Schwerpunktbejagung auf Gams (Rupicapra rupicapra) – Auswirkungen auf die Jungwaldentwicklung
im alpinen Bergwald

Focus hunting on chamois (Rupicapra rupicapra) –
effects on the young forest development in an Alpine regiongams-bejagung_foto_a

FUST‐Forschungsprojekt
Achenkirch/Tirol, Wien 2016 • wildlife.info
ISBN: 978‐3‐9504175‐5‐5 • DOI: 10.17439/chamois_hunting_forest

Ludwig Messner (Berufsjäger),
Florian Nothdurfter (Förster)
Friedrich Reimoser (wissenschaftl. Begleitung)

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Zusammenfassung

Durch die Erschließung eines bisher unberührten Revierteiles durch eine Forststraße und anschließend forstliche Nutzungen durch Kahlschläge ist für das Gamswild ein Lebensraum durch offene Flächen mit guter Äsung im Sommer und Winter entstanden. Diese offenen Kahlschlagflächen wurden ein attraktiver Einstand mit einer kräuterreichen Flora für das Gamswild. Ein Aufkommen von Naturverjüngung von Tanne und Laubhölzern war durch den starken Verbissdruck nicht möglich. Es musste daher eine Schwerpunktbejagung in diesem Gebiet eingeleitet werden, die ca. 20 Jahre anhalten musste, um die gewünschte Baumartenmischung aufzubringen.

In Zukunft sollten in solchen Gebieten forstlich kleinflächige Nutzungen (Femelhiebe) und Einzelstammentnahmen durchgeführt werden. Für Gams besiedlungsattraktive Kahlschläge sollten vermieden werden.

In den zwischenzeitlich entstandenen Dickungen (die der Äserhöhe des Wildes bereits entwachsen sind) muss jetzt eine gezielte Mischungsregulierung der Baumarten erfolgen. Vor allem muss Nadelholz entsprechend dem Verjüngungsziel teilweise freigestellt werden, damit es nicht vom Laubholz überwachsen wird und ausfällt. Der restliche Teil des Untersuchungsgebietes mit seinen Grashängen und Gräben ist weiterhin ein guter Wintereinstand für Gamswild.

Summary

By opening up a previously untouched area by a forest road and then forest utilization by clearcutting, for the chamois a suitable habitat arose, caused by open areas with good feed supply in summer and winter. These open clearcut areas were an attractive habitat with a herb‐rich Flora for the chamois. A development of natural regeneration of silver fir broadleaved trees was not possible due to the strong pressure of browsing. Therefore a focus hunting in this area had to be introduced which had to go on about 20 years to achieve the desired tree species mixture.

In the future, forest management in such areas should prefer group selection felling and cutting by single tree selection with natural forest regeneration. For chamois colonization attractive clearcuts should be avoided.

In the thickets progressively emerged (who have already outgrown the chamois impact at their top twigs) now must be a targeted mixture regulation of tree species. Particularly needle tree species must be partly released from competing trees according to the rejuvenation target, so it is not overgrown by deciduous trees and fails. The remaining part of the region with its grassy slopes and ditches is still a good wintering ground for the chamois.

1. Einleitung und Problemstellung

Ein vorher mit Altholz bewaldeter Talkessel wurde mit einer neuen Forststraße erschlossen. Dann wurde Holznutzung durch Kahlschläge durchgeführt. Es kam zu Gamskonzentrationen vor allem im Winter, eine natürliche Mischwaldverjüngung war, bedingt vor allem durch intensiven Verbiss des Gamswildes, nicht möglich. Die Bejagung des Schalenwildes musste angepasst werden.

