FUST-Tirol    Positionen

Zukunftsfähige Almwirtschaft, Almdüngung


Anlass für die vorliegende FUST-Position waren die Ergebnisse einer Fachtagung zum Thema "Die Auswirkung der unterschiedlichen Düngungsweisen auf Almen" am 15. Juni 2012 in Pertisau (Tirol), veranstaltet vom FUST-Tirol, dem Alpenpark Karwendel sowie der Österreichischen Bundesforste AG.

Ausgangslage

Nicht fachgerecht ausgebrachte Gülle. Dies ist leider kein Einzelfall.
Nicht fachgerecht ausgebrachte Gülle. Leider kein Einzelfall.

Die Freigabe der Milchkontingente auf den Almen Ende der 70er Jahre und eine entsprechende Förderpolitik führten zu einer Expansion der intensiven Milchproduktion von den Tallagen auch in die Almregionen. Einhergehend mit der Intensivierung folgte auf den Almen die Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur, wie z.B. Aufschließung der Almen, Adaption der Baulichkeiten und Umstellung der Düngungsweise hin zur intensiven Güllung. Die ertragsoptimierte Almwirtschaft verursachte häufig eine Entwicklung hin zu artenarmen Fettwiesen auf jenen Almteilflächen, die maschinell gedüngt werden konnten. Öffentliche Interessen wie Naturschutz und Schutz vor Naturgefahren sowie Interessen von Jagd oder Forst blieben dabei oft unberücksichtigt. Die folgenden Ausführungen sollen Lösungsansätze für eine nachhaltige Almwirtschaft, die besser im Einklang mit der Natur und anderen Landnutzern steht, bieten (Kreislaufwirtschaft).

Grundsätze für die Zukunft

  • Verstärkte Rücksichtnahme auf ein über Jahrhunderte entstandenes Mosaik von unterschiedlichen Lebensräumen in den Almgebieten. Das Zusammenspiel von intensiven bis hin zu sehr extensiv genutzten Flächen bildet die Grundlage der hohen Biodiversität auf den Almen. Auch kleine Sonderstandorte wie Feuchtgebiete, Fließgewässer, Magerrasen und auch Landschaftselemente wie Trockenmauern sollen wieder Berücksichtigung finden. Der Erhaltung bzw. Wiederbewirtschaftung von aufgelassenen Bergmähdern kommt eine wichtige Bedeutung zu. Dafür gilt es entsprechende Anreize zu schaffen.
  • Verstärkte Förderung einer wieder mehr nachhaltigen und kostensparenden Bewirtschaftung am Heimhof, z.B. durch leichtere, ursprüngliche und genügsamere Rinderrassen. Die Vermeidung von exzessiven Trittschäden und dadurch bedingten Erosionen wäre möglich.
  • Ein Abweiden aller Bereiche, auch von Randbereichen von Almflächen, könnte durch eine Weidefolge von Rind – Pferd - und Kleintieren erzielt werden (jedoch unter Berücksichtigung der Walderhaltung im Rahmen der Waldweide). Verlorengegangene Weideflächen im Randbereich bestehender Almen sollten durch Schwenden wiederhergestellt werden. Übergangsbereiche zum Wald sind, wenn nötig, zu schaffen. Vorab Absprache solcher Schwendmaßnahmen (*1) zwischen Grundeigentümern und den anderen regional zuständigen Landnutzern (Naturschutz).
  • Systeme, denen ständig zusätzliche Stoffe, über den natürlichen Kreislauf hinaus, zugeführt werden, sind nicht nachhaltig. Aus diesem Grund muss der Gedanke der Kreislaufwirtschaft im Zentrum der alpinen Landwirtschaft stehen (siehe Karl Buchgraber "Kreislaufbezogene Nährstoffversorgung von Almweiden und Wildäsungsflächen" *2). Düngung und Weidewirtschaft sollten darauf abzielen, mit dem natürlichen Nahrungsangebot auf der Alm die Nutztiere hinreichend zu versorgen. Ausgleichsfütterungen gemäß ÖPUL Richtlinien sind auf das allernotwendigste zu beschränken (Zufütterung von Silage, Kraftfutter und angekauftem Heu). Futter für Notzeiten sollte vermehrt wieder auf Almangern vor Ort geworben werden. Ebenso sind intensive Düngeformen (z.B. mit Gülle vom Heimhof) möglichst einzuschränken. Die Gefahr einer verstärkten Verbreitung von Krankheiten (z.B. Paratuberkulose, Leberegel) durch die Ausbringung der Gülle mit Hochdruckfässern, darf nicht unterschätzt werden. Eine Verunreinigung von Quellgebieten durch übermäßigen Düngereinsatz muss ebenso vermieden werden. Dieser Forderung kann durch eine zeitlich, örtlich und mengenmäßig angepasste Düngung am besten entsprochen werden.

Maßnahmen-Vorschläge (Beispiele)

  • Adaptierung des Fördersystems als Anreiz für den Landwirt, angepasste Rinderrassen zu halten und mit den am Heimhof produzierten Futtermitteln auszukommen.
  • Beim Nutzen der Almflächen im Rahmen der Kreislaufwirtschaft gilt es die Interessen des Naturschutzes, der Jagd, des Forstes und anderer Naturnutzer zu berücksichtigen. Bewirtschaftungs- und Naturschutzpläne auf den Almen haben sich als ein taugliches Mittel zur Erreichung der geforderten Ziele erwiesen. Die Förderung der Tag- und Nachtweide kann einem hohen Düngeranfall entgegenwirken.
  • Bewusstseinsbildungen der Landwirte durch eine entsprechende Ausbildung an Landwirtschaftsschulen oder über Fortbildungsinstitute sind unbedingt notwendig.
  • Schaffung eines Anreizsystems für die Anstellung von qualifiziertem, geschultem Almpersonal.
  • Der wirtschaftliche Ertrag könnte über Vermarktung regionaler Produkte (z.B. Bio vom Berg, Zillertaler Heumilch, Käse von der Engalpe) erhöht werden.
  • Almprämierungen sind ein gutes Instrument um einen Anreiz für gute Arbeit auf der Alm zu schaffen.

Weiserpflanzen – wie diese Knabenkrautart – zeigen, dass keine Überdüngung vorliegt.

Weiserpflanzen – wie diese Knabenkrautart – zeigen, dass keine Überdüngung vorliegt.

Fazit

Nachhaltige Beweidung im alpinen Bergland kann Vorteile für unterschiedliche Interessengruppen bringen und zu einer hohen Biodiversität beitragen. Bei der landwirtschaftlichen Nutzung und Gestaltung von Almflächen sollten die bestehenden Potenziale einer optimalen Abstimmung mit Naturschutz, Jagd, Freizeitaktivitäten und forstlichen Erfordernissen stärker berücksichtigt und gefördert werden. Ein ganzheitlicher, integraler Planungsansatz zum Vorteil aller beteiligten Landnutzer erfordert entsprechend ausgebildete Personen und verstärkte Kooperation. Der Alpenpark Karwendel, die ÖBf AG und FUST-Tirol e V. unterstützen die Entwicklung einer integrativen, zukunftsfähigen Almwirtschaft.

*1 siehe hierzu: www.wikipedia.de/Schwendbau
*2 Beitrag von Karl Buchgraber unter www.fust.at abrufbar


Für die Arbeitsgruppe:

• Dr. Michl EBNER und WM Pepi STOCK (FUST)
• DI Roman BURGSTALLER und Dr. Friedrich VÖLK (ÖBf-AG)
• Mag. Hermann SONNTAG (Alpenpark Karwendel),
• Univ. Prof. Dr. Friedrich REIMOSER (Vetmeduni Wien).

Fotos: FUST-Tirol

Zitierweise:
FUST-Tirol (2014): Zukunftsfähige Almwirtschaft, Almdüngung. – FUST-Position 10; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 4 Seiten.

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Winterfütterung von Rot- und Rehwild


Eine Wildtierfütterung ist nur dann fachlich vertretbar, wenn sie positive Folgewirkungen ausweist, die den Anforderungen der Nachhaltigkeit entsprechen.Pro und Kontra der Wildtierfütterung werden in Europa nicht nur in Jägerkreisen diskutiert. Auch von Biologen und Jagdkritikern wird der Sinn der Fütterung einiger weniger Wildtierarten immer öfter in Frage gestellt. Plausible Begründungen werden verlangt: Bei welchen Wildarten und wo ist eine winterliche Fütterung vertretbar? Wann zweckmäßig oder gar erforderlich? Die Antwort ist in erster Linie von den regionalen naturräumlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie von den jeweiligen Motiven und Zielen der lokalen Grundbesitzer und Jäger abhängig. Grundsätzlich gilt bei fachgerechter Durchführung: Fütterung reduziert die Sterblichkeit in der Wildpopulation, erhöht deren Zuwachs und beeinflusst die Raumnutzung des Wildes.

