Afrikanische Schweinepest: Fakten statt Panik

von Prof. Dr. Dr. Sven Herzog, Technische Universität Dresden / FUST-Tirol / 8. Januar 2018

Bei der Afrikanischen Schweinepest (ASP) handelt es sich um eine ursprünglich in Afrika heimische Viruserkrankung der Warzen- und Buschschweine. Sie wurde im frühen 20. Jahrhundert erstmals in Ostafrika beschrieben. Ein wichtiger Übertragungsweg verläuft dort über Zecken. In Europa sind Haus- und Wildschweine von der Krankheit betroffen, Menschen erkranken nicht.

In Mitteleuropa seit langem heimisch und in vielerlei Hinsicht vergleichbar ist die europäische oder "klassische" Schweinepest. Wir wissen, dass Haus- und Wildschweine erkranken und dies auch oft mit tödlichem Ausgang für den einen oder anderen lokalen Bestand. Wir wissen aber auch, dass die Wildschweinpopulation als solche durch die klassische Schweinepest nicht gefährdet ist und dass die wirklichen Probleme mit dieser Krankheit in der Massentierhaltung liegen. So viele Tiere auf engstem Raum wie in modernen Schweinemastanlagen gibt es in keinem Wildschweinbestand. Solche Massentierhaltungen bilden für Tierseuchen immer einen idealen Nährboden.

Tritt in einem Betrieb oder dessen Umfeld durch leichtfertiges Einschleppen des Erregers ein Krankheitsfall auf, besteht die einzige Möglichkeit der Bekämpfung in der Tötung des gesamten Bestandes. Neben dem riesigen ökonomischen Schaden für den Landwirt bzw. dessen Versicherung ist das vor allem ein Tierschutzproblem.

Gegen die klassische Schweinepest ist eine Impfung möglich. Aus politischen Motiven heraus erfolgt diese in der EU allerdings leider nicht mehr routinemäßig, so dass Massentötungen von Hausschweinen immer wieder erforderlich werden.

Die Übertragungswege der afrikanischen Schweinepest dürften nun in Europa grundsätzlich dieselben sein wie bei der klassischen Schweinepest. Die Krankheit gilt allerdings als kontagiöser, also leichter ansteckend als die klassische Schweinepest und vor allem weist sie einen schwereren Krankheitsverlauf und eine höhere Sterblichkeit auf.

In Europa ist die afrikanische Schweinepest immer wieder sporadisch aufgetreten, bereits in den 1970er Jahren gab es Fälle in Frankreich, in den 1980ern in den Niederlanden und Belgien und in den 1990er Jahren in Spanien und Portugal. Durch umfangreiche Gegenmaßnahmen konnte ein Seuchenzug regelmäßig verhindert werden.

Aktuell stellt sich die Situation offenbar kritischer dar. In den letzten Jahren breitet sich die Krankheit aus Osten kommend zusehends in westlicher Richtung aus, aktuelle Nachweise fanden sich in an Sachsen angrenzenden Staaten.

Eine Besonderheit der afrikanischen Schweinepest ist die hohe Ansteckungsrate bei Kontakt mit dem Virus. Der schwere Verlauf wiederum scheint ein begrenzender Faktor bei der Ausbreitung zu sein. Anders als etwa bei der Tollwut sind infizierte Individuen kaum mehr in der Lage, größere Distanzen zurückzulegen. Somit ist genau dieses Phänomen der wichtigste Schutz vor der schnellen Ausbreitung der Seuche nach Mitteleuropa.

Ein Problem birgt die Tatsache, dass derzeit kein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht, wobei die Option „Impfung“ in Deutschland auch bei der klassischen Schweinepest offenbar aus schwer nachvollziehbaren politischen Gründen leider gar nicht oder sehr zurückhaltend genutzt wird.

Aktuell schlagen die Meldungen wieder hohe Wellen, nachdem beispielsweise im Juni dieses Jahres im Osten der Tschechischen Republik ASP bei Wildschweinen gefunden wurden. Hinsichtlich des Umgangs mit dem Schwarzwild werden in Laien- aber auch Fachkreisen nun wieder allerlei Szenarien diskutiert, von Nachtzielgeräten oder Taschenlampen über die Aushebelung elementarer Anforderungen des Tierwohls bis hin zu völlig weltfremden Ideen umfangreicher „wildschweinfreier Korridore“. Hilfreich sind diese kaum, stattdessen wird dadurch eher Panik geschürt. So beginnen in Sachsen und Brandenburg erste Wildhändler damit, den Aufkauf von Schwarzwild auszusetzen. Somit hat eine fachlich wenig qualifiziert geführte Diskussion genau das Gegenteil erreicht: die Jagd auf das Schwarzwild könnte schnell ganz zum Erliegen kommen.