In den 1970er Jahren wurden im Seehöhenbereich zwischen 1050‐1250 m durch den so genannten „Erntezug“ der Österreichischen Bundesforste AG (ÖBf‐AG) starke Altholznutzungen vorgenommen. Die noch verbliebenen Altholzvorräte in Forststraßennähe wurden in den nachfolgenden Wintern bis Mitte der 80er Jahre genutzt. Durch die Schaffung großer Kahlschläge wurde die Jagd und Abschussdurchführung erleichtert, denn diese Freiflächen gaben gute Äsungsverhältnisse für Rot‐ und Rehwild und anfangs auch gute Sicht für die Bejagung. Das auf den besiedlungsattraktiven Schlägen immer wieder einwechselnde Gamswild wurde stark bejagt. Eine bis 1972 ausgeübte Waldweide der angrenzenden Landwirte in Tallagen (Fraktion Achenwald) wurde eingestellt (Wald‐Weidetrennung Hagen), denn der landwirtschaftliche Bereich „Milchwirtschaft“ war zu arbeitsintensiv, daher nicht mehr kostendeckend.

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Bild 1: Im Gebiet Schwarzboden‐Fischweiher wurde die Waldweide 1972 eingestellt, anschließend durch den Erntezug der ÖBf forstlich genutzt. Das Gebiet hat derzeit eine Mischwaldverjüngung mit Stammzahlen von 20.000 ‐ 40.000 Stk./ha.

Durch die Erschließung mit Forststraßen kam man mit der Waldbewirtschaftung auch in vorher unberührte Revierteile. Altholzreserven, die in solchen Revierteilen noch vorhanden waren, wurden durch die Technisierung (Seilkranbringung) immer mehr einer Nutzung unterzogen. Alle diese Nutzungen wurden mit großen Kahlschlägen zwischen 1 ha und 4,2 ha durchgeführt. Oftmals wurden diese Schlägerungen im Nahbereich von Wintereinstandsgebieten des Gamswildes durchgeführt, was dann bei der Waldverjüngung Probleme brachte. Fichten‐ und Lärchenbestände ohne Laubholz aufzubringen waren nicht mit großen Schwierigkeiten verbunden, aber Mischungen mit Ahorn, Buche und Tanne brauchten große Anstrengungen durch die Jägerschaft. Gerade zu Beginn der siebziger Jahre, und zwar im Jahre 1974 nach der österreichischen Forsttagung in Tirol kam ein Umdenken in der Forstwirtschaft. Die Aussage des damaligen Forsteinrichtungschefs der ÖBf (Dr. Moser), dass es in Zukunft im Karwendel keinen Mischwald mehr geben wird wie er in den Altholzbeständen noch vorhanden ist, brachte große Diskussionen zwischen Forstwirtschaft und Jägerschaft.

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Bild 2: Exkursion in den FUST‐Forschungsrevieren

Nach dieser Feststellung durch Dr. Moser war der damalige Betriebsleiter der Forstverwaltung Achenkirch (DI Schwab) bestrebt, die Situation zu verbessern. Er wollte für seine neue Waldverjüngungsstrategie, gemeinsam mit den Jagdpächtern (Emil und Christiane Underberg sowie Hans‐Joachim Lüngen der EJ. Pitz‐Dollmannsbach), grundlegende Änderungen durchführen. Die Familie Underberg hatte mit Genehmigung der ÖBf im Jahr 1970 ein wildbiologisches Forschungsprojekt mit dem Projektleiter Prof. Dr. A. B. Bubenik ins Leben gerufen. Seither wurden alle forstlichen Nutzungen und nachfolgenden Aufforstungsmaßnahmen ausführlich diskutiert und einschneidende Maßnahmen auch bei der Wildbewirtschaftung gesetzt. Es wurde der Begriff „Schwerpunktbejagung“ geboren (siehe z.B. Reimoser 1991, 1992, 2001, 2004, 2006). Bestimmte Revierteile, vor allem die neuen Nutzungs‐ und Verjüngungsflächen wurden in Karten markiert und an diesen Flächen eine intensive Bejagung vor allem des Gams‐ und Rehwildes angeordnet.

Die Fragestellungen für das Untersuchungsgebiet „Hühnersbach“ waren:

  • Kann durch Schwerpunktbejagung eine Mischwaldverjüngung erreicht werden?
  • Wie, wann und wie intensiv muss die Bejagung durchgeführt werden?
  • Wie lange muss sie dauern?