Pflanzenfresser sind von Natur aus auf natürliche Nahrungs-Engpässe („Notzeiten“) eingestellt - nicht nur das im Regelfall ungefütterte Gamswild. Dennoch gibt es im Rahmen einiger jagdgesetzlicher Fütterungs-Bestimmungen als Begründung den missverständlichen Begriff „Notzeit“. Aus dem Blickwinkel des Tierschutzes sind allenfalls menschlich verschärfte Nahrungs-Engpässe ins Treffen zu führen, die man durch Fütterung auszugleichen versucht. Aus dem Blickwinkel des „Waldschutzes“ hingegen ist eine Wildfütterung und damit eine Lenkung dieser problematischen Wildtierarten weg von schadenssensiblen Standorten aus ökologischen Gründen bedeutsam.

Zur Überwinterung von Reh- und Rotwild (Fütterung bzw. Nicht-Fütterung) bestehen in Mitteleuropa sehr unterschiedliche gesetzliche Vorgaben. Auch in Österreich gewähren die Landesjagdgesetze erheblichen Spielraum, sodass Ausmaß und Intensität der Fütterung verschieden sein können. Dieser gesetzliche Freiraum erlaubt eine Wildbewirtschaftung auf unterschiedlichem „Nachhaltigkeits-Niveau“ und eine flexible Anpassung der Hege an unterschiedliche Zielsetzungen und an sich ändernde Rahmenbedingungen.

Eine generelle Fütterungsverpflichtung oder ein generelles Fütterungsverbot allerdings sind unflexibel und würden im Grundeigentümer-Reviersystem mitteleuropäischer Prägung auch das Eigentumsrecht erheblich einschränken, weil hier die Jagd Teil der Land- und Forstwirtschaft ist und traditionell als Jagdwirtschaft betrieben wird. Somit besteht ein erheblicher Unterschied zu einer lediglich „aneignenden Nutzungsform“ weitgehend ohne Fütterung, wie sie in anderen Jagdsystemen zur Tradition geworden ist (z.B. in der Schweiz im Kanton Graubünden).

Grundsatzfragen zur Winterfütterung

Aus der Skepsis gegenüber menschlichen Eingriffen in unsere Wildtierpopulationen wird aus jagdkritischer Sicht immer häufiger die Frage gestellt: Ist es wünschenswert, dass wild lebende Tiere vom Menschen durch Fütterung abhängig gemacht werden, wenn die Art auch ohne Fütterung überleben kann? Umgekehrt ist kritisch zu hinterfragen: Wo kann und will der Mensch in der Zivilisationslandschaft Mitteleuropas mit ungelenktem Wild leben und auf die Fütterung als Lenkungsinstrument verzichten? Denn die Wildtiere leben in unserer Kulturlandschaft ohnehin in voller Abhängigkeit von der menschlichen Landnutzung. So hat z.B. Rodung zu einer verringerten Bewaldung geführt und wurde im Wald vielerorts das Angebot an Straucharten und Pioniergehölzen verringert, wodurch sich die Pflanzenfresser auf forstlich bedeutsamere Baumarten verlagert haben. Auch die Motivation und Begründung für die Winterfütterung hat sich im Laufe der letzten etwa drei Jahrhunderte in Mitteleuropa stark gewandelt. Die Meinungen pro und contra Fütterung können je nach Blickwinkel höchst unterschiedlich ausfallen, weil in Abhängigkeit von den Interessen, Einstellungen und Ideologien sowie vom jeweiligen Betrachtungszeitraum unterschiedliche Aspekte wichtig erscheinen und in den Vordergrund gerückt werden.

Zu den oben genannten Fragen müssen situationsgerechte und ehrliche Antworten gefunden werden, die glaubwürdig zu vertreten sind. Fällt die Entscheidung zugunsten der Fütterung, muss diese fachkundig durchgeführt werden, denn Füttern mit mangelhaftem Fachwissen ist fahrlässig: Fütterungsfehler verursachen erhebliche Leiden für das Wild und Schäden am Lebensraum. Und es besteht auch die Gefahr, gegen rechtliche Vorgaben im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit zu verstoßen. Deshalb muss gelten: Statt uninformiert und damit womöglich fehlerhaft oder halbherzig zu füttern, ist es besser, gar nicht zu füttern.

Bei einer Entscheidung für die Fütterung ist sicherzustellen, dass die in der Folge höheren Abschuss-Erfordernisse tatsächlich bewältigt werden können. Ansonsten hat die Futtervorlage eine Zunahme der Wilddichte zur Folge und steigert dadurch die Wildschadensgefahr.

Bei einer Entscheidung gegen die Fütterung sind in der Kulturlandschaft die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die dem Wild eine ungestörte Überwinterung in geeigneten Lebensräumen ermöglichen, in denen das natürliche Nahrungsangebot bei tragbaren Schäden genutzt werden kann und wo auch die menschliche Rücksichtnahme und Schadenstoleranz langfristig sicher gestellt sind.

Kleine Fehler – große Wirkungen

Die Empfindlichkeit des Verdauungssystems von Wildwiederkäuern, ebenso die erhöhte Anfälligkeit vieler Wälder für Schäl- oder Verbissschäden sowie die verringerte Toleranz gegenüber Verbiss und Schälung auf Grund der hohen Anforderungen der Öffentlichkeit und der Eigentümer an den Wald stellen in unserer Kulturlandschaft enorm hohe Anforderungen auch an eine Hege mittels Fütterung. Wenn Fütterungsfehler nicht vermieden werden, wird die Wirkung der Wildfütterung sehr rasch kontraproduktiv und man löst damit Wildschäden aus. Auch die Gefahr der Ausbreitung von Wildkrankheiten steigt durch die fütterungsbedingt stärkeren Wildkonzentrationen. Die generell hohe Fehleranfälligkeit der Winterfütterung kann zu einem starken Argument gegen das Füttern werden, vor allem in empfindlichen Lebensräumen (karge Standorte mit wenig Waldverjüngung) und bei stärkeren Wildkonzentrationen (z.B. Rotwildrudel mit deutlich mehr als 50 Stück).

Fachkenntnisse, die für eine artgerechte und ökologisch vertretbare Wildtierfütterung unbedingt erforderlich sind (Themenbereiche):

  1. Verdauungsvorgänge beim Wildwiederkäuer (incl. fütterungsbedingte Verdauungsstörungen und Erkrankungen);
  2. Nahrungswahl, saisonaler Nahrungsbedarf, saisonale Raumnutzung des Wildes;
  3. Wechselwirkungen zwischen Wildwiederkäuer und Lebensraum (v.a. im Hinblick auf die regionalen Wildschadens-Risiken und auf die Konkurrenz zu anderen Tierarten);
  4. Eignung und Qualität von Futtermitteln (incl. Grundlagen der Futtermittelproduktion, der Futtermittelhygiene und der Vorlagetechnik);
  5. Gesetzliche Rahmenbedingungen für die Wildfütterung (vom Hegerecht und dessen Grenzen über die wildökologische Raumplanung bis hin zur Lebensmittelsicherheit beim Wildbret).

Wo füttern?

Vordergründig wird oft davon ausgegangen, dass eine Fütterung des Wildes vor allem in schneereichen Bergregionen zu rechtfertigen oder zu fordern sei, und dass sie in klimatisch günstigen Tieflagen am ehesten entbehrlich sei. Sofern allerdings die Wildschadens-Reduktion im Vordergrund steht, kann es in der Kulturlandschaft aber auch umgekehrt sein. In den klimatisch milderen Lebensräumen wurden Wälder großteils für die Landwirtschaft gerodet. Damit wurde die Differenz zwischen sommerlichem und winterlichem Nahrungsangebot stark erhöht. Während der Vegetationszeit gibt es auf Äckern und Wiesen für die Tiere einen unnatürlich reich gedeckten Tisch – das erlaubt hohe Zuwachsraten. Nach der Ernte und im Winter entzieht der Mensch den Pflanzenfressern hingegen diese Äsungsfülle und provoziert damit „künstliche“ Nahrungsengpässe und Raumnutzungsänderungen der Tiere. Dadurch kommt es in den Waldinseln solcher Landschaften zu einem starken saisonalen Anstieg der Wilddichte. Dies trifft insbesondere auf das Rehwild zu. Unter solchen Rahmenbedingungen lässt sich z.B. mittels Fütterung des Rehwildes außerhalb dieser Waldinseln eine erhebliche Verbiss-Entlastung erzielen, wenn gleichzeitig für entsprechende Deckungsmöglichkeiten abseits des Waldes gesorgt wird, z.B. mit gemischter Winterbegrünung, die auf Äckern sowohl Äsung als auch Deckung bietet.

