Neuerscheinung (Oktober 2020)
Begegnungen mit Wölfen
Encounters with Wolves: Dynamics and Futures

Der Tagungsband mit Schwerpunkt Sozial- und Kulturwissenschaften zum Thema Wolf enthält die Ergebnissen einer Konferenz, die am 27.–29. Juni 2018 in Bautzen stattgefunden hatte. Gemeinsam organisiert wurde sie vom Lehrstuhl für Europäische Ethnologie/Volkskunde der Universität Würzburg, dem Sorbischen Institut und dem ISEK der Universität Zürich. Teilnehmer waren Forscher (♂︎+ ♀︎) kultur-, gesellschafts- und naturwissenschaftlicher Disziplinen aus verschiedenen europäischen Ländern; unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Swiss National Science Foundation.

Encounters with Wolves: Dynamics and Futures –  Kleine Reihe des Sorbischen Instituts Bautzen Nr. 32, 151 S. A5-Broschur. ISBN 978-3-9816961-9-6. 12,00 Euro Herausgeber: Marlis Heyer, Susanne Hose. https://www.serbski-institut.de/de/Kleine-Reihe-32/4679/#q4679; Heft als pdf: https://www.serbski-institut.de/mat/dnlarchiv/Kleine_Reihe_32_web.pdf

Inhalt (zitiert aus dem Vorwort)

Regionale Fallstudien:

Die Wölfe wanderten aus Polen in die Lausitz ein. Emilia Mielaniuk stellt in ihrem Aufsatz ein liminales Wesen vor, dessen Bild in Folklore, Sprache, Kunst und Bräuchen fest verankert ist. Mielaniuk zeigt, dass das Wolfsbild im vorchristlichen Polen wesentlich nuancierter war, als es das gegenwärtige Schwarz-Weiß-Bild vermuten lässt. Ihrer Argumentation folgend, könnte dieses differenziertere Verständnis Aushandlungen heutiger Beziehungen erleichtern.

Aus Polen geht es weiter nach Finnland, ein Land, auf das in Wolfsdebatten oft verwiesen wird. Heta Lähdesmäki untersucht, wie Vergangenheit als Argument für den heutigen Umgang mit Wölfen genutzt wird. Dabei setzt sie sich mit kollektiven Erinnerungen auseinander und sucht nach verschiedenen, zum Teil im hegemonialen Diskurs verlorengegangenen Erinnerungen an Mensch-Wölfe-Beziehungen.

Thorsten Gieser gibt mit seinem Beitrag einen tiefen Einblick in den Umgang der Tuva (Mongolische Republik) mit Wölfen. Diese Hirten verbindet ein komplexes Netzwerk aus Erfahrungen und Erzählungen mit den Wölfen, mit denen sie sich die mongolische Steppe teilen.

Zum Schluss der ersten Sektion präsentiert Robert Lorenz seine Wahrnehmungen der Lausitz als »Wolfsland« in einem Fotoessay. Den Kenner lädt er dazu ein, vertraute Landschaften und Szenen durch seine Kameralinse neu zu sehen. Für alle, die die Lausitz nicht kennen, bieten seine Bilder die Szenerie zu den Lebensräumen, die sich Menschen und Wölfe in der Lausitz teilen, wenngleich weder die einen noch die anderen »persönlich« abgebildet sind.

Wölfe denken/konzeptualisieren/kommunizieren:

Zu Beginn des zweiten Themenbereichs beschäftigen sich Irina Arnold und Marlis Heyer mit Multispecies-Politiken. Sie fragen, ob gegenwärtige politische Instrumentarien mit Wölfen und Anderen umgehen können, solange sie nicht in Netzwerklogiken und Interdependenzen denken. Von Ansätzen aus den Futures Studies inspiriert, denken sie über Möglichkeiten nach, Antizipationen zukünftiger Menschen-Wölfe-(und Andere)-Interaktionen in politische Maßnahmen einfließen zu lassen.

Elisa Frank gewährt uns Einblick in den Werkzeugkasten einer wölfeforschenden Kulturanthropologin. Auf George Marcus’ Konzept einer Multi-sited Ethnography gestützt, folgt sie verschiedenen »Leit-Wölfen«, um ihr Feld und das gesammelte Material zu strukturieren und ein neues analytisches Instrument zu entwickeln.

In einem von Laura Duchet geführten Interview spricht Michael Gibbert darüber, wie das Management der Rückkehr der Wölfe als Kommunikations- und Marketingaufgabe verstanden werden kann. Im Vergleich mit anderen Arten zeigt er auf, wie ein und dieselbe Spezies im Laufe der Zeit als Plage, als geschützte Art und als jagdbares Wild gelten kann.

Manuela von Arx, Ilona Imoberdorf und Urs Breitenmoser stellen in ihrem Aufsatz die Ergebnisse einer Studie vor, die sich mit Kommunikationsstrategien unterschiedlicher Schweizer Institutionen zum Wolf beschäftigte. Ihr Beitrag kann als praktischer Ratgeber zur Verbesserung der Kommunikationsstrukturen gelesen werden – eine Aufgabe, die keinesfalls nur in der Schweiz ansteht.

Schließlich setzt sich Sebastian Ehret damit auseinander, wie Ansätze aus den HumanAnimal-Studies und ähnlichen Theorierahmen in Diskurse jenseits der Akademie transportiert werden können. Um für die höchst komplexen Schichten der Mensch-Wölfe-Beziehung(en) zu sensibilisieren, entwirft er ein elaboriertes didaktisches Schema, das Zusammenhänge und Interdependenzen aufzeigt, ohne zu polarisieren.

(G. R. Pelz, FUST-Tirol)