2. Untersuchungsgebiet

Es handelt sich um Nord‐, Süd‐ und Westhänge mit Übergängen. Die Seehöhe reicht von 800m (Rauchstubenalm) bis 1.470m (Halslkopf). Von den 952 ha sind ca. 500 ha Schutzwald im Ertrag. Die Gebiete Halslseite, Brettersberg, Hühnersbach und Rotwandersbach, die Revierteile des ÖBf‐Reviers Pitz/Dollmannsbach sind, wurden von 1976 bis 1979 durch Forstwege erschlossen. Nach Erschließung dieser Gebiete wurden forstliche Maßnahmen mit Kahlschlag‐Nutzungen durchgeführt. Bei allen Nutzungen kam der Seilkran zum Einsatz, was eine schonende Bringung des geschlägerten Holzes zur Folge hatte. Durch die Holzrückung entstandene Bodenverwundungen brachten Vorteile bei Aufforstung und zusätzlicher natürlicher Waldverjüngung (Anflug durch Baumsamen im Herbst).

Revierkarte: Abgrenzung des Untersuchungs- gebietes „Hühnersbach“ auf der Forstkarte (Altersklassenkarte)
Revierkarte: Abgrenzung des Untersuchungs-
gebietes „Hühnersbach“ auf der Forstkarte
(Altersklassenkarte)

Insgesamt wurden sieben Kahlschläge gemacht, die überwiegend mit Fichte aufgeforstet wurden. Die Pflanzenzahlen und Baumarten für die einzelnen Schlagflächen sind aus den Traktflächen ersichtlich. Das gesamte forstlich genutzte Gebiet hat ein Ausmaß von 592 ha. Das Grundgestein ist Mergel und Wettersteindolomit. Es ist überwiegend leicht verwitterbar und ergibt nährstoffreiche Waldböden mit ausreichendem Basenumlauf. Die Böden sind von guter Bonität. Sie neigen allerdings zur Vergrasung. Das Gelände ist vertikal stark gegliedert, schluchtartige Gräben und steile Hänge sind im Hühnersbachgebiet reichlich vertreten.

Das gesamte Gebiet ist aufgrund seiner Lage ein bevorzugter Winter‐Lebensraum für Gamswild. Es ist das Einzugs bzw. Einstandsgebiet der Gams vom Juifen, der Pitzalm mit Pitzkopf und auch die Gams vom Zottenjoch ziehen in diese mit Süd‐West‐Hängen ausgestattenen Lebensräume.

Die Waldbestände sind mit felsigen Kuppen durchsetzt, die im Winter vom Schnee frei geweht sind. Es gibt wenig Störung durch Tourengeher und Schneeschuhwanderer, nur die Talstraße ist von Wanderern stark frequentiert. Im Gebiet Halslseite und Hühnersbach kommen vor allem Gamswild und in geringer Dichte Reh‐ und Rotwild vor (v.a. im Sommer und Herbst).

Das Gebiet grenzt an den Freistaat Bayern und an die Genossenschaftsjagd Achenwald an. Grundeigentümer im gesamten Untersuchungsgebiet sind die österreichischen Bundesforste, geleitet vom ÖBf‐Forstbetrieb Oberinntal.

Anmerkung: Im Jahre 1970 wurde auf Initiative von Emil und Christiane Underberg in Abstimmung mit der ÖBf‐AG in Wien das Wildforschungsprojekt „Für die alpine Umwelt“ gegründet. In dieser Zeit wurde die Wildbewirtschaftung nach biologischen und ökologischen Erkenntnissen und Erfordernissen umgestellt, neue Wildklassen wurden im Projektgebiet von 1973‐75 erprobt und dann im Tiroler Jagdgesetz 1976 verankert.

3. Methode

3.1. Nutzung und Verjüngung des Waldes, „Vegetationserhebung als Erfolgskontrolle“

Die Nutzung wurde durch Kahlschläge durchgeführt. Nach einer Schlagruhe von drei Jahren wurde meist mit 3.500 Fichten/ha und teilweise mit 10% Lärche und 10% Tanne aufgeforstet bzw. ergänzt. Nach der Aufforstung wurden jeweils Vegetationskontrollstreifen, sogenannte „Trakte“ für die waldbauliche Erfolgskontrolle angelegt.