Schneereiche Gebirgs-Standorte hingegen würden von den meisten Rehen von Natur aus im Winter verlassen werden. Erst im Frühjahr nach dem Austreiben der Bodenvegetation, wenn die Verbissgefahr an jungen Bäumen hier wieder wesentlich geringer wird, kommen die Tiere zurück. An solchen Gebirgsstandorten, vor allem wenn es sich um karge Standorte mit sehr langsamer Waldverjüngung handelt, sollte auf eine Winterfütterung aus Waldschutz-Gründen besser verzichtet werden. Wenn das Wild durch Winterfütterung in solchen Lagen gehalten wird, entsteht während der Übergangszeiten im Spätherbst und insbesondere im Spätwinter und Frühjahr durch die Anwesenheit der Tiere eine stark erhöhte Verbissgefahr für die Waldverjüngung, weil zu dieser Zeit andere Äsung kaum verfügbar ist. Wenn das Wild durch Futtervorlage an solchen Standorten „künstlich angebunden“ wird, steht es außerdem den Winter über in massiver Abhängigkeit vom Menschen. Selbst kurzfristige Unterbrechungen der Futtervorlage können unter solchen Rahmenbedingungen für die Tiere sehr nachteilig werden. Wesentlich günstiger wäre es, für das Wild geeignete und ungestörte Überwinterungs-Lebensräume zu erhalten oder wiederherzustellen (auch in tieferen Lagen), jahreszeitliche Wanderungen der Tiere wieder stärker zu ermöglichen und somit von der „technischen Krücke“ der Winterfütterung weniger abhängig zu werden.

Chance oder Risiko für den Lebensraum?

Verbeißen und Schälen ist für Pflanzenfresser nichts Unnatürliches. Die plausibel erscheinende Theorie einer erfolgreichen Winterfütterung lautet: „Was an der Fütterung an Nahrung aufgenommen wird, wird nicht gleichzeitig im Lebensraum weggeäst – deshalb leistet jede Fütterung einen gewissen Beitrag zur Wildschadensvermeidung.“ Diese Einschätzung wird allerdings nur unter folgenden fünf Voraussetzungen in der Praxis zutreffen:

  1. wenn der Fütterungsstandort und die Wintereinstände abseits von verbiss- oder schälgefährdeten Flächen liegen und wenn beim Rotwild eine revierübergreifende Abstimmung stattfindet. Ansonsten können durch das Zuziehen von Wild sogar erhöhte Wildschäden ausgelöst werden,
  2. wenn bei der Futtermittelwahl keinerlei Fehler gemacht werden;
  3. wenn alle zuziehenden Stücke jederzeit ausreichend Futter aufnehmen können (verfügbare Flächengröße, geeignete Vorlagetechnik, keine Unterbrechungen der Versorgung während der gesamten Fütterungsperiode);
  4. wenn es keine Störungen am Futterplatz, im Fütterungseinstand und im Bereich der Wechsel dazwischen gibt (auch keine jagdlichen!) – kein „Warteraum-Effekt“;
  5. wenn durch ausreichenden Abschuss ein entsprechender jagdlicher Ausgleich für verringerte Fallwildzahlen und für erhöhten Zuwachs jagdtechnisch möglich ist und in vollem Umfang erfolgt.

Es ist eine große Herausforderung die Einhaltung aller fünf genannten Voraussetzungen dauerhaft zu gewährleisten. Da selbst kleine Fehler im Bereich von größeren Wildansammlungen erhebliche Wildschäden provozieren können, reichen einige wenige „unvorhersehbare Vorfälle” oder Missgeschicke aus, um den Erfolg bezüglich Wildschadensvermeidung in kurzer Zeit zunichte zu machen. Das gilt vor allem im Bereich von Rotwild-Wintereinständen mit schälgefährdeten Waldbeständen (die über mehrere Jahrzehnte schälanfällig sind), ebenso für langsam wüchsige, karge Waldstandorte, auf denen schon eine geringe Verbissintensität sehr schädliche Auswirkungen auf die Waldverjüngung haben kann.

Größere Wildansammlungen über mehrere Monate hinweg sind auch in der Naturlandschaft nichts Ungewöhnliches. Je enger in der Kulturlandschaft allerdings die Verflechtung von Fütterungseinständen mit Nutztierweiden und –futterwiesen ist, desto größer ist auch die Gefahr der wechselseitigen Übertragung von Krankheiten oder Parasiten. Und angesichts des Klimawandels, oder z.B. bei Futtermittelankauf aus anderen Ländern, ist zusätzlich mit neuen Krankheitsrisiken zu rechnen.

Fazit

Die Berücksichtigung der genannten wildbiologischen, waldbaulichen, veterinärmedizinischen und jagdlichen Anforderungen ist für eine fachlich vertretbare Winterfütterung von Rot- und Rehwild unverzichtbar. Eine Wildtierfütterung ist nur dann fachlich vertretbar, wenn sie positive Folgewirkungen ausweist, die in den Indikatoren für nachhaltige Jagd erkennbar sind (Forstner et al. 2006, Österr. Agrarverlag, ISBN 10: 3-7040-2202-0 bzw. http://www.biodiv.at/chm/jagd). Dabei kommt es gleichermaßen auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit, den ökologischen, den ökonomischen und den sozio-kulturellen Bereich an. Eine Fütterungspraxis ist somit dann zukunftsfähig, wenn sie sich am Prüfstand einer kritischen Nachhaltigkeitsbetrachtung bewährt, die naturräumliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte ausgewogen berücksichtigt.


Für den FUST-Tirol:

  • Dr. Michl EBNER, FUST-Vorsitzender;
  • Dr. Friedrich VÖLK, Österreichische Bundesforste AG, Geschäftsfeld Jagd sowie FUST-Lenkungsausschuss

Univ. Prof. Dr. Friedrich REIMOSER, Forschungsinstitut für Wildtierkunde & Ökologie, Vet. Med. Univ. Wien; Projektkoordinator.

Fotos: FUST-Tirol

Zitierweise:

FUST-Tirol (2010): Winterfütterung von Rot- und Rehwild. – FUST-Position 8; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 6 Seiten.

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FUST-Tirol    Positionen

„Jagdgatter” und Aussetzen von Wildtieren zum Abschuss


 Jagdgatter haben in Europa eine Geschichte von mehreren Jahrhunderten. Sie sind eingefriedete Areale (bis mehrere 1000 ha), in denen Wildarten, vor allem Schalenwildarten, in meist höherer Dichte gehalten werden, um Abschüsse zu erleichtern. Meist ist heute damit die Absicht höherer Einnahmen verbunden.
Speziell entwickelte Zucht-, Fütterungs-, Transport- und Vermarktungstechniken ermöglichen nun Manipulationen des Wildes, die den Prinzipien einer zeitgemäßen, nachhaltigen Jagd und den ethischen Grundsätzen großer Teile der Gesellschaft widersprechen. Durch mangelnde Unterscheidung zwischen nachhaltiger Jagd und anderen als „Jagd“ bezeichneten Aktivitäten wird „Die Jagd“ immer stärker ins Zwielicht gerückt. Zur klaren Unterscheidung und Abgrenzung sind zwei Prinzipien der Jagd-Nachhaltigkeit*) hilfreich:

  1. Die Jagd orientiert sich an der Bejagung von in der freien Wildbahn selbst reproduzierenden Wildtieren und
  2. die natürliche genetische Vielfalt der Wildarten wird durch eine entsprechende Jagdausübung erhalten und gefördert.

Aus diesen beiden Zielen ergeben sich folgende Konsequenzen:

1. Die Jagd orientiert sich an der Bejagung von in der freien Wildbahn reproduzierenden Wildtieren

Demgemäß gelten Abschüsse von Wildtieren in Gattern mit intensiven landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen grundsätzlich nicht als Jagd (unabhängig von der örtlichen Rechtslage). Sie scheiden somit aus der Nachhaltigkeitsbeurteilung von vornherein aus. Große Jagdgatter mit extensiven Produktionsbedingungen könnten sich hingegen ebenso wie Jagd außerhalb von Gattern der jagdlichen Nachhaltigkeitsbeurteilung unterziehen*). Im Interesse der gesellschaftlichen Akzeptanz und nachhaltigen Entwicklung der Jagd wird jedoch empfohlen, eine klare Abgrenzung zwischen Wildabschüssen in „freier Wildbahn“ („Jagdabschüsse“) und Abschüssen in Gattern („Gatterabschüsse“) zu ziehen, also zwei separate Tätigkeitsbereiche zu unterscheiden. „Gatterabschuss“ wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn Zäune, Mauern oder andere künstliche Sperren bestehen, die den genetischen Austausch von Wild mit benachbarten Tieren der gleichen Art ganzjährig unterbinden (dauernde Wildeinschlüsse).

