Landschaft ins Visier genommen – Was gibt’s Neues im Projekt?
Landschaft befindet sich in ständigem Wandel. Seit der Mensch vor rund 10.000 Jahren sesshaft wurde, verändert und formt er seine Umwelt nach seinem Ermessen. Von den ersten Lehmhütten hin zu komplexen Mega-Metropolen, von extensiver, kleinstrukturierter Drei-Felder-Wirtschaft hin zu großflächigen Monokultursteppen - der Mensch prägt das Erscheinungsbild unseres Planeten wie kein Lebewesen vor ihm. Aber wie hat sich die Landschaft konkret in Südtirol über die letzten 150 Jahren verändert? Wie wirken sich diese Veränderungen auf unsere Wildtierpopulationen aus? Und kann man von vorhandenen Wildtierpopulationen Rückschlüsse auf die Landschaftsqualität schließen?
Wildtiere werden direkt und indirekt von menschlicher Aktivität beeinflusst. Veränderungen in der Landnutzung wie z.B. Land- und Forstwirtschaft, Siedlungen und Infrastruktur wirken sich direkt auf den Lebensraum von Wildtieren aus. Almweiden dienen vielen Wildtieren als Äsungsfläche oder werden, wie im Falle des Birkwildes, als Balzplatz aufgesucht. Werden diese Almen aufgegeben, wachsen die durch die Beweidung offen gehaltenen Flächen nach und nach zu. Äsungsfläche und Balzplatz sind verloren, die Landschaft hat sich gewandelt und mit ihr das Vorkommen der Wildtiere.
Das Projekt „Landschaft im Visier“ untersucht solche Landnutzungsveränderungen in Südtirol und versucht, diese mit dem Vorkommen bestimmter Wildtierarten in Verbindung zu bringen. Ziel ist es, mithilfe bestimmter Indikatorarten - die im Zuge des Projektes erarbeitet werden - Rückschlüsse auf die Qualität der Landschaft ziehen zu können und Leitfäden für künftige Managementmaßnahmen zu erstellen.
Um eine solche Untersuchung möglich zu machen, bedarf es einer guten Datengrundlage. In Kooperation mit dem Amt für Jagd und Fischerei, dem Südtiroler Jagdverband und der Universität Innsbruck konnten im ersten Teil des Projektes die notwendigen Daten für das Projekt gesammelt und aufbereitet werden. Kartierungen der Landnutzungsveränderungen der letzten 150 Jahre, detaillierte Abschusslisten von 1953 bis 2017 sowie eine Liste der Entnahmen aus dem Jahr 1890, Verbreitungskarten der Wildarten in Südtirol und Informationen zu Temperatur, Niederschlag, Schnitthäufigkeit auf Grünlandflächen und Einsatz von Pestiziden fließen in die Analysen des Projektes mit ein.
Erste Einblicke
Anhand geostatistischer Analysen können Wildbestände mit kartierten Landnutzungsveränderungen in Verbindung gebracht werden. Da tatsächliche Wildbestände jedoch nicht oder nur sehr schwer zu ermitteln sind, bilden die jährlichen Abschusszahlen einen wichtigen Anhaltspunkt. Statistische Tests haben gezeigt, dass die zur Verfügung gestellten Abschusszahlen einzelner Arten mit den in den Revieren geschätzten Wildtierpopulationen korrelieren und für die Studie verwendet werden können.
Für die Analysen wird die Datenreihe von 64 Jahren (1953 bis 2017) in sechs Zeitabschnitte unterteilt: 1953-1964, 1965-1974, 1975-1984, 1985-1994, 1995-2004, 2005-2017. Der Mittelwert der getätigten Abschüsse pro Tierart wird für jeden der Zeitschritte berechnet und anschließend in Form von Karten visualisiert. Die Karten demonstrieren, in welchen Revieren die Abschüsse einer Art im Laufe der Jahrzehnte zu- oder abgenommen haben. Auch räumliche Verschiebungen lassen sich anhand der Kartenreihen erkennen.
Abbildung 1 zeigt die Karten zu den drei ausgewählten Wildtierarten Feldhase (Lepus europaeus), Birkwild (Tetrao tetrix) und Rotwild (Cervus elaphus) für die sechs untersuchten Zeitschritte. Die Tabellen in Abbildung 2 präsentieren die Summe der erlegten Individuen dieser drei Arten in Südtirol. Und Abbildung 3 fasst schließlich die generellen Abschusstrends für alle untersuchten Wildtierarten zusammen.
Die Abschusszahlen des Feldhasen verzeichnen einen deutlichen Rückgang seit den 60er Jahren. Auch die Bestände sind rückläufig. Lediglich in den Tälern des Unterlandes und des Burggrafenamtes werden noch vermehrt Individuen erlegt. Die Entnahme des Birkwildes ist seit 1966 durch Abschusspläne geregelt. Aufgrund der Umstellung von der Frühjahrsbejagung auf die Herbstjagd kommt es in den späten 80er Jahren zu einem kurzfrsitigen Einbruch der getätigten Birkwildabschüsse. Eine natürliche Wiederansiedlung des Rotwildes seit den 1940er Jahren führt zu einer stetigen Ausbreitung der Art in Südtirol und zu dementsprechend steigender Entnahme. Auch bei anderen Schalenwildarten wie Reh oder Gams nehmen Bestand und Entnahme zu. Niederwildstrecken hingegen sind in vielen Gebieten Südtirols rückläufig.
Wie geht’s jetzt weiter?
Die Datensammlung ist zum jetzigen Zeitpunkt weitgehend abgeschlossen. Im nächsten Schritt werden die räumlich-zeitlichen Zusammenhänge zwischen Abschusszahlen und Landschaftsqualität mithilfe geostatistischer Analysen untersucht. Die Landschaftsqualität wird dabei durch verschiedene Parameter wie Landbedeckung, Höhenlage, Düngemengen usw. beschrieben. Die Ergebnisse der Studie sollen in das Nachhaltigkeitsmanagement der Region Südtirol (www.sustainability.bz.it) einfließen und als Leitfaden für Gemeinden, z.B. das künftige Landmanagement in der Berglandwirtschaft betreffend, dienen.
Abb. 2: Die Abbildungen zeigen die Summe der erlegten Individuen der drei ausgewählten Arten in Südtirol. Es werden dieselben Zeitschritte wie in den Karten verwendet. Der Nationalpark Stilfserjoch ist aus den Analysen ausgeschlossen. (→ Bild vergrößern)