FUST-Tirol Positionen
Naturschutz durch nachhaltige Nutzung
Naturschutz durch Naturnutzung – geht das?
Positive Entwicklung
Naturschutz und Naturnutzung waren im gesellschaftlichen Verständnis lange Zeit starke Gegensätze. Vor 10 Jahren war es auf offizieller internationaler Ebene neu, dass zwischen Naturschutz und Naturnutzung durch den Menschen kein grundsätzlicher Gegensatz besteht. Auch heute wird natürlich nicht jede Form der Nutzung automatisch als Beitrag zum Naturschutz anerkannt. Die Nutzung muss auf „nachhaltige“ Weise erfolgen. Der Verständniswandel wurde 1992 bei der Weltumweltkonferenz der UNO in Rio offiziell eingeleitet. Die Weltnaturschutzunion IUCN stellte im Jahr 2000 in ihrer Grundsatzerklärung von Amman in prägnanter Weise nochmals ganz klar: „Die Nutzung wildlebender Ressourcen stellt, soweit sie nachhaltig erfolgt, ein wichtiges Instrument zur Erhaltung der Natur dar, da die durch eine solche Nutzung erzielten sozialen und wirtschaftlichen Vorteile dem Menschen Anreize geben, diese zu erhalten.“ Am Weltnaturschutzgipfel 2002 in Johannesburg wurde dieses die Nutzung einschließende Naturschutzverständnis abermals bestätigt. Ebenso beim Weltkongress in Kuala Lumpur (UNEP 2004).
Jede Form der Nutzung natürlicher Ressourcen (Pflanzen, Tiere, Lebensräume) kann somit bei Wahrung der „Nachhaltigkeit“ Teil eines großen gesellschaftlichen Naturschutz- und Entwicklungskonzeptes werden. Es wurde weltweit klar, dass die langfristige Erhaltung der Biodiversität am besten durch nachhaltige Nutzung und nicht durch generellen Nutzungsverzicht gewährleistet ist. Dies trifft zum Beispiel auch auf die Nutzung von Waldpflanzen und Wildtieren durch Forstwirtschaft und Jagd zu. Diese Form der Nutzung setzt Lebensraumschutz für Pflanzen und Tiere voraus - nur in intakten Lebensräumen können vitale Populationen auf Dauer bestehen. Dafür sind aber nicht nur Forstleute und Jäger, sondern alle Interessengruppen, die im Wald und in Wildlebensräumen ihre Spuren hinterlassen, mitverantwortlich. Es erfordert also eine ganzheitliche Sicht, die bereits bei Kindern und Jugendlichen in den Familien (an speziellen Familientagen), im Kindergarten und in der Volksschule durch aktives Lernen draußen in der Natur gefördert werden muss. Dies wird als notwendige Ergänzung zur künstlichen Welt am Computer gesehen.
Nachhaltigkeit als Forderung des Menschen
Naturschutzorganisationen stellen fest, dass das Schlagwort „nachhaltige Nutzung“ teilweise zur Rechtfertigung von nicht nachhaltigen Tätigkeiten verwendet wird. Dabei taucht der Vorwurf des „Etikettenschwindels“ auf. Die Diskussionen um die Nachhaltigkeit machen deutlich, dass die konkrete Bedeutung dieses Begriffes nicht von vornherein klar ist, sondern dass im gesellschaftlichen Kontext erst definiert werden muss, was man darunter verstehen will. Es gibt kein Naturgesetz, aus dem man Nachhaltigkeit ableiten könnte. Deshalb wird nun in den verschiedenen Nutzergruppen versucht, Prinzipien, Kriterien und Indikatoren festzulegen, die den Grad der Nachhaltigkeit in ökologischer, ökonomischer und sozio-kultureller Hinsicht messbar machen. Dies erfolgte zum Beispiel auch für die Jagd (www.biodiv.at/chm/jagd).
Eine überwiegende Anzahl von Menschen antwortet allerdings auf die Frage, welcher der beiden Begriffe „Nachhaltigkeit“ oder „Nutzung“ denn der Natur näher stünde, spontan mit: „Die Nachhaltigkeit“. Nachhaltigkeit ist somit stärker mit „natürlich“ besetzt, Nutzung hingegen generell eher negativ mit „unnatürlich“. Dieser Irrtum dürfte die Nachwirkung einer Jahrzehnte langen sehr nutzungskritischen bis nutzungsfeindlichen Bildung sein, als verständliche aber überzogene Gegenbewegung zu einer vielerorts bedenkenlosen „Übernutzung“ von natürlichen Ressourcen durch den Menschen.
Nachhaltigkeit und letztlich auch Naturschutz sind aber keine Naturprinzipien, sondern auf den Menschen bezogene anthropozentrische Konzepte. Sie sind primär auf die absehbaren Bedürfnisse zukünftiger Menschengenerationen zugeschnitten. Nachhaltigkeit, wie sie der Mensch anstrebt, findet man im Naturgeschehen kaum. Das einzig wirklich Nachhaltige in der Natur ist ihre Veränderung. Nichts kommt so wieder wie es einmal war. Ständig gibt es neue Gewinner und neue Verlierer unter den Arten.
