Düngetagung Pertisau 15.06.2012
Podiumsdiskussion-Verschriftung 


Wie kann im Alpenpark Karwendel in den nächsten Jahren ein „best practise“-Beispiel in der Gülle-Praxis erreicht werden?

Die Podiumsdiskussion wurde von Univ. Prof. Dr. Fritz Reimoser moderiert. Im Vorfeld wurden folgende Fragen von Josef Stock, FUST Tirol, gestellt, über die dann am Podium diskutiert wurde:

  • Können Rinderarten mit einem robusteren Verdauungssystem die Ränder der Almen nutzen und kann dadurch eine bessere Auslastung der Fläche erzielt werden? Wie können die Ränder auf den Almen generell besser genutzt werden?
  • Wäre es nicht sinnvoll die Almflächen durch eine wechselnde Beweidung verschiedener Haustierrassen (Schafe-Rinder-Ziegen-Pferde) zu nutzen? Könnte sich dadurch ein Problem wegen des Weideverbotes von Ziegen und Schafen im Wald ergeben?
  • Wie könnte die Gülle besser auf Almen ausgebracht werden- evtl. von derzeit teilweise 3 x im Jahr auf gleicher Fläche in einen 4 Jahres Turnus (abwechselnd ¼ der Fläche güllen) wechseln?
  • Wie können Bergmähder wieder genutzt werden? Sollte man Schafe/ Ziegen auftreiben oder die Mähder nur alle 2 Jahre mähen? Unter allen Umständen muss Blaikenbildung verhindert werden!
  • Warum werden die Gräser auf den Almen nach oben hin „alt“? Hat dies evtl. mit der Düngung zu tun?
  • Wie sinnvoll ist Heu und Kraftfutter als „Notfutter“ auf den Almen? Sind Almanger nicht die bessere Alternative?
  • Viele Kühe verbringen den Tag im Stall, anstatt auf der Fläche. Dadurch lassen sie die Gülle im Stall und nicht auf der Alm. Warum wird an dieser Praxis festgehalten?
  • Einige Krankheiten, v.a. der Leberegel, nehmen auf den Almen rasant zu, was sind die Gründe?
  • Machen Almkräuter das Vieh resistenter?

Fazit: Nur über Förderungen sind diese Probleme in den Griff zu kriegen! Das Förderungssystem sollte komplett überarbeitet werden, um die Bauern besser zu unterstützen. Die Almen sind Teil der Tradition und Landschaft Tirols und sollten deshalb unbedingt erhalten werden!


Stellungnahmen zu den Diskussionspunkten

Zunächst nahm Prof. Dr. Armin Deutz zu einigen Punkten Stellung:
Seiner Meinung nach ist die Düngung der Almen durch Gülle in Ordnung, solange die EU- Richtlinien eingehalten werden, allerdings gab er zu, dass die Einhaltung ein unrealistisches Ziel darstellt.
Er sieht allerdings Gülle riskanter als Festmist, da die Gülle aus fast 90 % schnell verfügbarem Stickstoff besteht und somit eine sehr ähnliche Wirkung von künstlichen Düngern hat. Auch sieht er die Ausbringung mit Hochdruck-Fässern sehr kritisch, da so möglicherweise vorhandene Krankheitserreger (z.B. Paratuberkulose) auf deutlich größerer Fläche ausgebracht werden, als bei Festmist Ausbringung. Er ist auch der Auffassung, dass sich die Krankheiten auf den Almen sehr schnell ausbreiten. Vor allem der große Leberegel sei kaum mehr auszurotten, aus mehreren Gründen. Zum Ersten kommt der Zwischenwirt des großen Leberegels, die Zwergschlammschnecke, in Höhen bis 2400 m vor, der große Leberegel bis jetzt auf 2000 m. Somit liegen viele Almen im Verbreitungsgebiet. Zum Zweiten reicht eine einmalige Behandlung von befallenen Tieren nicht aus, was die Behandlung sehr schwierig und aufwendig macht.
Almkräuter als Mittel um Weidevieh resistenter zu machen hält Deutz für übertrieben.
Beispielsweise ist eine Entwurmung durch Almkräuter nachweislich nicht möglich.
Den Wechsel zu anderen Rinderarten und die Beimischung von anderen Tierarten, wie Schafen, Ziegen und Pferden, allerdings nur auf den Almen und nicht im Wald, sieht Armin Deutz sehr positiv. Vor allem traditionelle Arten wie das Grauvieh, das Tuxer Rind oder Pustertaler Sprinzen sind leichter und genügsamer, was sich sehr positiv auf den Boden der Almen auswirkt. Des Weiteren gibt es eine Förderung für Bauern, die auf gefährdete Haustierrassen setzen.

