Gerhard R. Pelz

Fischfauna im Gewässersystem Achenbach

Befischungen des FUST-Tirol in den Jahren 1988 und 1996
(Zusammenfassung der Ergebnisse und Diskussion)

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Der Fonds für Umweltstudien – FUST-TIROL in Achenkirch – bemüht sich seit Jahren auch um die naturnahe Erhaltung der Gewässer und deren Tier- und Pflanzenwelt. Einer der Schwerpunkte ist die Fischfauna in der Seeache.

Der bis auf eine kurze Strecke in Mündungsnähe zum österreichischen Staatsgebiet gehörende Achenbach (in Österreich auch “Ache”, in Deutschland “Walche” genannt) ist in seinem natürlichen Zustand ein Ausfluß des Achensees.
Fische02Nach ca. 18 km Fließstrecke in Richtung NW bis W mündet er in den bayerischen Sylvenstein - Stausee und zählt damit zum Gewässersystem der Isar.

Im Gewässersystem Achenbach - also im Achenbach selbst und seinen einmündenden Seitengewässern - sind vom natürlichen und unbelasteten bis zum belasteten Zustand nahezu alle Übergangsformen anzutreffen.

Lage der Probestellen

Karte-Achenbach-Web

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Wasserführung, Wasserableitung

Fische04Der Achenbach hat ein Einzugsgebiet von insgesamt 66,3 qkm. Davon sind nur 16,7 qkm wirksam. Das “wirksame Einzugsgebiet” ist aufgrund von

  • künstlicher Ableitung (Unterer Aubach, Mühlbach, Ampelsbach, Achenbach in Achenkirch) und
  • des fehlenden direkten Einzugsgebiets Achensee

um 49,6 qkm kleiner als das natürliche Einzugsgebiet. Die Wasserableitung hat erhebliche Auswirkungen auf die Gewässerzönose und den Fischbestand.

Fische05 Fische06
Fische07 Fische08

Bei normalem und niedrigem Wasserstand ist die Wassermenge des Achenbachs sehr gering. Es überwiegen die Flachzonen, wobei es über weite Strecken an Kolken und Fischunterständen mangelt. Die in natürlichen Gewässern übliche pool-riffle-Struktur (Wechsel zwischen tiefen/langsam strömenden mit flachen/schnellströmenden Abschnitten) war früher zweifellos ausgeprägt, ist aber nach Verminderung der Wassermenge weitgehend verschwunden – ein sehr wichtiger, den heutigen Fischbestand in Menge und Fischgröße limitierender Faktor.

Biotopstruktur

Die heute relativ eintönige Biotopstruktur des Achenbachs ist kein natürlicher Zustand, sondern allein auf den Einfluß des Menschen zurückzuführen. Grund ist die verständliche Bestrebung des Wasserbaus, Hochwasser möglichst schnell abzuführen und keine Schäden für Menschen, Tiere und Sachen entstehen zu lassen.
Dies Achenbach-Oberauhat jedoch den ökologischen Nachteil, daß das Gewässerbett freigehalten und die Ufer zumindest in den Ortslagen befestigt werden. Das Hochwasser findet nun kaum mehr Hindernisse und kann Unebenheiten der Sohle ausgleichen, was die Ausbildung der pool/riffle-Strukturen verhindert. Gleichzeitig wird durch wasserbauliche Maßnahmen der Geschiebetransport aus den Nebengewässern eingeschränkt, Fische10was wiederum die natürliche Umlagerung der Sohle einschränkt und die Lebensraumvielfalt für die Fischfauna vermindert.

Strukturvielfalt

Bei Hochwasser kann auch der heutige Achenbach den Charakter eines Hochgebirgsbachs annehmen (schnelle Zunahme der Wassermenge, reißende Strömung). Für die Fische herrschen dann extreme Verhältnisse.

Achenbach: Geschiebesperre (Stausee) mit Wehr mit (Fischwechselhindernis)
Achenbach: Geschiebesperre Rauchstuben (Stausee)
mit Wehr (Fischwechselhindernis)

Um nicht ständig gegen die starke Strömung anschwimmen zu müssen (hoher Energieaufwand), suchen sie in dieser Zeit bevorzugt strömungsberuhigte Zonen auf (z. B. in Seitenarmen, Uferbuchten, tiefen Kolken, hinter großen Steinen oder zwischen Baumwurzeln).