Unter dem oben genannten Nachhaltigkeitsprinzip ist weiters angeführt: „Es werden keine aus Zucht und Gatterhaltung stammenden Wildtiere bejagt“. Dadurch sollen folgende Gepflogenheiten eingeschränkt werden: In manchen Jagdgebieten werden Wildtiere aus (Zucht)Gattern oder Volieren vor der Abhaltung von „Jagden“ in freier Wildbahn ausgelassen, um bereits im gleichen Jahr höhere Jagdstrecken zu erzielen. Dies gilt besonders für Fasane (so genannte „Kistlfasane“), Stockenten, Wildschweine und in manchen westeuropäischen Ländern für Rothühner. Aber auch auf Geweihträger wie den Rothirsch trifft dies zu. Teilweise werden solche Tiere vor Beginn der „Jagd“ in die Nähe von Schützenständen gebracht, um sie knapp vor oder während der Abschussaktion freizulassen. Auch „Vorbestellungen“ der Strecken-Stückzahl und beim Schalenwild auch der Stärke der Tiere vor der „Jagd“ kommen vor. Tiere, die auf diese Art ausgebracht werden und die Abschussaktionen überleben, vor allem Fasane und Rothühner, haben nur eine geringe Chance, in freier Wildbahn zu überleben.

Sowohl die Veräußerung als auch das Freilassen von Wildtieren, die aus Züchtung oder Haltung für sportliche Zwecke stammen, entsprechen nicht dem Nachhaltigkeitsprinzip der Jagd. Dies gilt jedoch nicht für die tierschutz- und artgerechte Auswilderung von Wildtieren autochthoner Arten zum Aufbau und zur Erhaltung selbst reproduzierender, langfristig überlebensfähiger Populationen (z. B. Steinwild, Raufußhühner, Braunbär) unter wissenschaftlicher Begleitung. Die Bejagung ist nach der Auswilderung für einen angemessenen Zeitraum auszusetzen und durch eine darauf folgende Bejagung darf nicht ein Großteil der ausgewilderten Tiere wieder entnommen werden. Das Ausbrüten und Aufziehen von „ausgemähten“ oder bedrohten Gelegen und das anschließende Freilassen ist von der Beurteilung ausgenommen.

Abgesehen von den begründeten Ausnahmen entsprechen somit weder die Weitergabe (Verkauf, etc.) noch die Freilassung von Wildtieren aus Gattern und Volieren zum Abschuss den Anforderungen an eine zeitgemäße, nachhaltige Jagd.

Darüber hinaus sprechen in einigen Staaten auch rechtliche Gründe dagegen: In Deutschland z.B. besteht keine befugte Jagdausübung bei Abschuss von aus Gattern stammendem Wild, wodurch strafbares Führen der Waffe mit der Rechtsfolge einer Versagung des Jagdscheines auf 5 Jahre entsteht.

2. Die natürliche genetische Vielfalt der Wildarten wird durch eine entsprechende Jagdausübung erhalten und gefördert

Dieses Nachhaltigkeitsprinzip beinhaltet die Forderung „Autochthone Wildtierpopulationen dürfen nicht durch Einbringung nicht-autochthoner Wildtiere verfälscht werden“. „Nicht-autochthon“ sind jene Arten, die in einem bestimmten Gebiet nicht einheimisch sind oder waren (gebietsfremde oder faunenfremde Arten). Dies umfasst alle Wildarten, die nicht zum potenziellen natürlichen Wildarteninventar eines Wildlebensraumes gehören.

Insbesondere sind damit Wildtiere derjenigen Arten gemeint, die nach dem Referenzjahr 1492 (Entdeckung Amerikas) unter direkter oder indirekter Mithilfe des Menschen ins Land gelangt sind.

Die Wiederansiedlung ursprünglich heimischer Arten, die zeitweilig ausgerottet oder deren Populationen vorübergehend erloschen sind, ist damit nicht gemeint. Es geht hier um die Einbringung von nicht autochthonen Wildarten zur „Aufartung“ oder künstlichen Erhöhung der Wildarten-Vielfalt. Die Einbringung solcher Tiere ist im Interesse der Erhaltung und Förderung der natürlichen genetischen Variabilität und Entwicklung der autochthonen Wildtiere problematisch. Sie entspricht nicht den Kriterien einer nachhaltigen Jagdausübung.

Resümee

Im Hinblick auf die Einhaltung der genannten Nachhaltigkeitskriterien für die Jagd sollten

  1. Abschüsse von Wildtieren in Gattern als Gatterabschüsse und nicht als Jagd bezeichnet werden, wodurch Gatter bei der jagdlichen Nachhaltigkeitsbeurteilung automatisch ausscheiden,
  2. keine Veräußerung (Weitergabe, Verkauf) von Wildtieren aus Gattern oder Volieren zum Zweck des Abschusses in freier Wildbahn erfolgen,
  3. kein Freilassen von Wildtieren aus Gattern oder Volieren zum Abschuss stattfinden, und
  4. keine nicht-autochthonen Wildarten in die freie Wildbahn eingebracht werden.

*  Prinzipien, Kriterien und Indikatoren für nachhaltige Jagd mit der Möglichkeit zur Selbstbewertung siehe im Internet unter http://www.biodiv.at/chm/jagd


Für den FUST-Tirol:

  • Dr. Michl EBNER, Mitglied des Europäischen Parlaments, FUST-Vorsitzender;
  • Prof. DI. Dr. Friedrich REIMOSER, Forschungsinstitut für Wildtierkunde & Ökologie, Vet. Med. Univ. Wien;
  • Prof. Dr. Dr. Sven HERZOG, Wildökologie, TU Dresden.

Fotos: FUST-Tirol

Zitierweise:

FUST-Tirol (2008): „Jagdgatter" und Aussetzung von Wildtieren zum Abschuss. – FUST-Position 7; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des
Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 4 Seiten.

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FUST-Tirol    Positionen

Gesellschaftliche Bedeutung der Jagd
Grundsätze für Bewertung und Vorbeugung
Naturerhaltung durch nachhaltige Nutzung


positionen_06_2Die Jagd hat viele Kritiker: Stichworte wie Angeberei, nur Geldsache, Wildschäden, nur Trophäenjagd etc. geben zu Denken. Andererseits hat Jagd als Teil der Land- und Forstwirtschaft, als Regulator in der Kulturlandschaft und nun auch im Naturschutz als eine mögliche nachhaltige Nutzungsform der Natur eine solide gesellschaftspolitische und rechtliche Basis. Der potentielle Naturschutzbeitrag durch Jagd ist seit etwa 20 Jahren auch international untermauert. Hierzu ein Blick auf die wichtigsten Dokumente, in denen die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen als Grundlage für die Erhaltung der Biodiversität international verankert ist:

  • Brundtland-Report (1987): Nutzung der Natur, ohne die Nutzungsmöglichkeiten künftiger Generationen zu schmälern.
  • UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED 1992, Rio de Janeiro): Nachhaltige Nutzung heißt ökologische, ökonomische und soziale Gesichtspunkte berücksichtigen.
  • Internationale Union zur Erhaltung der Natur mit den natürlichen Hilfsquellen (IUCN); Erklärung zur Politik über die nachhaltige Nutzung wildlebender natürlicher Ressourcen (Amman, 2000): Nutzung schafft Anreiz zum Schutz!
  • Konvention über Biologische Vielfalt (CBD, 2000) und Agenda 21 mit Prinzipien für gesamtheitliche Lebensraumbewirtschaftung und Richtlinien für die Umsetzung verbunden mit den Addis Ababa Principles über nachhaltige Nutzung der natürlichen Vielfalt (CBD, 2004): „Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen ist eine Voraussetzung für deren Erhaltung.“

Diese Dokumente waren anfangs eine klare internationale Anerkennung durch die Wissenschaft; dann ergänzt durch rechtlich bindende Regeln, welche die Ausübung der Jagd, auch der „Freizeitjagd“ mitteleuropäischer Prägung – sofern nachhaltig erfüllt – als wesentlichen Erhaltungsfaktor für die freilebende Tierwelt festlegen. Darüber können sich auch Gruppen mit dem Ziel der Abschaffung der Jagd schwer hinwegsetzen.