Das jahreszeitlich frühzeitige Altwerden des Grases auf Hochleger ist auch auf höhere Temperaturen und eine höhere UV- Einstrahlung zurückzuführen, so Armin Deutz. Möglicherweise auf Grund des Klimawandels.

Die zweite Stellungnahme kam von Dr. Karl Buchgraber.
Er verglich Gülle mit Stallmist, wobei er Gülle für die schlechtere Alternative hielt, da sie sehr viel schnell verfügbaren Stickstoff enthält. Mist ist jedoch auf den Almen sehr schwierig auszubringen. Wenn Gülle ausgebracht wird, dann darf eine Maximalmenge von 20 m³/ha im Verhältnis 1:1 mit Wasser verdünnt nicht überschritten werden. Diese Menge sollte einmal im Jahr ausgebracht werden und nicht wie bei gängiger Praxis 3x im Jahr auf der gleichen Fläche.
Das Thema Rassen hielt Buchgraber für das Hauptproblem auf den Almen. Einige Almbauern gingen dazu über Hochleistungs- Milchvieh aus dem Tälern auf die Almen zu treiben. Allerdings ist dieses Vieh nicht an die Gegebenheiten angepasst und viel zu schwer, was zu Trittschäden und somit zu Erosion führt. Auch für Buchgraber wäre Grauvieh die bessere Rasse um Almwirtschaft zu betreiben, da es angepasster im Hinblick auf Genügsamkeit und Gewicht sei.

Dr. Buchgraber wies aber auch darauf hin, dass ca. 90 % der Almbauern im Kreislauf wirtschaften und nur ca. 10 % Input von außen geben. Diese 10 % sollten „eingedämmt“ werden, mit Hilfe von richtiger Ausbildung, der Schaffung und Einhaltung von Gesetzen und der Schaffung einer neuen Mentalität im Hinblick auf die Almwirtschaft.
Den Erhalt der Bergmähder hielt er für richtig und wichtig.

Prof. Dr. Fritz Reimoser fasste die ersten zwei Stellungnahmen zusammen und forderte eine gemeinsame Leitlinie von FUST, Österreichischen Bundesforsten und dem Alpenpark Karwendel für die Zukunft, die alle Betriebe verpflichtet, im Kreislauf zu wirtschaften, also keine zusätzlichen Inputs, wie Dünger, Gülle, Notfutter etc. von außen einbringen und leichtere Viehrassen zu verwenden.
Um das alles jedoch durchzusetzen, brauche es anständige Förderungen, wenn die EU nicht mehr fördere, müsse die Landesregierung einspringen, da sie auch ein großes Interesse habe, die Almen zu erhalten. Allerdings sei dies nicht die Dauerlösung, vielmehr müssten Almprodukte besser vermarktet werden und der höhere Aufwand durch den Mehrpreis entschädigt werden. Allerdings dürften von den Bauern dann ausschließlich Almprodukte zu diesem Mehrpreis vermarktet werden.

Als nächstes nahm DI Johann Jenewein zu einigen Punkten Stellung.
Er bezog sich auf Fritz Reimoser und forderte ebenfalls, dass die qualitativ hochwertigeren Almprodukte preislich angehoben werden sollten und verglich sie mit gutem Wein, der auch seinen Preis habe. Zusätzlich sollte ein Aufdruck auf dem Produkt darauf hinweisen, dass dieses Produkt von einer Alm stammt. Somit würde es sich für die Almbauern rechnen, qualitativ hochwertigere Milch zu produzieren.
Dem Thema Tierrassen stand er grundsätzlich positiv gegenüber, allerdings gäbe es zu wenige Rassen, die tatsächlich für die Almwirtschaft geeignet seien. Außerdem bedeute die Bewirtschaftung mit anderen Tierarten mehr Arbeit, wie beispielsweise das Errichten von Zäunen, um zu verhindern, dass Schafe und Ziegen in den Wald laufen, was so höhere Kosten verursache.
Des Weiteren sei es auch schwierig mehr Personal zu finden, da die Almbewirtschaftung ein Saisongeschäft ist.
Die Umstellung auf almtaugliches Grauvieh im Gebiet des Alpenpark Karwendel hält Jenewein für einen nicht realistischen Weg, da das Vieh ¾ des Jahres im Inntal verbringt, wo es nicht zwingend notwendig sei, genügsame und leichtere Rinder zu halten, die weniger Milch geben.

