Citizen Science als Erfolgsrezept in der Wildtierbiologie
Verlässlichkeit der Daten und Motivation der BürgerInnen als Erfolgsfaktoren.
Anja Wirsing, Pressestelle des Forschungsverbundes Berlin e.V.
Das Einbeziehen von BürgerInnen in wissenschaftliche Projekte boomt. Bürgerwissenschaft – auch Citizen Science genannt – ermöglicht es WissenschaftlerInnen, mit viel größeren Datenmengen als bisher zu arbeiten und damit zu besseren Forschungsergebnissen zu gelangen. Kritische Faktoren sind allerdings die Sicherstellung der Qualität der eingereichten Daten und die anhaltende Motivation der BürgerInnen. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Team von WissenschaftlerInnen unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung und der Federführung der Konrad Lorenz Forschungsstelle für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien. In der Fachzeitschrift „Ethology“ stellt das Wissenschaftsteam vier Fallstudien aus der Wildtierbiologie vor.
Citizen Science erfährt in der Wildtierbiologie einen starken Aufschwung und ist ein vielversprechender Ansatz, um neue Wege der Kooperation zwischen Gesellschaft und Wissenschaft zu gehen. Die WissenschaftlerInnen zeigen in ihrer Studie, dass zwei Faktoren zum Erfolg von Citizen Science-Projekten führen: „Bürgerwissenschaft ist dann erfolgreich, wenn die Qualität und Verlässlichkeit der Daten und das Aufrechterhalten der Motivation der BürgerInnen über einen langen Zeitraum in die Natur hinauszugehen und Daten zu erheben gewährleistet ist“, erklärt Erstautorin Didone Frigerio von der Universität Wien. Letzteres ist insbesondere dann sichergestellt, wenn die BürgerInnen gleichzeitig Stakeholder sind und somit ein persönliches - z. B. finanzielles - Interesse an den Forschungsresultaten haben. Darüber hinaus ist die Motivation am besten dadurch zu erhalten, indem man die BürgerInnen ihre und andere Daten digital einsehen lässt. Dadurch werden die Fortschritte im Forschungsprojekt zum Erlebnis- und Erkenntnisgewinn.
Eine hohe Datenqualität erreicht man durch eine gute Einführung in die Arbeitsaufgaben und durch regelmäßige Kontrolle der Daten durch die WissenschaftlerInnen. So kann auch die Qualität von Daten - die von Kindern erhoben werden - bei einfachen Aufgaben gleichwertige Ergebnisse zu jenen der Forschenden liefern.
Das internationale Wissenschaftsteam aus Österreich, Tschechien und Deutschland stellt vier Fallstudien in Europa und Afrika vor, die zeigen, wie die Einbindung von BürgerInnen in die Wissenschaft gelingen kann.
Bürgerwissenschafts-Projekte können Informationen generieren, die zeigen, wie sich Wildtiere in Städten bewegen und an urbane Lebensräume anpassen. Das Projekt „Füchse in der Stadt“ erfasst beispielsweise das Verhalten und die Lebensraumnutzung der Tiere in Abhängigkeit von Stadtstruktur und menschlicher Aktivität in Berlin. „In unserer Fallstudie stand die Bedeutung von Medien-Zusammenarbeit im Vordergrund. Die kontinuierliche Begleitung des Projektes im Fernsehen und Radio trug wesentlich zur Rekrutierung der ehrenamtlichen Mitforschenden und zur Kommunikation der Forschungsziele nach außen bei“, erklärt Sophia Kimmig vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in Berlin.
„In Namibia sind Geparde eine Bedrohung für die Rinderfarmer und die Einbindung der Farmer in die langjährigen Forschungsarbeiten führte zu neuen Lösungsansätzen, um Mensch-Tier-Konflikte zu reduzieren. Die stets sachliche und datenbasierte Kommunikation mit den Farmern, die Integration ihres Wissens und ihrer Daten in unsere Arbeit sowie die Langfristigkeit des Projekts führten zu gegenseitigem Vertrauen. Dieses Vertrauen ist einer der wichtigsten Aspekte unserer Zusammenarbeit und letztendlich auch der Schlüssel zum Schutz der Geparde“, sagen Bettina Wachter und Jörg Melzheimer vom Leibniz-IZW.
Bürgerwissenschaft findet auch zwischen Forschungs- und Bildungseinrichtungen statt. Kooperationsprojekte der Universität für Bodenkunde Wien (BOKU) und der Universität Wien integrieren SchülerInnen unterschiedlicher Altersklassen beim Monitoring von Kleinsäugern, Vögel und Insekten sowie beim Durchführen von Interviews mit der Bevölkerung. „Der größte Vorteil dabei liegt in der Zusammenarbeit von Naturwissenschaften, Bildungswissenschaften und der lokalen Bevölkerung, der durch das breite Netzwerk und die Zusammenarbeit mit Schulen entsteht“, so Silvia Winter, Wissenschaftlerin an der BOKU.
BürgerInnen der Tschechischen Republik nahmen an einem Projekt zur Erfassung der Gesänge der Goldammer mit Hilfe von Smartphones oder Digitalkameras teil. Erst durch die flächendeckende Kartierung der Gesänge war es den WissenschaftlerInnen möglich, Dialekte der Vögel zu erkennen und geographisch einzuordnen. „Der Erfolg unseres Projektes motivierte WissenschaftlerInnen in anderen Ländern wie der Schweiz und Polen, ebenfalls BürgerInnen in die Erfassung von Goldammer-Gesängen einzubinden“, so Pavel Pipek und Lucie Diblikova von der Karls Universität in Prag und der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. (idw/IWZ – 23.04.2018)
Publikation:
Frigerio D, Pipek P, Kimmig S, Winter S, Melzheimer J, Diblíková L, Wachter B, Richter A (2018): Citizen science and wildlife biology: Synergies and challenges. ETHOLOGY; DOI: 10.1111/eth.12746
Kontakt:
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
Dr. Bettina Wachter Steven Seet |