Nach der Aufforstung entwickelten sich Fichte und Lärche meist problemlos, die wenigen ausgebrachten Tannen (200 Stück/ha) standen unter starkem Verbissdruck vor allem durch Gamswild, welches durch diese Kahlschlagwirtschaft immer mehr auf solche Flächen zog und so zur Problemwildart wurde. An 4 Schlagflächen wurden Vegetationskontrollstreifen (Trakte) mit je 100 m2 angelegt (50m Länge und 2m Breite). Diese Trakte wurden jedes Jahr vom Forst‐ und Jagdpersonal gemeinsam aufgenommen, die vorhandenen Pflanzen ab einer Wuchshöhe von 10 cm nach verbissen oder unverbissen gezählt und die Zahlen in ein Formular eingetragen. Anschließend wurde jeder Trakt ausgewertet und die Verbisskennziffer berechnet (Forstliches Gutachten über die landeskulturelle Verträglichkeit von Schalenwildbeständen / Amt der Tiroler Landesregierung / Landesforstdirektion).

Das „Traktverfahren“ (Verbiss‐Kontrollstreifen) wurde im Forschungsgebiet Achenkirch in enger Zusammenarbeit mit der Forstlichen Bundesversuchsanstalt Wien entwickelt und auch vom Land Tirol für das landesweite Monitoring übernommen. Es hat sich als ein objektives Informationssystem erwiesen. Dabei wird die vorhandene ungeschädigte Verjüngung zahlenmäßig festgestellt (Ist‐Zustand) und einer landeskulturellen Mindestzielsetzung (Soll‐ Zustand, abhängig von Waldgesellschaft) gegenübergestellt. Aus der Gegenüberstellung Ist/Soll wird eine Verbisskennziffer ermittelt, ist diese kleiner als 1, dann ist die landeskulturelle Mindestzielsetzung nicht erreicht. Die Ergebnisse der Traktaufnahmen mehrerer Jahre gestatten die Überprüfung der „Verjüngungsdynamik“, d.h. das Weiterwachsen des Jungwaldes.

3.2. Bejagungsform

Vor der forstlichen Erschließung war dieses beschriebene Gebiet fast unberührt. Ohne Forstwege war eine Holzbringung nicht möglich, daher erfolgte keine forstliche Aktivität. Jagdliche verwendbare Steige: Am Ende der Talstraße im Hühnersbach mit Traktorweg führte anschließend ein alter Zugweg bis zum Roßköpfl unterhalb Rotwandalm, der auch von Touristen mit dem Ziel Juifen stark frequentiert wurde und wird. Weiters gab es einen Steig zur Rotwandersbachalm welcher ebenfalls bis zur Rotwandalm und zum Juifen führte. Diese beiden Steige wurden ganzjährig aber besonders im Herbst zur Hirsch und Gamsjagd auch von den Jägern benutzt, denn nach starken frühzeitigen Schneefällen kamen die Gams in die Wintereinstandsgebiete mit den Felseinhängen im hinteren Hühnersbachtal sowie zum Brettersbergkopf, der Südwest‐gerichtet lange in der Sonne steht.

Bis zur Erschließung 1976–1979 wurden Einzelabschüsse getätigt, überwiegend alte Stücke bei Gamsgeißen und Böcken. Durchgeführt wurde die Jagd hauptsächlich durch den Jagdschutz (vom Berufsjäger als Jagdschutzpersonal) und die Einzelabschüsse wurden durch Führung der Jagdgäste und der Jagdausübungsberechtigten getätigt. Dieses Gebiet wird bereits im Buch „Vom Achtzehnender zum Slatorog“ von Andrea Caminneci (J. Neumann‐ Neudamm, 1998) jagdlich gut beschrieben. So manche Hirsch‐ und Gamsjagd kommt darin vor. So ist es ohne große Veränderungen bis zur forstlichen Erschließung 1979 geblieben. Durch die anschließenden Nutzungen begannen die Probleme mit der Waldverjüngung und das Gamswild kam dadurch in Bedrängnis. Auch der Berufsjäger und der Jagdpächter standen 30 Jahre stark unter Druck, damit die forstlichen Vorgaben erreicht werden konnten. Die Verantwortlichkeit und jährliche Erfolgskontrolle wurde vom fachlichen Gremium des Lenkungsausschusses des FUST‐TIROL auf den jagdausübungsberechtigten Jagdpächter und zuständigen Berufsjäger übertragen und weiterhin einer jährlichen Überprüfung unterzogen.