Prof. Dr. Fritz Reimoser fasste erneut zusammen. Die Produkte der Almen sollten durch integrative Nachhaltigkeit besser vermarktet werden, und die Produktpalette sollte sich nicht nur auf Milch und Fleisch konzentrieren. Allerdings stelle sich auch die Frage, ob es Käufer gibt, die den Mehrpreis zu zahlen bereit sind.

Die darauffolgende Stellungnahme gab Mag. Peter Frank ab.
Er wies darauf hin, dass es in Tirol hauptsächlich Jungvieh-Almen gibt und die Milchvieh-Almen deutlich in der Unterzahl sind.
Das Fleckvieh, in seiner ursprünglichen Form, hielt er sehr wohl als gute Rasse für die Almwirtschaft. Leider seien die heutigen Fleckvieharten durch Züchtung sehr schwer geworden. Er forderte, dass der natürliche Rhythmus beim Vieh eingehalten wird, also dass im November abgekalbt wird.
Des Weiteren setzte er sich für einen Erhalt der Tag- und Nachweide ein, also dass das Vieh auch nachts auf der Weide bleibt, um das vorhandene Futterangebot optimal auszunützen.

Als nächster gab Mag. Christian Plössnig sein Statement ab.
Um die Almen nicht verbuschen zu lassen, müsse das Vieh gleichmäßig auf die Fläche verteilt weiden, somit würde auch die Gülle besser verteilt.
Anderen Tierarten und -rassen stand er sehr positiv gegenüber, wies jedoch auch auf die dann steigenden Kosten durch mehr Personal hin. Diese sollten von der Regierung übernommen werden, um die Bauern zu entlasten. Allerdings wies er auch darauf hin, dass zu hohe Förderungen von der EU als Wettbewerbsverzerrung interpretiert werden könnten.
Zum Thema Düngung mit Gülle meinte Plössnig, dass dies auf Kalkmagerrasen eine verheerende Wirkung auf die dort wachsende Flora habe, auf reicheren Standorten sei Düngung mit Festmist noch akzeptabel. Des Weiteren hielt er eine Almprämierung für ein gutes Mittel, um einen Anreiz für gute Arbeit zu schaffen.

