Gesamtheitliche (skalenübergreifende) Analyse der Einflussfaktoren und ihre Wirkung auf die Fischfauna im inneralpinen Raum

ITAT–1041 – ALFFA • Aug. 2017 bis Juni 2019 • FUST-Tirol Projektbeteiligung 

Halbzeit im EU-Interreg-Projekt ALFFA
Zwischenbericht, 19.10.2018

von Erich Tasser, Inst. f. Alpine Umwelt (EURAC) und FUST-Tirol


Das derzeit laufende Interreg V/A - Projekt beschäftigt sich mit dem
Zustand der heimischen Gewässer und Fischpopulationen und deren
Veränderungen durch anthropogene Einflüsse in Südtirol und Tirol.

Die Fließgewässer in den Südtiroler und Tiroler Alpen haben sich aufgrund zunehmender Nutzung unserer Kulturlandschaften und anderer menschlicher Einflüssen stark verändert. Trotz bisheriger Bemühungen hat sich die Situation der Fischfauna mancherorts verschlechtert. Einzelne Fischpopulationen gehen zurück, manche sind bedroht oder teilweise sogar verschwunden.

Abb.1: Um den morphologischen Charakter eines Fließgewässers zu beschreiben (hier Kleiner Kalterer Bach), wurden Uferdynamik, Sohldynamik, Bachverlauf, Substrat, Gewässerstrukturen, Uferbegleitsaum und Wasserpflanzen wissenschaftlich untersucht. Dabei wurde das zu untersuchende Fließgewässer, ab dem Untersuchungspunkt, 1km flussabwärts kartiert.

Fische sind laut der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL, 2000/60/EG) ein Indiz dafür, wie der Zustand eines Gewässers ist. Das Interegg V/A - Projekt ALFFA wurde im Jahr 2017 gestartet und untersucht möglichst alle Einflussfaktoren die auf die Fischfauna wirken, wie Geomorphologie und Landschaft, Gewässerchemie und hormonaktive Substanzen, Makrozoobenthos und fischfressende Vögel. Mithilfe dieses Projektes sollte ein gesamtheitliches Bild darüber entstehen, wie die tatsächliche Qualität der inneralpinen Fischlebensräume ist und welche Faktoren diese nachweislich beeinflussen.

Im Zentrum der Untersuchungen steht die Fischfauna in ihrer Gesamtheit (Artenspektrum, Abundanz- und Dominanzverhältnisse). In Gebirgsflüssen sind besonders Koppen (Cottus gobio) und juvenile Bachforellen (Salmo trutta fario) ideale Zeigerarten, für die Beurteilung des Fließgewässers. Koppen und juvenile Bachforellen gelten als standortstreue Tiere, benötigen hohe Sauerstoffkonzentrationen, niedrige Wassertemperaturen und stellen daher große Ansprüche an die Wasserqualität. Mittels Elektrobefischungen werden alle Individuen kurzfristig aus den Gewässern entnommen und quantifiziert. Es konnten in Südtirol insgesamt 5676 Fische in den getesteten Gewässern bestimmt werde, was einen durchschnittlichen Wert von 133,3 kg pro Hektar ergibt. Dabei war die am häufigsten vorkommende Art die Bachforelle mit 1556 Individuen. Eine stolze Zahl von 25 Fischarten (Bachneunauge, Aal, Hecht, etc.) konnte in Südtirol damit nachgewiesen werden Für Tirol liegen hingegen noch keine Daten vor, da die Befischungen derzeit noch laufen.

Abb.2: Insgesamt konnten 25 Fischarten identifiziert werden, darunter auch Bachforellen (Salmo trutta fario), welche aus genau definierten Flussflächen kurzfristig entnommen wurden, um Art, Größe und Geschlecht zu bestimmt. Auf dem Bild ist eine marmorierte Forelle aus dem Fluss Ahr zu sehen.