Unstrukturiertes Ufer durch Verbauung; Algenbildung in Restwasser (bei Mittel- u. Niedrigwasser).
Unstrukturiertes Ufer durch Verbauung;
Algenbildung in Restwasser (bei Mittel- u.
Niedrigwasser).

Dies bedeutet, daß der Fischbestand unter diesen Bedingungen besonders stark vom Vorhandensein einer solchen Strukturvielfalt abhängig ist: je weniger Strukturen vorhanden sind, desto kleiner wird die Zahl vor allem der größeren Fische sein, die bei Hochwasser an Ort und Stelle verbleiben. Auch dies ist am Achenbach zutreffend.

Wasserqualität

Vor Inbetriebnahme der Kläranlage war die Stabilität des Gewässersystems Achenbach aufgrund der Kombination von Abwassereinleitung und niedrigem Wasserstand besonders stark gefährdet (je geringer die vorhandene Wassermenge, desto geringer ist auch der Verdünnungsgrad des Abwassers und desto höher die Belastung). Hieraus folgt, daß das Ökosystem durch die Wasserableitung und dadurch verminderte Wassermenge an Stabilität verloren hatte. Diese nahm nach Verringerung der Abwassereinleitungen wieder deutlich zu. Geblieben ist jedoch die geringe Wassermenge, die sich bei punktuellen Verschmutzungen auch heute noch ungünstig auswirken und sogar zu Fischsterben führen kann.

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Die Wassertiefen sind überwiegend gering (weitläufige Flachzonen). An nur wenigen Stellen haben sich Kolke und Vertiefungen ausgebildet. In den letzten Jahren wurde seitens des FUST-Tirol die Vielfalt an Wassertiefen und damit auch an Strömungsgeschwindigkeiten durch Einbringen von Störelementen (großen Steinen, Baumstämmen) erhöht.

Achenbach: Wassertiefen und Strömungsgeschwindigkeit (Flügelmessung) in typischer Ausprägung einer Auskolkung/Vertiefung in Höhe Probestelle 4 am 23.09.2002
Achenbach: Wassertiefen und Strömungsgeschwindigkeit (Flügelmessung) in typischer Ausprägung einer Auskolkung/Vertiefung in Höhe Probestelle 4 am 23.09.2002

Fische

Fische18 BachfKoDas natürliche Fischartenspektrum im Gewässersystem Achenbach besteht lediglich aus den beiden Arten Bachforelle Salmo trutta fario und Groppe (Koppe) Cottus gobio.

Fische19 GroppeFischereilich nutzbar ist allein die Bachforelle, bei der Groppe handelt es sich um eine bodenorientierte Kleinfischart.

Durch frühere Besatzmaßnahmen eingebracht wurden die fischereilich nutzbaren Arten Regenbogenforelle Oncorhynchus mykiss und Bachsaibling Salvelinus fontinalis; beide sind heute nur noch vereinzelt anzutreffen (keine natürliche Reproduktion).

Bachsaibling
Bachsaibling

Aus einem Forschungsprojekt der Universität Innsbruck (1990) ist bekannt, daß die Dichte der Groppenbesiedlung negativ mit der Dichte der Bachforellen > 15 cm korreliert. Dies scheint auch im Achenbach der Fall zu sein.

Die (nach den Fangergebnissen ermittelten) Ertragszahlen der weitgehend unbelasteten Seitenbäche sind sehr unterschiedlich. Dies liegt an den unterschiedlichen Habitatstrukturen und den Schwankungen der Wassermenge (nahezu keine fischereiliche Nutzung).

 Fische21 Ertrag

Fangergebnisse (Elektrofischfang)

Fische23 BefiHeik

Befischungen / Methoden: 23.–26. Aug. 1988 und 4.–5. Okt. 1996 mit zwei tragbaren Elektrofischfanggeräten. Gefischt wurde von 2 Personen gegeneinander oder gegen ein Hindernis. Alle Fische wurden nach Artbestimmung, Längen- und Gewichtsmessung lebend in das Wasser zurückgesetzt.

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Auffallend war, daß Bachforellen der Größen über 25 cm bei der Mehrzahl der Probestellen sowohl 1988 als auch 1996 zu einem außergewöhnlich geringen Anteil gefangen wurden. Die Längen-Gewichts-Kurve zeigt außerdem für beide Jahre einen eher flachen Verlauf (d. h. geringeres Individualgewicht als z. B. bei Flachlandforellen in nährstoffreichen
Bächen).