Seit langem befasst sich die Staatengemeinschaft intensiv mit der Frage, ob und wie die natürliche Lebensvielfalt unseres Planeten bewahrt werden kann. Auf nationaler Ebene wurden schon frühzeitig einzelne Populationen und Lebensräume regional unter Schutz gestellt. So entstanden Schutzgebiete unterschiedlicher Art und außerdem Gesetze, die die Nutzung bestimmter Tier- und Pflanzenarten untersagten. Der Verlust von Lebensräumen und Arten konnte dadurch meist nicht aufgehalten werden. Zudem gibt es immer wieder Probleme hinsichtlich der Finanzierung, der Überwachung und der Akzeptanz bei der ländlichen Bevölkerung, deren Rechte häufig beschnitten wurden. Lediglich Nutzungsverbote und die Unterschutzstellung von Arten und Lebensräumen bringen nicht den notwendigen Erfolg zur Erhaltung der Artenvielfalt.

Auf internationaler Ebene wurde dies erkannt. Alle relevanten Konventionen und Resolutionen der letzten Jahrzehnte berücksichtigen das Prinzip der nachhaltigen Nutzung. Strategien zur Erhaltung der Natur müssen auch die nachhaltige Nutzung der Naturgüter einbeziehen. Dies wird untermauert von der Erkenntnis, dass ein ernsthaftes und eigenmotiviertes Erhaltungsinteresse der Menschen an Tieren und Pflanzen dann besteht, wenn sie von deren Wert und Nutzen überzeugt sind. Im Gegenzug droht das keine Beachtung zu finden und verloren zu gehen, was nicht in Wert gesetzt werden kann. Dadurch erscheint es der regionalen Bevölkerung, maßgeblichen Interessengruppen oder sogar einer Mehrheit der Gesellschaft als nicht erhaltenswert.

Dies gilt im besonderen Maße für die Nutzung von Wildtieren – einige Antilopenarten in Afrika wären wahrscheinlich längst ausgestorben, wenn das Interesse an diesen Arten nicht durch geregelte Nutzungsmöglichkeit in Form von nachhaltiger Bejagung erhalten geblieben wäre. Oft sind Arten die einen hohen internationalen Schutz genießen deshalb besonders gefährdet, weil infolge fehlender geregelter Nutzungsmöglichkeiten wenig Interesse an ihrer Erhaltung und am Schutz ihrer Lebensräume besteht, insbesondere auch bei der lokalen Bevölkerung. Dies gilt z.B. für einige bodenbrütende Vogelarten dort, wo sie nicht bejagt werden dürfen; noch dazu kommt gleichzeitig oft eine unkritische, totale Unterschutzstellung von Beutegreifern, die ihren Untergang beschleunigen können. Dies gilt ebenso für geschützte Elefanten in Afrika oder für die Saigaantilope in Zentralasien, die, wenn sie nicht regulär und nachhaltig bejagt und damit auch geschützt sind, umso heftiger gewildert werden. Auch der Rothirsch wäre in vielen Gebieten verschwunden wenn es keine reguläre Nutzungsmöglichkeit gäbe. Viele Land- und Forstwirte würden Wildschäden ohne Nutzen nicht dulden. Oder das Auerhuhn in Österreich: wenn es nicht mehr genutzt werden dürfte, finden sich kaum Waldbesitzer, die den Wald für diese Art positiv gestalten und bewohnbar machen. Für Tierarten, die allein durch Unterschutzstellung gerettet werden – wie z.B. der Panda in China – bedarf es eines sehr großen Finanzaufwandes. Ohne regionale Nutzungsmöglichkeit von Pflanzen- und Tierpopulationen und einem damit verbundenen ökonomischen Anreiz zur Erhaltung der genutzten Ressourcen bedingt der Artenschutz also einen sehr hohen finanziellen Aufwand, wäre somit nur von reichen Nationen finanzierbar und deshalb weltweit gesehen ineffizient.

Es bleibt festzuhalten: Nachhaltige Nutzung ist das wichtigste Konzept, das auf breiter Front einen wesentlichen Beitrag zur Naturerhaltung leisten kann. Dies gilt auch für die Ausübung der Jagd. Was für manche schon immer klar war, haben anlässlich der 7. Vertragsstaatenkonferenz 192 Staaten in der Konvention für die Biologische Vielfalt (CBD) zur weltweit bindenden Leitlinie erklärt. Die Staaten haben sich nun rechtlich verpflichtet, das umzusetzen. Dadurch wurde auch die Schaffung von Prinzipien, Kriterien und Indikatoren der Nachhaltigkeit als objektive Grundlage notwendig. Die Jäger können diese nun weltweit günstige gesellschaftspolitische Situation allerdings nur dann nützen, wenn sie die Einhaltung der Nachhaltigkeitsregeln nachweisen und es überdies verstehen, diesen Mehrwert der Jagd auch im regionalen Gesellschaftskreis glaubwürdig zu leben und zu vermitteln.


Für den FUST-Tirol:

• Dr. Michl EBNER, MEP, Vorsitzender;
• Dr. Richard LAMMEL, Stellv. Vorsitzender;
• Bgm. Stefan MESSNER, Vorsitzender des Lenkungsausschusses;
• Univ.-Prof. Dr. Friedrich REIMOSER, Projektkoordinator;
• Christiane und Emil UNDERBERG, Dr. Wolfgang BURHENNE als Mitglieder.

Fotos: FUST-Tirol

Zitierweise:

FUST-Tirol (2007): Gesellschaftliche Bedeutung der Jagd. Naturerhaltung durch nachhaltige Nutzung. – FUST-Position 6; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 4 Seiten.

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Weitere Veröffentlichungen aus den FUST-Projekten zu diesem Thema auf der Home-Page des FUST-Tirol (www.fust.at). Prinzipien, Kriterien und Indikatoren für nachhaltige Jagd mit der Möglichkeit zur Selbstbewertung unter http://www.biodiv.at/chm/jagd.

 


FUST-Tirol    Positionen

Naturschutz durch nachhaltige Nutzung
Naturschutz durch Naturnutzung – geht das?


Positive Entwicklung

Naturnutzung Wald WildNaturschutz und Naturnutzung waren im gesellschaftlichen Verständnis lange Zeit starke Gegensätze. Vor 10 Jahren war es auf offizieller internationaler Ebene neu, dass zwischen Naturschutz und Naturnutzung durch den Menschen kein grundsätzlicher Gegensatz besteht. Auch heute wird natürlich nicht jede Form der Nutzung automatisch als Beitrag zum Naturschutz anerkannt. Die Nutzung muss auf „nachhaltige“ Weise erfolgen. Der Verständniswandel wurde 1992 bei der Weltumweltkonferenz der UNO in Rio offiziell eingeleitet. Die Weltnaturschutzunion IUCN stellte im Jahr 2000 in ihrer Grundsatzerklärung von Amman in prägnanter Weise nochmals ganz klar: „Die Nutzung wildlebender Ressourcen stellt, soweit sie nachhaltig erfolgt, ein wichtiges Instrument zur Erhaltung der Natur dar, da die durch eine solche Nutzung erzielten sozialen und wirtschaftlichen Vorteile dem Menschen Anreize geben, diese zu erhalten.“ Am Weltnaturschutzgipfel 2002 in Johannesburg wurde dieses die Nutzung einschließende Naturschutzverständnis abermals bestätigt. Ebenso beim Weltkongress in Kuala Lumpur (UNEP 2004).

Jede Form der Nutzung natürlicher Ressourcen (Pflanzen, Tiere, Lebensräume) kann somit bei Wahrung der „Nachhaltigkeit“ Teil eines großen gesellschaftlichen Naturschutz- und Entwicklungskonzeptes werden. Es wurde weltweit klar, dass die langfristige Erhaltung der Biodiversität am besten durch nachhaltige Nutzung und nicht durch generellen Nutzungsverzicht gewährleistet ist. Dies trifft zum Beispiel auch auf die Nutzung von Waldpflanzen und Wildtieren durch Forstwirtschaft und Jagd zu. Diese Form der Nutzung setzt Lebensraumschutz für Pflanzen und Tiere voraus - nur in intakten Lebensräumen können vitale Populationen auf Dauer bestehen. Dafür sind aber nicht nur Forstleute und Jäger, sondern alle Interessengruppen, die im Wald und in Wildlebensräumen ihre Spuren hinterlassen, mitverantwortlich. Es erfordert also eine ganzheitliche Sicht, die bereits bei Kindern und Jugendlichen in den Familien (an speziellen Familientagen), im Kindergarten und in der Volksschule durch aktives Lernen draußen in der Natur gefördert werden muss. Dies wird als notwendige Ergänzung zur künstlichen Welt am Computer gesehen.