Zu den großen Gewinnern der letzten Jahrtausende gehört zweifellos der Mensch. Es ist verständlich, dass er und andere Gewinner aus dem Pflanzen- und Tierreich sich eine Umweltsituation längerfristig bzw. nachhaltig erhalten wollen, die ihnen den Gewinnerstatus kontinuierlich und auf Dauer ermöglicht. Dies ist im Grunde ein ständiges Arbeiten gegen natürliche Veränderungen. Bei der notwendigen Pflege von Gärten wird das zum Beispiel sehr deutlich. Eine auf überschaubarer Fläche alljährlich weitgehend gleichbleibende Nutzungsmenge und -qualität, ein erklärtes Ziel der Land- und Forstwirtschaft, also kurzfristige und kleinflächige Nachhaltigkeit, können sogar sehr unnatürlich, aber dennoch vom Menschen sehr erwünscht sein. Dies trifft auch auf die jagdliche Nutzung zu. Wildtierbestände unterliegen von Natur aus meist viel größeren räumlichen und zeitlichen Schwankungen als dem Jäger lieb ist.
Nutzung als Grundprinzip der Natur
Nutzung hingegen ist - auch ohne Einbeziehung der menschlichen Nutzung - ein ganz zentrales Grundprinzip der Natur. Ohne Nutzung könnten die natürlichen Prozesse nicht ablaufen, an denen sich auch der Naturschutz orientiert. Nutzung, sowohl in konsumtiver als auch in nicht konsumtiver Form, ist der Motor vieler dynamischer Abläufe in Naturgeschehen. Jedes Lebewesen lebt von der Nutzung und Benutzung natürlicher Ressourcen, sei es zum Schutz vor Feinden oder Klimaeinflüssen, zum Spiel, zum Nestbau und selbstverständlich zur Nahrung (Primärproduktion der Pflanzen, Nahrungsketten über Pflanzen- und Fleischfresser bis hin zu den Reduzenten, die die organische Substanz wieder abbauen). Alle Glieder der Lebensgemeinschaften, der Mensch eingeschlossen, stehen von Natur aus in ständigen Nutzungsabhängigkeiten zueinander.
Während also der Begriff „Nutzung“ eng mit der ganzen Natur verbunden ist, ist der Begriff Nachhaltigkeit auf den Menschen und seine Bedürfnisse bezogen. Beide Begriffe sind wichtig, keiner davon minderwertiger. Den Blick auf die Realität verstellende Ideologien, daraus entstehende Missverständnisse und Feindbildpflege zwischen „Schützern“ und „Nutzern“ der Natur können Probleme sicherlich nicht lösen und sollten der Vergangenheit angehören. Insbesondere bei der Ausbildung der Jugend und der sie ausbildenden Lehrer sollte dies beachtet werden. Als Voraussetzung für Lernen in der Natur braucht es geeignete land-, forst- und jagdwirtschaftliche Betriebe, in die Lehrer und Schüler eingeladen und kompetent geführt werden. Dafür sollen Natur-, Wald- und Wildpädagogen ausgebildet werden, die den „Mehrwert“ der nachhaltigen Nutzung für den Menschen und den Naturschutz gut vermitteln können, auch, dass Nachhaltigkeit eine Kultur des Teilens ist - zwischen Generationen und Interessengruppen.
Nutzung ist grundsätzlich natürlich. Wenn sie den Nachhaltigkeitskriterien entspricht, entstehen für Mensch und Lebensraum auf Dauer positive Auswirkungen und gleichzeitig wird diese Nutzung dann von der Gesellschaft als aktiver Beitrag zum Naturschutz anerkannt.
Erlebnis und Beute
Nachhaltige Nutzung wurde als wichtige Säule auch des Naturschutzes erkannt. Eine Wiederentdeckung traditioneller Konzepte? Nutzung ist grundsätzlich natürlich. Dies trifft auch auf die Jagd zu. Wenn sie den Nachhaltigkeitskriterien entspricht, entstehen für Mensch und Lebensraum auf Dauer positive Auswirkungen und gleichzeitig wird diese Nutzungsform dann von der Gesellschaft als aktiver Beitrag zum Naturschutz anerkannt.
Für den FUST-Tirol:
- Landtagsvizepräsident Anton STEIXNER, Vorsitzender;
- Univ. Prof. DI Dr. Edwin DONAUBAUER, Univ. für Bodenkultur, Mitglied des Lenkungsausschusses.
- Univ. Prof. DI Dr. Friedrich REIMOSER, Forsch.-Inst. f. Wildtierkunde u. Ökologie d. Veterinärmed. Univ. Wien, Projektkoordinator.
Fotos: F. Reimoser
Zitierweise:
FUST-Tirol (2004): Naturschutz durch nachhaltige Nutzung. Naturschutz durch Naturnutzung – geht das? – FUST-Position 4; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 5 Seiten.
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