Gruppen-Laich (Achenbach)
Gruppen-Laich (Achenbach)
Die Häufigkeit der Groppe war 1996 im Vergleich zu 1988 deutlich geringer. Bachforelle und Groppe reproduzieren sich im Achenbach und den meisten Nebengewässern natürlich, wenn auch nicht in allen Gewässerstrecken.
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Die Größe des Fischbestands war an den einzelnen Probestellen sehr unterschiedlich. Eine Umrechnung auf den fischereilichen Ertrag in kg/ha ergab für den Achenbach Ertragshöhen bis 180 kg/ha (1988) bzw. 187 kg/ha (1996). Die höchsten Erträge wurden im Ortsbereich Achenbach, die niedrigsten oberhalb der Geschiebesperre Rauchstuben festgestellt.

Populationsstruktur der Bachforelle

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Juvenile Bachforellen überwiegen im Achenbach (in Abb: rote und blaue Linie), wo auch Laichplätze vorhanden sind. Hier erfolgte zudem Besatz mit Brut (im 2-Jahres-Rhythmus), einsömmrigen und zweijährigen Bachforellen. In den Nebengewässern (grüne Linie) ist der Anteil juveniler Bachforellen deutlich geringer; es überwiegen die kleineren Adulten. Die Zahl der Laichplätze ist hier auf wenige Stellen begrenzt und das Wachstum aufgrund von Nahrungsarmut langsamer. Im Achenbach leben in einigen Kolken vereinzelt sehr große Bachforellen, während die Größenklasse › 25 cm einen sehr geringen Anteil ausmacht.

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Eine Bachforelle mittlerer Größe (“kleine Adulte”) mit langsamen Wachstum aus einem Seitenbach. Unten eine der wenigen sehr großen Exemplare im Achenbach. Auffallend ist die unterschiedliche Färbung.

Bewertung der Fangergebnisse

Wasserführung

Die verminderte Wassermenge bewirkt nicht nur überwiegend geringe Wassertiefen, sondern verkleinert vor allem die Wasserfläche und damit den für Fische als Lebensraum nutzbaren Wasserkörper (der Bach nutzt bei normalem Wasserstand nicht mehr die zur Verfügung stehende Breite, sondern fließt als “Bach im Bachbett”). Der potentiell mögliche Fischbestand ist daher aufgrund dauerhaft verminderter Wassermenge ebenfalls geringer (Schätzung je nach Gewässerstrecke zwischen 30 und 60 %, besonders hoch unterhalb der Ableitungsstrecken).

Prädatoren

Problematisch ist z. Z. das Vorkommen von Graureihern, die den Fischbestand erheblich dezimieren können. Genauere Zählungen liegen leider nicht vor. Das Vorkommen der geringen Zahl von Fischen > 25 cm ist jedoch nicht auf die Prädation von Graureihern zurückzuführen, da die Graureiher erst in den letzten Jahren ein Problem darstellen und frühere Befischungen dasselbe Ergebnis aufwiesen. Zeitweise trat zusätzlich verstärkt der Säger auf; dessen Bestand ist aber in den letzten Jahren wieder zurückgegangen. Der Kormoran kommt im Achental nicht vor.

Habitat

Flachzonen sind der bevorzugte Lebensraum überwiegend kleiner Bachforellen, während größere Fische vor allem Tiefstellen und Kolken benötigen. Der geringe Anteil von Bachforellen > 25 cm steht in direktem Zusammenhang mit dem Mangel an tieferen Gewässerzonen.

Eine für den Achenbach natürlichere Zusammensetzung der Fischgrößenklassen läßt sich allein durch Veränderung der Lebensraumstrukturen erreichen. Beispiele neben einer Erhöhung der Wassermenge sind die Schaffung von tieferen Kolken und Unterständen, wie sie vom FUST in den letzten Jahren stellenweise durchgeführt wurden. Die Schwierigkeit hierbei ist die Vereinbarkeit mit dem Hochwasserschutz (möglichst keine Hindernisse im Gewässerbett) und die Haltbarkeit der Maßnahmen (stärkere Hochwasser füllen ausgebaggerte Kolke wieder auf und verschieben eingebrachte Störsteine).