4. Ergebnisse

4.1. Abschüsse

Von 1987 bis 2007 wurden auf diesen Verjüngungsflächen insgesamt 302 Gams abgeschossen, davon 183 Stück männlich, 119 Stück weiblich.

Tabelle 1: Abschusszahlen für Waldgams im Gebiet Halslseite und Hühnersbach von 1987 bis 2007, getrennt nach Geschlecht und Altersklassen.

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4.2 Vegetationsentwicklung

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Grafik und Bild zu Fläche 1: Obwohl auf dieser Nutzungsfläche nur 3.500 Fichten gepflanzt wurden, haben sich zusätzlich die Mischbaumarten Buche, Ahorn, Tanne und Lärche zufriedenstellend entwickelt.
Grafik und Bild zu Fläche 1: Obwohl auf dieser Nutzungsfläche nur 3.500 Fichten gepflanzt wurden, haben sich zusätzlich die Mischbaumarten Buche, Ahorn, Tanne und Lärche zufriedenstellend entwickelt.

 

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Grafik und zwei Bilder zu Fläche 2
Grafik und zwei Bilder zu Fläche 2

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Grafik und Bild zu Fläche 3: Das obere Bild zeigt den unteren Bereich des Kahlschlages (schattseitig), dort ist Fichte, Buche, Ahorn und Tanne vorhanden. Nachweis durch einen Trakt von P. Schwab. Das untere Bild zeigt den eingezeichneten Trakt in sehr exponierter Stelle, im obersten Bereich des Kahlschlages mit dem Ergebnis von Fläche 3.
Grafik und Bild zu Fläche 3: Das obere Bild zeigt den unteren Bereich des Kahlschlages (schattseitig), dort ist Fichte, Buche, Ahorn und Tanne vorhanden. Nachweis durch einen Trakt von P. Schwab. Das untere Bild zeigt den eingezeichneten Trakt in sehr exponierter Stelle, im obersten Bereich des Kahlschlages mit dem Ergebnis von Fläche 3.

 

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Bild zu Fläche 4: Diese Fläche hat sich nach der Räumung sehr rasch durch natürlichen Anflug verändert. Alle gewünschten Baumarten sind in ausreichender Anzahl vorhanden.
Bild zu Fläche 4: Diese Fläche hat sich nach der Räumung sehr rasch durch natürlichen Anflug verändert. Alle gewünschten Baumarten sind in ausreichender Anzahl vorhanden.

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Bild zu Fläche 5: Dieser Trakt weist ebenfalls alle Mischbaumarten auf, die für die Forstwirtschaft wertvoll und im Endbestand genutzt werden.
Bild zu Fläche 5: Dieser Trakt weist ebenfalls alle Mischbaumarten auf, die für die Forstwirtschaft wertvoll und im Endbestand genutzt werden.

Bei der letzten Aufnahme waren bei allen Trakten alle Mischwaldbäume dem Äser entwachsen (>1,5m). Schlagschäden sind aber weiterhin möglich.


 

Übersichtstabelle über die 5 Verbiss‐Kontrollstreifen (Trakte) für jeweils drei bzw. zwei Erhebungsjahre. Höhenstufen der Baumentwicklung von 0,3 bis über 3 Meter.
u = unverbissen, v = Verbiss am Wipfeltrieb

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5. Resümee

Um den derzeitigen Verjüngungszustand zu erreichen, war es nach Nutzung der vorgeschriebenen Flächen laut forstlichem Operat notwendig, eine jagdliche Infrastruktur zu errichten um die Jagd überhaupt zielführend ausüben zu können. So mussten Steige, Hochsitze und Bodensitze errichtet werden, alles auf Kosten des Jagdpächters, was eine hohe finanzielle Belastung bedeutete (im felsigen Gelände war der Stundenaufwand vor allem beim Errichten von Steigen sehr hoch). Insgesamt wurden für dieses forstliche Verjüngungsziel 5 km an Steigen gegraben, die nach jährlicher Pflege auch derzeit und in Zukunft jagdlich genutzt werden können.