Die gesamte Diskussion ähnelt in ihren Stereotypien derjenigen um die klassische Schweinepest: Das Schwarzwild findet sich in der Rolle als Erregerreservoir und als Vektor, somit als der Bösewicht. der Jäger soll das nun durch erhöhten Abschuss richten.

Richtig ist sicher, dass das Risiko des Eintrages der ASP nach Mitteleuropa derzeit hoch ist. Richtig ist aber auch, dass dieser Eintrag aller Wahrscheinlichkeit nach nicht durch Wildschweine, sondern durch kontaminierte Fleischprodukte, also durch Menschen, erfolgen wird. Autobahnparkplätze sind hier die prädestinierten Eintrittspforten. Die Schwarzwilddichte in Deutschland hat somit keinen Einfluss auf das Risiko der Einschleppung der Krankheit, sondern auf das Risiko der Weiterverbreitung. Beides sollten wir in der Diskussion nicht durcheinanderbringen.

Die eigentliche Verantwortung im Falle eines Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest tragen aber, wie bei der klassischen Schweinepest auch, nicht die individuellen Landwirte, auch nicht Jagd oder Jäger, sondern vor allem die Politik. In diesem Zusammenhang wäre es sicher wichtig, sich einmal nachdrücklich den Themen „Massentierhaltung“ und „Tiertransporte“ zu widmen. Gerade Umwelt- und Tierschutzverbände sind gefragt, bei diesen Themen aktiv zu werden.

Wie erwähnt, ist es vor allem die Verfrachtung infizierter Fleischprodukte oder -abfälle, in denen das Virus nach Verarbeitung noch über Wochen infektiös sein kann, die wohl das größte Risiko für eine Ausbreitung der Seuche nach Mitteleuropa birgt.

Somit dürfte derzeit die wichtigste Vorbeugungsmaßnahme eine schwarzwilddichte Abzäunung der Autobahnparkplätze sein. In vielen Fällen würde hier bereits eine Ergänzung der vorhandenen Wildschutzzäune reichen, möglichst in Kombination mit einer regelmäßigen (abendlichen!) Leerung der Abfallbehälter und intensiver Beräumung der Parkplätze von Speiseabfällen. Genauso wichtig ist das Thema Stallhygiene in der Landwirtschaft. Das Betreten von Ställen mit möglicherweise kontaminiertem Schuhwerk ist als wichtige potentielle Infektionsquelle konsequent zu vermeiden.

Damit sind wir bei der Frage, was der Jäger tun kann und ob es dazu Änderungen des Jagdgesetzes braucht.

Die gerade für Sachsen diskutierten Schalldämpfer für Jagdwaffen sind eine Entlastung für das Gehör des Jägers. Hinsichtlich der Bekämpfung der ASP ist hierdurch sicher kein Effekt zu erwarten.

Frischlings- oder gar Schwarzwildfänge sind eine Möglichkeit, um in einer Akutsituation in der Zone um einen aktuellen Ausbruchsort den Schwarzwildbestand schnell zu reduzieren. Letzteres sollte allerdings eher durch erfahrene Tierärzte, ggf. unterstützt durch Jäger, erfolgen. Aus Gründen des Tierwohls sind Schwarzwildfänge sehr kritisch zu beurteilen. Gerade erwachsene Wildschweine geraten bei Beginn einer Tötungsaktion sehr schnell in Panik!

Auch der immer wieder gehörte Vorschlag, nun verstärkt großflächige Drückjagden auf Schwarzwild zu veranstalten, wird durch Wiederholung nicht besser. Gerade wenn ein akutes Risiko besteht, dass die ASP in einen Bestand eingetragen wird, sollte die Bejagung eher ohne großflächige Beunruhigung und Mobilisierung der Wildschweine erfolgen. Und gerade in dieser Situation ist es wichtig, vermehrt Frischlinge zu erlegen, die für die Erkrankung oft anfälliger sind. Die de-facto Aushebelung des Muttertierschutzes, wie es aktuell per Erlass in Baden-Württemberg geschieht, erscheint aus Tierschutzsicht indiskutabel und wäre vermutlich der beste Weg, um in Deutschland die Jagd öffentlich völlig zu diskreditieren.

Die wirklich wichtigen Dinge sind einfacher und vor allem sofort umsetzbar:

  1. Jedes aus unklarer Ursache verendete Stück Schwarzwild muss einer veterinärpathologischen Untersuchung zugeführt werden.
  2. Krank und abgekommen wirkende Tiere oder solche mit auffälligem Verhalten sind zu erlegen und unter Wahrung entsprechender Hygienevorkehrungen ebenfalls der Untersuchung zuzuführen.
  3. Im jagdlichen Betrieb erlegte Wildschweine und Unfallwild sollten stichprobenhaft untersucht werden.
  4. Die Kosten für solche Untersuchungen sollten selbstverständlich durch staatliche Instiutionen übernommen, die Logistik der Probennahme und des Transportes durch die Veterinärämter unterstützt werden.