Diskussion mit dem Auditorium

Christian Plössnig hielt die Aufstellung eines Bewirtschaftungsplanes für Almen für ein gutes Werkzeug, um die integrative Nachhaltigkeit durchzusetzen, allerdings dürfe so ein Plan nicht einfach den Bauern übergestülpt werden, vielmehr sollte eine solche Initiative von den Bauern selbst ausgehen.
Roman Burgstaller fragte, wie die Ergebnisse an den Mann kommen und wie lange es wohl dauern würde, das System in einem Bundesland oder auch nur auf einem Hof komplett umzustellen. Die Milchwirtschaftsschiene sei sehr engstirnig. Davon müsse man abkommen. Des Weiteren sollte die Produktpalette erweitert und die Verwendung traditioneller Rassen gefördert werden.
Karl Buchgraber plädierte für eine Düngung der Alm im Spätsommer und einer Viertelung der Ausbringung.
Egon Fritz plädierte für die Einführung von Bewirtschaftungsplänen. Er wies darauf hin, dass die Wald-Weide-Trennung zum Teil sehr intensiv betrieben wird. Es sollten viel mehr Übergangszonen zwischen Wald und Weide gebildet werden.
Eine Almprämierung, die schon durch den Alpenpark Karwendel durchgeführt wurde, hielt er für ein sehr gutes Instrument, um einen Überblick über die Zustände auf den Almen zu bekommen.
Bei der Beweidung mit Schafen und Ziegen warnte er davor, dass die Tiere in den Wald laufen und dort Schäden anrichten würden.
Fritz Reimoser fand auch, dass die Almprämierung ein sehr gelungenes Instrument sei, um die Almen zu überprüfen.
Dem schloss sich Johann Jenewein an, der anmerkte, dass es im Nationalpark Hohe Tauern schon seit 10 Jahren Almprämierungen gibt, die sehr gut liefen.
Roman Burgstaller zitierte: „Das Übel der Missstände beginnt daheim“ und „die Überbestoßung zu Hause im Stall“. Über das Jahr verdiene der Bauer den Großteil des Geldes mit dem Fleckvieh im Stall, da nur rund 100 Almtage zur Verfügung stehen.
Roman Burgstaller fügte an, dass Almanger genau wie Bergmähder gefördert werden müssten, da sie für die Landschaft sehr wertvoll seien, vor allem durch die abgrenzenden Steinmauern, die Nischen für viele Tierarten bieten.
Des Weiteren plädierte er für die Wiedereinführung sogenannter Almwirtschaftsberater, deren Stellen aus Kostengründen gestrichen wurden, allerdings sei dies eine wichtige Anlaufstelle für Bauern. Auch sollten auf den Almen Wirtschaftswege für schweres Vieh gebaut werden, um die Trittschäden zu verringern.
In tieferen Lagen sei eine Nachtweide sinnvoll, da dort das Ungeziefer tagsüber sehr stark ist, deshalb sollte das Vieh nachts auf die Weide und tagsüber im Stall gehalten werden.
Fritz Reimoser hielt den Konflikt Waldwirtschaft – Forstwirtschaft für ein großes Problem. Man könne nicht alles überall im Alpenpark Karwendel dulden, da dieser einer intensiven Mehrfachnutzung unterliege mit Jagd-, Forst-, Almwirtschaft, Tourismus und Naturschutz.
Deshalb solle die Frage Sektor übergreifend und interregional behandelt werden.
Eine Wald-Weide-Regulierung sei besser als eine Wald-Weide-Trennung!
Johann Jenewein merkte an, dass es auf vielen Gemeinschaftsalmen Wirtschaftspläne gebe, allerdings seien die seit den 1930er Jahren nicht mehr aktualisiert worden und müssten dringend aktualisiert werden. Derzeit habe er allerdings beruflich vermehrt mit Aktualisierungsanträgen zu tun. Des Weiteren hält er die ganze Umstrukturierung für einen langwierigen Prozess, der allerdings dringend angegangen werden muss, nicht zuletzt, da das Land Tirol prädestiniert sei, qualitativ hochwertige Milch zu produzieren. Allerdings ist die jährliche Menge mit 30 Mio. kg Milch enorm hoch. Um gegen diese Konkurrenz anzukommen, müsse man die Alm-Milch abgrenzen und ihren besonderen Wert hervorheben, auch preislich durch 50-60 Cent/Liter oder durch eine eigene Käserei, vorzugsweise im Bächental, da dort 900 Stück Milchvieh stehen. Die Produkte sollten gemeinsam vermarktet werden.
Egon Fritz fügte an, dass die Eng als gutes Beispiel vorangeht, da dort die Milch sofort verkäst wird.
Peter Frank fügte an, dass der Bauer auch leben müsse, und er deshalb auf einer sich lohnende Arbeit angewiesen sei. Geeignetes Personal als Arbeitskraft auf der Alm zu finden sei zudem sehr schwierig, evtl. könne man hier auf den Maschinenring zurückgreifen.
Christian Plössnig plädierte dafür, die Milchwirtschaft auf den Almen nicht weiter auszubauen, sondern auf leichtere Rassen zu setzen und durchaus auch die Ränder der Weide fließend in den Wald übergehen zu lassen.
Armin Deutz fügte abschließend an, dass Bewirtschaftungspläne notwendig seien. Des Weiteren solle in Luftbilder eingetragen werden, wo jährlich gedüngt wurde.
Des Weiteren sollen Touristen und andere Almnutzer für den Wald zahlen nach dem Vorbild der Nationalparks in Kanada und USA, um Geld für die Almbauern einzunehmen. Auch wäre es denkbar einen Teil der Einnahmen aus der Jagdpacht für die Almpflege zu verwenden.

(Quelle: FUST-Büro)