zur klaren Unterscheidung und Abgrenzung sind zwei Prinzipien der Jagd-Nachhaltigkeit*) hilfreich:

  1. Die Jagd orientiert sich an der Bejagung von in der freien Wildbahn selbst reproduzierenden Wildtieren und
  2. die natürliche genetische Vielfalt der Wildarten wird durch eine entsprechende Jagdausübung erhalten und gefördert.

Aus diesen beiden Zielen ergeben sich folgende Konsequenzen:

1. Die Jagd orientiert sich an der Bejagung von in der freien Wildbahn reproduzierenden Wildtieren

Demgemäß gelten Abschüsse von Wildtieren in Gattern mit intensiven landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen grundsätzlich nicht als Jagd (unabhängig von der örtlichen Rechtslage). Sie scheiden somit aus der Nachhaltigkeitsbeurteilung von vornherein aus. Große Jagdgatter mit extensiven Produktionsbedingungen könnten sich hingegen ebenso wie Jagd außerhalb von Gattern der jagdlichen Nachhaltigkeitsbeurteilung unterziehen*). Im Interesse der gesellschaftlichen Akzeptanz und nachhaltigen Entwicklung der Jagd wird jedoch empfohlen, eine klare Abgrenzung zwischen Wildabschüssen in „freier Wildbahn“ („Jagdabschüsse“) und Abschüssen in Gattern („Gatterabschüsse“) zu ziehen, also zwei separate Tätigkeitsbereiche zu unterscheiden. „Gatterabschuss“ wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn Zäune, Mauern oder andere künstliche Sperren bestehen, die den genetischen Austausch von Wild mit benachbarten Tieren der gleichen Art ganzjährig unterbinden (dauernde Wildeinschlüsse).

Unter dem oben genannten Nachhaltigkeitsprinzip ist weiters angeführt: „Es werden keine aus Zucht und Gatterhaltung stammenden Wildtiere bejagt“. Dadurch sollen folgende Gepflogenheiten eingeschränkt werden: In manchen Jagdgebieten werden Wildtiere aus (Zucht)Gattern oder Volieren vor der Abhaltung von „Jagden“ in freier Wildbahn ausgelassen, um bereits im gleichen Jahr höhere Jagdstrecken zu erzielen. Dies gilt besonders für Fasane (so genannte „Kistlfasane“), Stockenten, Wildschweine und in manchen westeuropäischen Ländern für Rothühner. Aber auch auf Geweihträger wie den Rothirsch trifft dies zu. Teilweise werden solche Tiere vor Beginn der „Jagd“ in die Nähe von Schützenständen gebracht, um sie knapp vor oder während der Abschussaktion freizulassen. Auch „Vorbestellungen“ der Strecken-Stückzahl und beim Schalenwild auch der Stärke der Tiere vor der „Jagd“ kommen vor. Tiere, die auf diese Art ausgebracht werden und die Abschussaktionen überleben, vor allem Fasane und Rothühner, haben nur eine geringe Chance, in freier Wildbahn zu überleben.

Sowohl die Veräußerung als auch das Freilassen von Wildtieren, die aus Züchtung oder Haltung für sportliche Zwecke stammen, entsprechen nicht dem Nachhaltigkeitsprinzip der Jagd. Dies gilt jedoch nicht für die tierschutz- und artgerechte Auswilderung von Wildtieren autochthoner Arten zum Aufbau und zur Erhaltung selbst reproduzierender, langfristig überlebensfähiger Populationen (z. B. Steinwild, Raufußhühner, Braunbär) unter wissenschaftlicher Begleitung. Die Bejagung ist nach der Auswilderung für einen angemessenen Zeitraum auszusetzen und durch eine darauf folgende Bejagung darf nicht ein Großteil der ausgewilderten Tiere wieder entnommen werden. Das Ausbrüten und Aufziehen von „ausgemähten“ oder bedrohten Gelegen und das anschließende Freilassen ist von der Beurteilung ausgenommen.

Abgesehen von den begründeten Ausnahmen entsprechen somit weder die Weitergabe (Verkauf, etc.) noch die Freilassung von Wildtieren aus Gattern und Volieren zum Abschuss den Anforderungen an eine zeitgemäße, nachhaltige Jagd.

Darüber hinaus sprechen in einigen Staaten auch rechtliche Gründe dagegen: In Deutschland z.B. besteht keine befugte Jagdausübung bei Abschuss von aus Gattern stammendem Wild, wodurch strafbares Führen der Waffe mit der Rechtsfolge einer Versagung des Jagdscheines auf 5 Jahre entsteht.

2. Die natürliche genetische Vielfalt der Wildarten wird durch eine entsprechende Jagdausübung erhalten und gefördert

Dieses Nachhaltigkeitsprinzip beinhaltet die Forderung „Autochthone Wildtierpopulationen dürfen nicht durch Einbringung nicht-autochthoner Wildtiere verfälscht werden“. „Nicht-autochthon“ sind jene Arten, die in einem bestimmten Gebiet nicht einheimisch sind oder waren (gebietsfremde oder faunenfremde Arten). Dies umfasst alle Wildarten, die nicht zum potenziellen natürlichen Wildarteninventar eines Wildlebensraumes gehören.

Insbesondere sind damit Wildtiere derjenigen Arten gemeint, die nach dem Referenzjahr 1492 (Entdeckung Amerikas) unter direkter oder indirekter Mithilfe des Menschen ins Land gelangt sind.

Die Wiederansiedlung ursprünglich heimischer Arten, die zeitweilig ausgerottet oder deren Populationen vorübergehend erloschen sind, ist damit nicht gemeint. Es geht hier um die Einbringung von nicht autochthonen Wildarten zur „Aufartung“ oder künstlichen Erhöhung der Wildarten-Vielfalt. Die Einbringung solcher Tiere ist im Interesse der Erhaltung und Förderung der natürlichen genetischen Variabilität und Entwicklung der autochthonen Wildtiere problematisch. Sie entspricht nicht den Kriterien einer nachhaltigen Jagdausübung.

Resümee

Im Hinblick auf die Einhaltung der genannten Nachhaltigkeitskriterien für die Jagd sollten

  1. Abschüsse von Wildtieren in Gattern als Gatterabschüsse und nicht als Jagd bezeichnet werden, wodurch Gatter bei der jagdlichen Nachhaltigkeitsbeurteilung automatisch ausscheiden,
  2. keine Veräußerung (Weitergabe, Verkauf) von Wildtieren aus Gattern oder Volieren zum Zweck des Abschusses in freier Wildbahn erfolgen,
  3. kein Freilassen von Wildtieren aus Gattern oder Volieren zum Abschuss stattfinden, und
  4. keine nicht-autochthonen Wildarten in die freie Wildbahn eingebracht werden.

*  Prinzipien, Kriterien und Indikatoren für nachhaltige Jagd mit der Möglichkeit zur Selbstbewertung siehe im Internet unter http://www.biodiv.at/chm/jagd


Für den FUST-Tirol:

  • Dr. Michl EBNER, Mitglied des Europäischen Parlaments, FUST-Vorsitzender;
  • Prof. DI. Dr. Friedrich REIMOSER, Forschungsinstitut für Wildtierkunde & Ökologie, Vet. Med. Univ. Wien;
  • Prof. Dr. Dr. Sven HERZOG, Wildökologie, TU Dresden.

Fotos: FUST-Tirol

Zitierweise:

FUST-Tirol (2008): „Jagdgatter" und Aussetzung von Wildtieren zum Abschuss. – FUST-Position 7; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des
Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 4 Seiten.

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