Nahrungsangebot

Die Menge verfügbarer Nahrung ist einer der den Fischbestand limitierenden Faktoren. Unabhängig von Besatzmaßnahmen können nur so viele Fische vorkommen, wie auch Nahrung vorhanden ist. Nach Bau der Kläranlage ist die Eutrophierung zwar zurückgegangen, hatte aber keine nachweisbaren Auswirkungen auf die Höhe des Fischbestands.

Wasserqualität

Die Fangergebnisse von 1996 zeigen, daß im Achenbach auch heute noch Fischsterben vorkommen. Bei Probestelle 7 war die 1986 noch häufige Groppe 1996 verschwunden und die Bachforelle kam nur in den vom Fischsterben unbetroffenen Zuflüssen und Seitenarmen vor. Der Grund für dieses Fischsterben waren Baggerarbeiten im Gewässer (Geschiebe- und Kiesentnahmen).

Fischbesatz

Bachforelle und Groppe: Als Besatz wurden bis einschließlich 1996 jährlich 1.000 Stück einsömmrige und zweijährige Bachforellen (4/5) und Regenbogenforellen (1/5) an verschiedenen Stellen eingesetzt. Zusätzlich wird etwa alle 2 Jahre ca. 5.000 Stück Brut aus dem Fischweiherbach vor allem in Taschbach und Achenbach eingesetzt. Außerdem erfolgen Besatzmaßnahmen durch den Pächter im bayerischen Abschnitt. Der Achenbach verfügt über einen der Nahrungsmenge und den Habitatstrukturen entsprechenden Fischbestand. Die einheimischen Arten Bachforelle und Groppe reproduzieren sich auf natürliche Weise. Besatzmaßnahmen sind im Achenbach überflüssig:

  • Besatz mit Brut und Jungfischen führt zu keiner Veränderung des Fischbestands bzw. Fischertrags (Wirkung: Futter für die größeren Bachforellen).
  • Die natürliche Reproduktion erscheint völlig ausreichend, um einen gewässertypischen Fischbestand aufrechtzuerhalten und den fischereilich nutzbaren Ertrag abzuschöpfen.
  • Besatz mit größeren Forellen (ab 12–15 cm) kann eine weitere Verminderung des zurückgehenden Groppenbestands bewirken (die eingesetzten Bachforellen dezimieren zuerst die Groppen und wandern anschließend ab).

Der abschöpfbare Fischertrag wird im Achenbach fischereilich nicht ausgenutzt. Auch aus diesem Grund ist zusätzlicher Besatz auf keinen Fall erforderlich.

Bachsaibling
Bachsaibling

Der Bachsaibling Salvelinus fontinalis stammt aus Nordamerika und sollte ebenfalls nicht eingesetzt werden. Im Vergleich zur Bachforelle jagt er eher im freien Wasser und ist weniger auf Verstecke angewiesen, womit er im Gewässersystem Achenbach einen Standortvorteil hätte. Mit der Bachforelle kann es zur Bastardbildung (Tigerforelle, Foto links) kommen. Falls eine Erhöhung der Artenvielfalt gewünscht ist, könnte z. B. im Bereich Geschiebesperre Rauchstuben ein Versuch zur Einbürgerung des einheimischen Wandersaiblings Salvelinus alpinus durchgeführt werden.

Äsche
Äsche

Die Äsche Thymallus thymallus zählte früher (d. h. vor der Wasserableitung) zu den im Achenbach beheimateten Fischarten. Vor allem aufgrund der auftretenden Niedrigwasserstände ist der Lebensraum heute nicht mehr für die Äsche geeignet. Eine Wiedereinbürgerung ist erst dann sinnvoll, wenn die Wasserführung wieder dauerhaft auf die früheren Verhältnisse zurückgeführt wird.

Die aus Nordamerika stammende Regenbogenforelle sollte als Konkurrent der einheimischen Bachforelle nicht besetzt werden. Da sich die Art im Achenbach nicht natürlich fortpflanzt, wäre sie zudem auf ständigen Nachbesatz angewiesen.

Sanierungsbedarf und Restwasserproblematik → Kurzbericht

Fische Grafik

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Anschrift des Verfassers:
Dr. Gerhard Rudi Pelz, öbv-Sachverständiger
Am Margretenberg 40; D-36100 Petersberg pelz@fische.com • pelz@dialog-in-bildung.eu