Individuen von Cottus gabio und Salmo trutta fario werden nun herangezogen, um Folgen einer potentiellen hormonellen Belastung der Gewässer zu bestimmen. Diese Untersuchungen sind von großer Bedeutung, da sich hormonelle Substanzen, die vor allem durch Haushaltsabwässer in die Flüsse gelangen, auf das Geschlechterverhältnis der Fische negativ auswirken. So fördern östrogenaktive Substanzen die Verweiblichung einer Fischpopulation, was zu einem Ungleichgewicht führt. Zu diesen hormonellen Stoffen zählen beispielsweise Bestandteile der Antibabypille, oder auch Metformin aus der Diabetestherapie. Darüber hinaus werden zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten noch klassische Parameter (wie z.B. pH-Wert oder Leitfähigkeit), Schwermetallbelastung und Pflanzenschutzmittelbelastung untersucht. Bis Dato konnten die Befischungen in Südtirol abgeschlossen werden.

Das Makrozoobenthos (alle mit dem Auge erkennbare tierische Organismen, die auf dem Gewässerboden leben, wie z.B. Bachflohkrebse, Käfer- oder Fliegenlarven) ist die Nahrungsgrundlage von Fischen. Ist ausreichend davon vorhanden, so spiegelt sich dies auch in den Fischpopulationen wider. Dabei wurde sowohl die Qualität und- die Diversität des Nahrungsangebotes-, als auch die Menge der vorhandenen Nahrung-, analysiert. Die genaue Anzahl von Individuen pro m2 variiert sehr stark von Gewässer zu Gewässer. So konnte ein Maximum an 1180 Tiere pro m2 in der Ahr gefunden werden, jedoch nur 15 Individuen pro m2 im Naifbach, welcher das Minimum der untersuchten Gewässer darstellt. In Tirol konnten hingegen im Durchschnitt leben 2799 Individuen pro m2 nachgewiesen werden und damit mehr als doppelt so viele Tiere wie in Südtirol. Auch in Tirol variiert die Anzahl der Tiere stark. Im Maximum konnten 6960 Tiere pro m2 in der Ache gefunden werden, jedoch nur 353 Individuen in der Fieberbrunner Ache.

Abb.3: In Süd-, Nord-und Osttirol wurden insgesamt 80 Punkte beprobt. Anhand von diesen Untersuchungen werden flächenbezogene Landschaftsmerkmale, sowohl menschlichen als auch natürlichen Ursprungs, analysiert und dokumentiert. Neben morphologischen (z.B. Verbauungen) werden auch hydrologische Merkmale (z.B. Restwasser) erhoben.

Die Ausprägung und Nutzung des Umlandes bzw. Einzugsgebietes wirkt sich ebenfalls auf die Qualität des Wassers, die darin vorhandenen Lebewesen und somit auch auf die Fischfauna aus. Aufgrund dessen werden Erhebungen der Geomorphologie und Landschaften durchgeführt. Diese landschaftsökologischen Erhebungen sind abgeschlossen.

Um auf potentielle Feinde hinzuweisen, werden neben der Angelfischerei auch fischfressende Vögel dokumentiert. Die Bestände von Graureiher, Kormoran und Gänsesäger werden durch Horst- und Vogelzählungen an 4 Tagen dokumentiert. Die Erhebungen zu den fischfressenden Vögeln in Südtirol liegen im Zeitplan und werden im Frühjahr 2019 vollendet sein.

Aus den oben genannten Untersuchungen sollten künftig Ergebnisse gewonnen werden, die den Populationszustand der Fische und die sich daraus ergebende Wasserqualität darstellen. Das gewonnene Wissen kann und soll bei der Erstellung von Leitlinien zu Gewässermanagement und -schutz aber auch für die Nutzung eine Hilfe sein, um sowohl heimische Gewässer als auch deren Fischfauna im inneralpinen Raum zu schützen und zu erhalten.