Nachhaltigkeit als Forderung des Menschen

Naturschutzorganisationen stellen fest, dass das Schlagwort „nachhaltige Nutzung“ teilweise zur Rechtfertigung von nicht nachhaltigen Tätigkeiten verwendet wird. Dabei taucht der Vorwurf des „Etikettenschwindels“ auf. Die Diskussionen um die Nachhaltigkeit machen deutlich, dass die konkrete Bedeutung dieses Begriffes nicht von vornherein klar ist, sondern dass im gesellschaftlichen Kontext erst definiert werden muss, was man darunter verstehen will. Es gibt kein Naturgesetz, aus dem man Nachhaltigkeit ableiten könnte. Deshalb wird nun in den verschiedenen Nutzergruppen versucht, Prinzipien, Kriterien und Indikatoren festzulegen, die den Grad der Nachhaltigkeit in ökologischer, ökonomischer und sozio-kultureller Hinsicht messbar machen. Dies erfolgte zum Beispiel auch für die Jagd (www.biodiv.at/chm/jagd).

Eine überwiegende Anzahl von Menschen antwortet allerdings auf die Frage, welcher der beiden Begriffe „Nachhaltigkeit“ oder „Nutzung“ denn der Natur näher stünde, spontan mit: „Die Nachhaltigkeit“. Nachhaltigkeit ist somit stärker mit „natürlich“ besetzt, Nutzung hingegen generell eher negativ mit „unnatürlich“. Dieser Irrtum dürfte die Nachwirkung einer Jahrzehnte langen sehr nutzungskritischen bis nutzungsfeindlichen Bildung sein, als verständliche aber überzogene Gegenbewegung zu einer vielerorts bedenkenlosen „Übernutzung“ von natürlichen Ressourcen durch den Menschen.

Nachhaltigkeit und letztlich auch Naturschutz sind aber keine Naturprinzipien, sondern auf den Menschen bezogene anthropozentrische Konzepte. Sie sind primär auf die absehbaren Bedürfnisse zukünftiger Menschengenerationen zugeschnitten. Nachhaltigkeit, wie sie der Mensch anstrebt, findet man im Naturgeschehen kaum. Das einzig wirklich Nachhaltige in der Natur ist ihre Veränderung. Nichts kommt so wieder wie es einmal war. Ständig gibt es neue Gewinner und neue Verlierer unter den Arten.

Zu den großen Gewinnern der letzten Jahrtausende gehört zweifellos der Mensch. Es ist verständlich, dass er und andere Gewinner aus dem Pflanzen- und Tierreich sich eine Umweltsituation längerfristig bzw. nachhaltig erhalten wollen, die ihnen den Gewinnerstatus kontinuierlich und auf Dauer ermöglicht. Dies ist im Grunde ein ständiges Arbeiten gegen natürliche Veränderungen. Bei der notwendigen Pflege von Gärten wird das zum Beispiel sehr deutlich. Eine auf überschaubarer Fläche alljährlich weitgehend gleichbleibende Nutzungsmenge und -qualität, ein erklärtes Ziel der Land- und Forstwirtschaft, also kurzfristige und kleinflächige Nachhaltigkeit, können sogar sehr unnatürlich, aber dennoch vom Menschen sehr erwünscht sein. Dies trifft auch auf die jagdliche Nutzung zu. Wildtierbestände unterliegen von Natur aus meist viel größeren räumlichen und zeitlichen Schwankungen als dem Jäger lieb ist.

Nutzung als Grundprinzip der Natur

Nutzung hingegen ist - auch ohne Einbeziehung der menschlichen Nutzung - ein ganz zentrales Grundprinzip der Natur. Ohne Nutzung könnten die natürlichen Prozesse nicht ablaufen, an denen sich auch der Naturschutz orientiert. Nutzung, sowohl in konsumtiver als auch in nicht konsumtiver Form, ist der Motor vieler dynamischer Abläufe in Naturgeschehen. Jedes Lebewesen lebt von der Nutzung und Benutzung natürlicher Ressourcen, sei es zum Schutz vor Feinden oder Klimaeinflüssen, zum Spiel, zum Nestbau und selbstverständlich zur Nahrung (Primärproduktion der Pflanzen, Nahrungsketten über Pflanzen- und Fleischfresser bis hin zu den Reduzenten, die die organische Substanz wieder abbauen). Alle Glieder der Lebensgemeinschaften, der Mensch eingeschlossen, stehen von Natur aus in ständigen Nutzungsabhängigkeiten zueinander.

Während also der Begriff „Nutzung“ eng mit der ganzen Natur verbunden ist, ist der Begriff Nachhaltigkeit auf den Menschen und seine Bedürfnisse bezogen. Beide Begriffe sind wichtig, keiner davon minderwertiger. Den Blick auf die Realität verstellende Ideologien, daraus entstehende Missverständnisse und Feindbildpflege zwischen „Schützern“ und „Nutzern“ der Natur können Probleme sicherlich nicht lösen und sollten der Vergangenheit angehören. Insbesondere bei der Ausbildung der Jugend und der sie ausbildenden Lehrer sollte dies beachtet werden. Als Voraussetzung für Lernen in der Natur braucht es geeignete land-, forst- und jagdwirtschaftliche Betriebe, in die Lehrer und Schüler eingeladen und kompetent geführt werden. Dafür sollen Natur-, Wald- und Wildpädagogen ausgebildet werden, die den „Mehrwert“ der nachhaltigen Nutzung für den Menschen und den Naturschutz gut vermitteln können, auch, dass Nachhaltigkeit eine Kultur des Teilens ist - zwischen Generationen und Interessengruppen.

positionen_04_2Nutzung ist grundsätzlich natürlich. Wenn sie den Nachhaltigkeitskriterien entspricht, entstehen für Mensch und Lebensraum auf Dauer positive Auswirkungen und gleichzeitig wird diese Nutzung dann von der Gesellschaft als aktiver Beitrag zum Naturschutz anerkannt.

Erlebnis und Beute

Nachhaltige Nutzung wurde als wichtige Säule auch des Naturschutzes erkannt. Eine Wiederentdeckung traditioneller Konzepte? Nutzung ist grundsätzlich natürlich. Dies trifft auch auf die Jagd zu. Wenn sie den Nachhaltigkeitskriterien entspricht, entstehen für Mensch und Lebensraum auf Dauer positive Auswirkungen und gleichzeitig wird diese Nutzungsform dann von der Gesellschaft als aktiver Beitrag zum Naturschutz anerkannt.

Für den FUST-Tirol:

  • Landtagsvizepräsident Anton STEIXNER, Vorsitzender;
  • Univ. Prof. DI Dr. Edwin DONAUBAUER, Univ. für Bodenkultur, Mitglied des Lenkungsausschusses.
  • Univ. Prof. DI Dr. Friedrich REIMOSER, Forsch.-Inst. f. Wildtierkunde u. Ökologie d. Veterinärmed. Univ. Wien, Projektkoordinator.

Fotos: F. Reimoser

Zitierweise:

FUST-Tirol (2004): Naturschutz durch nachhaltige Nutzung. Naturschutz durch Naturnutzung – geht das? – FUST-Position 4; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 5 Seiten.

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FUST-Tirol    Positionen

Kooperation Forst-Jagd
Wald und Wild – Harmonie oder Gegensatz?


Forst und Jagd – Kooperation oder Konkurrenz?

positionen_03_1Die von Forstseite als mangelhaft kritisierte Wildbestandesregulierung durch die Jäger sowie die von Jagdseite als wenig objektiv gesehenen Toleranzgrenzen bei der Beurteilung von Wildschäden werden oft heftig diskutiert. Einseitige Schuldzuweisungen verhindern den Blick auf kooperativen Lösungen. Bestehende „Wald-Wild-Probleme“ sind in ihrer Wurzel ein „Mensch-Mensch-Problem“. In einer verbesserten Kooperation zwischen Forstwirtschaft und Jagd besteht ein großes, bisher zu wenig genutztes Potenzial zur Problemlösung. Dies setzt ein erweitertes Selbstverständnis von Forst und Jagd voraus.

Ausgangslage

Aus ökosystemarem Blickwinkel gehören zum Wald nicht nur Bäume, sondern gleichermaßen Pflanzen und Tiere. Forstleute und Jäger beeinflussen einander durch ihre Aktivitäten in diesem Ökosystem, ohne sich dabei ihrer Auswirkungen auf den jeweils Anderen immer bewußt zu sein. Bei der Lösung von forstlichen und jagdlichen Problemen sind beide Seiten aber maßgeblich voneinander abhängig. Dies betrifft vor allem die Vermeidung von Verbiß- und Schälschäden an der Waldvegetation, die Gestaltung der Habitatqualität von Wildtieren und die Bejagbarkeit des Wildes. Besondere Berührungspunkte ergeben sich bei den sogenannten forstlichen Problemarten wie Hirsch, Reh und Gams, aber auch bei den Waldhühnern, die in ihrem Vorkommen stark von forstlichen Maßnahmen abhängen.