Eine intensive Schwarzwildbejagung ist immer eine gute Seuchenprophylaxe. Allerdings sollten wir uns bei hohen Schwarzwildbeständen, wie wir sie, gefördert durch einen großflächigen Anbau von Raps und Mais, gerade in Sachsen zunehmend antreffen, keine Illusionen über die Bedeutung jagdlicher Eingriffe für die Gesamtpopulation machen. Hier liegt das Problem nahezu ausschließlich bei der Landwirtschaft.


Vor
Auftreten der Schweinepest gilt es natürlich trotzdem, die Jagd intensiv zu betreiben. Auch und gerade in dieser Situation gelten allerdings die Regeln jagdlicher Nachhaltigkeit und einer guten fachlichen Praxis. Dazu gehört es etwa, vor allem in die Klasse der Frischlinge und Überläufer einzugreifen. Besonders bei den Frischlingen ist das Ansteckungspotential sehr hoch.

Wichtig, und auch diese Tatsache wird in den gängigen Empfehlungen meist übersehen, ist die Schonung der Leitbachen: nach Abschuss der Leitbachen führungslos umherstreifende Frischlingsverbände sind nicht nur ein Tierschutz- und ein Wildschadensproblem, sondern bilden auch im Rahmen des Seuchengeschehens ein besonders hohes Risiko.

Auch die immer wieder empfohlenen revierübergreifenden Drück-Stöberjagden sind in Zusammenhang mit der Verbreitung der Schweinepest kritisch zu sehen, da sie immer das Potential bergen, das ansonsten recht ortstreue Schwarzwild zu Bewegungen auch über größere Distanzen zu veranlassen.

Um die richtigen Jagdanreize zu schaffen, wären Instrumente wie die kostenfreie Trichinenschau oder Prämien für die Erlegung von Frischlingen (!) möglicherweise hilfreich.

Schließlich stellt sich die Frage, ob die afrikanische Schweinepest auch eine Bedrohung unserer Schwarzwildbestände selbst darstellt. Wird das Schwarzwild in Teilen Mitteleuropas wieder verschwinden? Wir können diese Frage nicht mit absoluter Sicherheit beantworten. Jedoch sprechen alle bisherigen Erfahrungen mit Tierseuchen dafür, dass dieses Risiko wohl gering ist. Die Schwarzwildpopulation Mitteleuropas wird durch das Auftreten der afrikanischen Schweinepest voraussichtlich lokal und vielleicht auch regional deutlich dezimiert werden. Es ist aber auch zu erwarten, dass durch Immunisierung und natürliche Selektionsprozesse die Schwarzwildbestände sich mittel- und langfristig an die neue Situation anpassen.

Wir können also festhalten: Die Afrikanische Schweinepest stellt primär kein Problem des Schwarzwildes oder der Jäger dar, zu dem es Medien und Interessenverbände gerne machen. Sie ist ein Problem der Agrarindustrie und der damit einhergehenden Massentierhaltung sowie europaweiter Tiertransporte.

Änderungen des Jagdgesetzes bedarf es aus den oben dargelegten Gründen nicht, die empfohlenen Maßnahmen sollten auf dem Verordnungsweg zu regeln sein oder sie betreffen andere Rechtskreise.

Dennoch kommt Jägern bei der Erkennung aber auch der der Bekämpfung der Krankheit eine hohe Verantwortung zu, welcher sie durch Schärfung des Bewusstseins für die Problematik und durch fachlich richtiges Handeln in der Praxis gerecht werden müssen. Die Rolle der Jäger liegt im Seuchengeschehen gerade nicht in einer Schwarzwildbekämpfung um jeden Preis, sondern in der Früherkennung von Einschleppungen.

Eine Reduktion des Schwarzwildes ist in diesem Zusammenhang kein Fehler, deutlich wichtiger ist es allerdings, die Einschleppung zu verhindern (diese ist unabhängig von der Schwarzwilddichte!).

Sollte es doch zu einer Infektion in Mitteleuropa kommen, und dies ist derzeit jederzeit möglich bzw. sogar sehr wahrscheinlich, so ist es vor allem wichtig, diese rechtzeitig zu erkennen und dann durch die Veterinärbehörden (ggf. unterstützt durch sehr erfahrene lokale Jäger) zu bekämpfen.

Prof. Dr. Dr. Sven Herzog
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