Durch die jährliche Überprüfung der Trakte (Vegetationskontrollstreifen) durch Forstpersonal und Berufsjäger bekam der Jagdpächter immer wieder den Spiegel vorgehalten, ob es eine positive oder negative Entwicklung bei der Baumartenzusammensetzung und dem Zustand der Verjüngung gibt.

Es war notwendig eine Vorverlegung des Schusszeitbeginns für Gamswild im Frühjahr bei der Behörde zu erwirken, denn die Gams standen beim Austreiben der Pflanzen immer wieder auf den Schlagflächen und der Frühjahrs‐ und Sommerverbiss konnten nicht toleriert werden. Nach der Vorverlegung wurde in den Monaten Juni und Juli nur die III‐er Klasse (Jungwild) bejagt, damit (vorübergehend) ein Vertreibungseffekt aus den Verjüngungsflächen entsteht. Die Gams kamen immer wieder auf die kräuterreichen Schlagflächen zurück und zogen nicht mehr in die höheren Lagen. Vielmehr trat der Umkehreffekt auf, das Gams von den Almgebieten in diese Schlagfläche wechselten, dort Geißen ihre Kitze setzten und somit von Alm‐ und Gratgams zur „Waldgams“ wurden. Nach ersichtlichen und nachweisbaren stärkeren Eingriffen hatte man oftmals den Eindruck eine starke Verdünnung geschafft zu haben, aber nach zwei, drei Wochen waren wieder gleich viele Gams auf diesen Flächen anzutreffen, was wiederum einen neuen starken Eingriff verlangte.

Neben den starken Abschüssen waren auch noch andere Maßnahmen notwendig um die Verbisssituation laufend zu verbessern. Es wurde versucht durch Ausbringung von ungewaschener Schafwolle am Leittrieb der forstlichen Pflanzen den Sommerverbiss zu verhindern was auch gelungen ist. Es hat sich aber herausgestellt, dass die Schafwolle, wenn sie zu fest am Leittrieb angebracht wurde, eingewachsen ist und somit dem Stamm die Saftzufuhr unterband und die Pflanze im oberen Bereich vertrocknete. Später zeigte sich auch noch an manchen Stämmen, das diese an jener Stelle abgebrochen sind wo die Schafwolle angebracht und eingewachsen war (vor allem in Gebieten mit starkem Schneedruck). Im Herbst wurden die Leittriebe (außer Fichte) mit dem Verbissschutzmittel Cervacol gegen den Winterverbiss gestrichen. Im Jahr 2000 wurde zum Spritzen mit dem Mittel TRICO übergegangen. Mit diesem Mittel konnten vor allem bei der Tanne sehr positive Ergebnisse erzielt werden. Durch das leichte Aufsprühen auf die Pflanze gibt es dabei keine Probleme beim Austreiben im Frühjahr.

Der Jagdpächter und Verantwortliche für das angepachtete Jagdrevier hatte keinen Einfluss auf die Forstwirtschaft, er musste sich mit der Bewirtschaftung wie sie vom Grundeigentümer durchgeführt wurde, abfinden. Der Jagdpächter hatte den Auftrag vom Verpächter, dass er die vorgegebenen ökologischen Bewirtschaftungsanforderungen erfüllt. Die Schalenwilddichte musste immer wieder den Erfordernissen der Forstwirtschaft angepasst werden, in sensiblen Gebieten wie im Bereich Halslseite und Hühnersbach bedeutete dies in den letzten 30 Jahren einen bitteren Aderlass beim Gamsbestand für den Jagdpächter. Eine Bejagung mit Rücksicht auf die Altersstruktur war jahrelang, vor allem die ersten 10 Jahre, nicht mehr möglich!