Vor allem die von Forstseite als mangelhaft kritisierte Wildbestandesregulierung und jagdmethodische Unflexibilität der Jäger sowie die von Jagdseite oft als wenig objektiv gesehenen Toleranzgrenzen bei der Beurteilung von Wildschäden und die hohe Wildschadenanfälligkeit des Waldes aufgrund forstlicher Maßnahmen sind Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Einseitige Schuldzuweisungen und Feindbildpflege verstellen oft den Blick auf mögliche kooperative Lösungen.

Eine wesentliche Wurzel dieses Spannungsfeldes liegt im mangelnden Verständnis der komplexen Problemzusammenhänge und im oft schwachen Vertrauen zur „Gegenseite“. Weiters besteht eine grundsätzliche „Konkurrenz“ um Waldbäume, die einerseits für die Sicherung der Holzproduktion sowie der Schutz- Wohlfahrts- und Erholungswirkung des Waldes erforderlich sind, andererseits aber auch als natürliche Nahrung der großen Pflanzenfresser dienen, deren Bestandeshöhe den Jagdwert meist entscheidend mitbestimmt. Selbst Grundeigentümer, die sowohl forstliche als auch jagdliche Ziele und Maßnahmen aus einer Hand steuern können, haben nicht selten Schwierigkeiten, aus diesem Zielkonflikt heraus zu harmonischen Lösungen zu kommen, insbesondere in Gebieten, die nur wenig Ertrag aus der Holzproduktion ermöglichen.

Wichtige Zusammenhänge beachten

Der Vergleich zahlreicher Fallstudien zeigt sehr unterschiedliche Auswirkungen des Schalenwildes auf die Waldverjüngungsdynamik. Je nach Waldgesellschaft (Baumartenzusammensetzung, Verjüngungspotenzial, Bodengüte), forstlicher Waldbehandlung und je nach Wildart, -dichte und -verteilung ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen der Wildtiere auf die Waldstruktur. Umgekehrt wirkt sich die Waldstruktur auf die Wildtiere aus. Die Tiere können Schäden bewirken und andererseits selbst in Mangelsituationen geraten. Auch positive Einwirkungen der Wildtiere auf die Waldvegetation konnten unter günstigen Voraussetzungen nachgewiesen werden.

Außer von der Wilddichte hängen die Auswirkungen des Schalenwildes (Verbiss, Fegen, Schälen, Tritteinwirkung auf Boden und Pflanzen, Nährstoffumverteilung - Kot) entscheidend von den standörtlichen Voraussetzungen, der Struktur des Altbestandes, den waldbaulichen Maßnahmen und dem Verjüngungsziel ab. Die Beachtung dieser Zusammenhänge ist die Voraussetzung für eine effizientere Berücksichtigung des Standortfaktors Schalenwild bei der Planung waldbaulicher und jagdlicher Maßnahmen. Die Frage der Habitatgestaltung erlangt auch durch die vielerorts einsetzende Umwandlung von wind-, schnee- oder insektengeschädigten Sekundärwäldern in naturnähere Waldformen aktuelle Bedeutung, weil sich während des Waldumbaues die Verbissschadensproblematik meist stark verschärft. Das Problemfeld ist über die forstliche und jagdliche Relevanz hinaus auch von großem Interesse für den Natur- und Umweltschutz.

Ziele und Maßnahmen besser abstimmen

Statt konkurrierender Ziele zwischen Forstwirtschaft und Jagd, die zwangsläufig Probleme schaffen, sollten im Zuge einer verbesserten Kooperation und einer ganzheitlicheren Sicht harmonische Ziele entwickelt werden, die Synergismen zwischen den Interessengruppen ermöglichen. Diesbezüglich besteht ein großes, bisher ungenutztes Potenzial. Durch Zielharmonisierung kann auch den forst- und jagdgesetzlichen Bestimmungen sowie den internationalen Konventionen (Alpenkonvention, Nachhaltigkeitskriterien etc.) besser Rechnung getragen werden. Die Voraussetzungen für diese Harmonisierung müssen in drei Bereichen geschaffen werden: (i) Sozio-Kultur: Schaffung von Verständnis und Vertrauen, Abbau problemverschärfender Traditionen; (ii) Ökologie: Steuerung der Habitatqualität, Minderung der Wildschadenanfälligkeit des Waldes, effiziente Bejagungsmethoden etc.; und (iii) Ökonomie: Verbesserung finanzieller Werte, Vermeidung von Wertverlusten, Gesamtrechnung Forst-Jagd etc.

Kooperation als Voraussetzung für Lösungen

Als Kooperationsebenen zwischen Forst- und Jagdseite sind in räumlicher Hinsicht Revier, Betrieb, Hegegemeinschaft, Land und Bund möglich, wobei eventuelle kompetenzrechtliche Probleme abgebaut werden sollten. Im Hinblick auf die Akteure sind es die Ebenen Jagdausübungsberechtigte – Grundeigentümer oder/und Jägerschaft – Forstbehörde.

Kooperation kann einerseits durch Unterlassungen (Rücksichtnahmen) und andererseits durch aktive Maßnahmen von beiden Seiten erfolgen. Wichtig ist dabei vor allem die Festlegung und räumlich-zeitliche Abstimmung von Zielen (klare Ziele, Offenheit, Prioritätensetzung), weiters die inhaltliche, räumliche und zeitliche Abstimmung von Maßnahmen in den Bereichen Waldbau, Erschießung, Jagdstrategie und Fütterung, sowie der Blick auf eine gemeinsame Nachhaltigkeit („Gesamtnachhaltigkeit“ entsprechend UNO-Summit 2002 in Johannesburg). Auch die Abstimmung der örtlich zu erfüllenden Aufgaben mit der Qualifikation der Akteure (z. B. Pächter) und dem Pachtpreis (Akzeptanz beider Seiten; Jäger als Partner/Kunde) können für den Erfolg entscheidend sein.

Der „Organisation“ der Kooperation (regional; politisch) kommt wesentliche Bedeutung zu. Wichtig sind eine entsprechende Kommunikationsstruktur (Kommunikationseinrichtungen), Schulung (Aus- und Weiterbildung), Kooperation nach innen (im Bereich Forst – Jagd), Kooperation gegenüber Dritten (z. B. Tourismus, Naturschutz), sowie Öffentlichkeitsarbeit.

Mögliche Kooperationsinhalte

Wenn es z. B. um die Vermeidung von Wildschäden am Wald bei möglichst geringer Beeinträchtigung des Jagdwertes geht, sollte von jagdlicher Seite die Arealabgrenzung für die einzelnen Wildarten, Abschußhöhe, Jagdtechnik, jahreszeitliche Abschußverteilung (Intervalljagd etc.) und räumliche Abschußverteilung (Schwerpunktbejagung etc.) mit forstlichen Anliegen koordiniert werden. Ebenso sollten Ort und Art der Wildfütterung, jagdliche Biotopverbesserung (Wildwiesen, Wildäcker, Verbißflächen etc.), Ruhegebiete, sowie die Einteilung der Jagdgebiete (Grenzziehung, den Aufgaben entsprechende Personalzuteilung etc.) abgestimmt werden.

Von forstlicher Seite sollte grundsätzlich die Strategie verfolgt werden, den hohen nahrungsunabhängigen Besiedlungsanreiz, wie er durch den unnatürlich günstigen Feind- und Klimaschutz in standortwidrigen Fichten-Monokulturen entsteht, zu reduzieren und gleichzeitig das natürliche Nahrungsangebot zu verbessern (vor allem im Herbst und Winter). Dies erfordert eine Umstellung des Waldbaues von sekundären Fichten-Reinbeständen auf standortgemäße Mischwaldbestände, sowie in bereits vorhandenen wintergrünen Nadelholzbeständen eine frühzeitige Dickungspflege und Durchforstung. Folgende waldbauliche Maßnahmen können das Risiko von Wildschäden maßgeblich vermindern:

  • Auflockerung des Kronendaches dichter Waldbestände ab dem Dickungsstadium (weniger Klima- und Feindschutz, mehr Nahrungsangebot, früherzeitig gröbere, weniger schäl-attraktive Borke).
  • Förderung von Mischwald anstelle von künstlichen wintergrünen Reinbeständen (weniger Klimaschutz, mehr Nahrung durch Blattfall im Herbst, Mastjahre etc.)
  • Statt Aufforstung Förderung der natürlichen Waldverjüngung (größerflächig natürliches „Überschußangebot“ an Jungbäumen, das ohne Schadensfolgen vom Wild genutzt werden kann).
  • Möglichst Belassung oder Förderung von Sträuchern und Verbissbaumarten („Ablenkäsung“).
  • Vermeidung optisch auffälliger Waldbestandesgrenzen, wie sie vor allem durch kahlschlagbedingte Steilränder entstehen (weniger Besiedlungsanreiz für Schalenwild – geringere Wilddichten).
  • Langfristige Vorbereitung bzw. längere Belassung größerer, nicht durch Schläge fragmentierter Baumholzkomplexe, in denen Rotwild ohne großes Schäl- und Verbißschadensrisiko im Winter gefüttert werden kann (falls Winterfütterung erforderlich ist).

Diese Maßnahmen lassen sich am besten und ökonomisch zweckmäßigsten in einem kahlschlagfreien oder zumindest kahlschlagarmen Naturverjüngungsbetrieb realisieren. Für günstige Bejagungsmöglichkeiten sollte gesorgt werden (Schußschneisen an jagdstrategisch günstigen Standorten etc.). Entscheidend ist dabei, daß die Maßnahmen großräumig erfolgen und mit jagdlichen sowie landschaftsplanerischen Maßnahmen räumlich und zeitlich gut koordiniert werden (Wildökologische Raumplanung). Anderenfalls kommt es meist nur zu einer Problemverschiebung, aber nicht zu einer nachhaltigen Problemlösung. Es gilt also, für das Wild ausreichend große zusammenhängende Lebensräume mit geringer Wildschadenanfälligkeit in der Kulturlandschaft zu erhalten und wiederherzustellen, wo auch Schalenwild möglichst schadensfrei integriert bzw. wo es ohne großes Wildschadensrisiko über den Winter gebracht werden kann.

Wo Schalenwild in der Kulturlandschaft nachhaltig erhalten werden soll, ist eine gute integrale Wildschadensprophylaxe unter verstärkter Einbeziehung forstlicher Maßnahmen auf Dauer nicht ersetzbar. Ledigliche Symptombekämpfung (diverse Schutzmaßnahmen) oder Sanierungsprogramme für geschädigte Wälder (Schnellwuchsbetrieb, Bestandesumwandlung etc.) sind unbefriedigend. Präventive Maßnahmen sind in der Regel auch ökonomisch wesentlich günstiger als nachträgliche Sanierungsmaßnahmen.

Im übergeordneten, gesellschaftlichen Interesse geht es insbesondere um die Berücksichtigung folgender Fragen: Wie können konkurrierende Ziele der Landschaftsnutzung harmonisiert und Wildtiere in die Kulturlandschaft integriert werden, ohne dass es zu untragbaren Wildschäden kommt? Wie kann eine nachhaltige Nutzung von Wildtierpopulationen gewährleistet werden? Wie können Maßnahmen in Schutzgebieten (Nationalparke, Natura 2000, Schutzwaldsanierungsgebiete etc.) mit den Maßnahmen im wildökologisch relevantem Umfeld außerhalb dieser Gebiete zweckmäßig abgestimmt werden? Wie können durch den Menschen isolierte Wildtierpopulationen wieder vernetzt werden? Als Abstimmungsinstrument bietet sich die Wildökologische Raumplanung an.

Objektive Erfolgskontrolle schafft Akzeptanz

Der Festlegung klarer und objektiv überprüfbarer forstlicher und jagdlicher Ziele und der Einhaltung von Belastungsgrenzen (z. B. Verbiss- und Schälbelastungen an der Vegetation, Wildstandsreduzierung, Bejagungsformen) kommt wesentliche Bedeutung zu. Objektive Monitoringsysteme (z. B. Kontrollzäune, Abschußkontrolle), die einen eindeutigen SOLL-IST-Vergleich ermöglichen, sind Voraussetzung für eine objektive Erfolgskontrolle und die Akzeptanz der Maßnahmen.

Positive Beispiele

Beispiele für die aktive Berücksichtigung von Wildtieren und deren Bejagung sind zwar noch nicht zahlreich vorhanden, können aber bereits in allen Ländern gefunden werden. Von manchen Forstbetrieben wurden zum Beispiel aufbauend auf die Wirtschaftsplandaten Biotopeignungskarten für Schalenwildarten oder/und Rauhfußhühner erstellt. Die Überwachung der Habitatqualität dient den Betrieben als Grundlage für die Entwicklungsprognose über die Verbreitung der Arten und die Entstehung von Flächen mit erhöhter Wildschadenanfälligkeit, sowie für die Ableitung präventiver und kurativer Maßnahmen zur Habitatgestaltung und Wildschadensvermeidung. Erforderliche Parameter für die Habitatbeurteilung werden meist im Zuge der Wirtschaftsplanerstellung miterhoben. Dadurch sind ein regelmäßiges Monitoring, Erfolgskontrolle und eine ständige adaptive Maßnahmenoptimierung möglich.

Fazit

In einer verbesserten Kooperation zwischen Forstwirtschaft und Jagd besteht ein großes, bisher zu wenig genutztes Potenzial zur Lösung von „Wald-Wild-Problemen“. Dies setzt ein erweitertes Selbstverständnis von Forst und Jagd voraus. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse erscheint es sowohl aus ökologischem als auch aus ökonomischem Blickwinkel notwendig, den Standortfaktor „Wild“, insbesonders das Schalenwild, in Zukunft bei forstlichen Zielen und der Auswahl von waldbaulichen Maßnahmen wesentlich stärker zu berücksichtigen. Für die Lebensräume der großen Pflanzenfresser sollte die Wildschadensprophylaxe schon allein im Eigeninteresse der Forstwirtschaft ebenso selbstverständlich werden wie z. B. die forstliche Prävention hinsichtlich der Standortfaktoren Wind, Schnee und Insekten. Wenn sich die Forstwirtschaft ihrer bisher unterschätzten Rolle als Mitverursacher von Wildschäden stärker bewußt wird und aktiv schadensmindernde Maßnahmen setzt, dann werden auch die vielerorts zusätzlich notwendigen Maßnahmen seitens Jagd, Tourismus etc. rascher und effizienter zum Erfolg beitragen können. Von jagdlicher Seite kommt einer räumlich und zeitlich wesentlich flexibleren Abschußdurchführung und zweckmäßigeren Hegemaßnahmen, beides mit verstärkter Abstimmung auf forstliche Erfordernisse, eine entscheidende Bedeutung zu. Im Interesse der Lösung bestehender „Wald-Wild-Probleme“, die in ihrer Wurzel ein „Mensch-Mensch-Problem“ sind, sollte es statt Lippenbekenntnissen zu einer stärkeren aktiven Zusammenarbeit von Forstwirtschaft und Jagd kommen, mit effizienten Problemlösungsbeiträgen von beiden Seiten. Grundlage dafür müssen eine entsprechend umfassende Aus- und Weiterbildung von Jägern und Forstleuten sowie die Schaffung geeigneter Kooperationsplattformen auf verschiedenen Ebenen (Betriebe, Interessenvertretungen, Behörde) sein. In einer integralen wildökologischen Raumplanung kann die Abstimmung der Maßnahmen systematisch erfolgen. Waldwirtschaftspläne sollten in Hinkunft auch Grundzüge der forstlichen Wildschadensvorbeugung mit berücksichtigen.

Schuss-Schneise in schwierig bejagbarem Bergwald
Schuss-Schneise in schwierig bejagbarem Bergwald

In der besseren räumlichen und zeitlichen Abstimmung von forstlichen und jagdlichen Zielen und Maßnahmen liegt ein großes, ungenutztes Erfolgspotential für die Lösung von „Wald-Wild-Problemen“. Dies setzt ein erweitertes Selbstverständnis von Forst und Jagd voraus.

 


Für den FUST-Tirol:

  • Landtagsvizepräsident Anton STEIXNER, Vorsitzender;
  • Univ. Prof. DI Dr. Edwin DONAUBAUER, Vorsitzender des Fachlichen Lenkungsausschusses.
  • Univ. Prof. DI Dr. Friedrich REIMOSER, Forsch.-Inst. f. Wildtierkunde u. Ökologie d. Veterinärmed. Univ. Wien, Projektkoordinator.

Fotos: F. Reimoser

Zitierweise:

FUST-Tirol (2003): Kooperation Forst – Wald und Wild – Harmonie oder Gegensatz? – FUST-Position 3; Forschungs- und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 7 Seiten.

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