Die forstlich Verantwortlichen hatten in den drei Jahrzenten erfreulicherweise dazugelernt und sind von der Kahlschlagwirtschaft abgerückt, was die Wildschadenanfälligkeit des Waldes deutlich reduzierte, die Jagdausübung aber nicht erleichtert, denn im zwar offenen Altholz ist die Abschussdurchführung schwieriger wie auf freien Flächen eines Kahlschlages.

Um ein Einvernehmen mit dem Grundbesitzer für forstliche Planungen zu erreichen, ist es daher nach wie vor notwendig, eine ehrliche Gesprächsbasis aufzubauen und zu erhalten, um gemeinsam die vorgegeben Ziele zu erreichen und eine Fehlentwicklung mit gravierenden Einschnitten für Jagd und Forst zu verhindern. Im oftmaligen Gespräch und bei gemeinsamen Begehungen im Revier sollten jagdliche und forstliche Planungen vorgelegt und von beiden Partnern ohne Zeitdruck ausdiskutiert werden.

Der vom FUST‐ TIROL eingeschlagene Weg war mühsam aber erfolgreich, denn alle ehemaligen Kahlschläge des Untersuchungsgebietes sind heute als Mischwald zugewachsen, mit einer Baumartenmischung, die Wild, Förster, Berufsjäger und Jagdpächter erfreut. Wie die heutigen Bilder zeigen haben sich die Anstrengungen gelohnt, denn nach 20 Jahren gab und gibt es Mischwalddickungen, welche alle dem Äser entwachsen sind und bereits der ersten Dickungspflege unterzogen wurden. Um das zu erreichen waren und sind viele Jahre notwendig, denn nach dem Herauswachsen einzelner Flächen kamen immer wieder neue Schlagflächen dazu, denn ein Forstbetrieb unterliegt durch neue Nutzungen jährlichen Veränderungen. Grundlegend muss gesagt werden, dass etwa 20 Jahre notwendig sind, um unter ähnlichen Bedingungen solche Schlagflächen mit Baumarten von Fichte, Buche, Ahorn, Lärche und Tanne gesichert wiederzubegründen.

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Auch weiterhin braucht es im Untersuchungsgebiet eine konsequente Bejagung des Schalenwildes, denn es soll auch im angrenzenden Altholzbestand, der nun genutzt wird, unter dem aufgelockerten Schirm des Altbestandes ein neuer Mischbestand heranwachsen. Wenn diese Flächen in der regulären Schusszeit intensiv bejagt werden (v. a. Gams und Rehwild, denn diese beiden Wildarten sind für die Entmischung und den Verbiss hauptsächlich verantwortlich), besteht hier keine Notwendigkeit einer Bejagung in der Schonzeit von Jänner bis Mai.

6. Literatur

Reimoser, F., 1991: Schwerpunktbejagung und Intervallbejagung ‐ Jagdstrategien zur Erhaltung von Wild und Wald. Österreichs Weidwerk (12): 35‐38.

Reimoser, F., 1992: Die Alternativen: Intervalljagd oder Schwerpunktabschuß. Deutsche Jagd‐Zeitung 12(1): 16‐19.

Reimoser, F., 2001: Waldbau, Wildökologie und Jagdstrategien. In: Deutscher Forstverein e.V. (Hrsg.) Ein Wald für alle Fälle. Kongressbericht, Dresden, S. 424‐430

Reimoser, F., 2001: Problem Waldgams. Österreichs Weidwerk (3): 10‐13. Jagd in Tirol 53(9): 4‐7.

Reimoser F., 2004: Formen und Methoden der Jagd, Intervall‐ und Schwerpunktjagd. In: Nationalparkakademie Hohe Tauern, Matrei in Osttirol (Hrsg.), Jagdstrategien im Vergleich – vergessene Jagden im Vormarsch. S. 28‐44.

Reimoser, F., Reimoser, S., Klansek, E., 2006: Wild‐Lebensräume – Habitatqualität, Wildschadenanfälligkeit, Bejagbarkeit. Verlag Zentralstelle Österreichischer Landesjagdverbände, Wien (ISBN 3‐9501873‐1‐6), 136 S.; www.ljv.at, E‐Mail: presse@ljv.at