FUST-Tirol    Positionen

Zukunftsfähige Almwirtschaft, Almdüngung


Anlass für die vorliegende FUST-Position waren die Ergebnisse einer Fachtagung zum Thema "Die Auswirkung der unterschiedlichen Düngungsweisen auf Almen" am 15. Juni 2012 in Pertisau (Tirol), veranstaltet vom FUST-Tirol, dem Alpenpark Karwendel sowie der Österreichischen Bundesforste AG.

Ausgangslage

Nicht fachgerecht ausgebrachte Gülle. Dies ist leider kein Einzelfall.
Nicht fachgerecht ausgebrachte Gülle. Leider kein Einzelfall.

Die Freigabe der Milchkontingente auf den Almen Ende der 70er Jahre und eine entsprechende Förderpolitik führten zu einer Expansion der intensiven Milchproduktion von den Tallagen auch in die Almregionen. Einhergehend mit der Intensivierung folgte auf den Almen die Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur, wie z.B. Aufschließung der Almen, Adaption der Baulichkeiten und Umstellung der Düngungsweise hin zur intensiven Güllung. Die ertragsoptimierte Almwirtschaft verursachte häufig eine Entwicklung hin zu artenarmen Fettwiesen auf jenen Almteilflächen, die maschinell gedüngt werden konnten. Öffentliche Interessen wie Naturschutz und Schutz vor Naturgefahren sowie Interessen von Jagd oder Forst blieben dabei oft unberücksichtigt. Die folgenden Ausführungen sollen Lösungsansätze für eine nachhaltige Almwirtschaft, die besser im Einklang mit der Natur und anderen Landnutzern steht, bieten (Kreislaufwirtschaft).

Grundsätze für die Zukunft

  • Verstärkte Rücksichtnahme auf ein über Jahrhunderte entstandenes Mosaik von unterschiedlichen Lebensräumen in den Almgebieten. Das Zusammenspiel von intensiven bis hin zu sehr extensiv genutzten Flächen bildet die Grundlage der hohen Biodiversität auf den Almen. Auch kleine Sonderstandorte wie Feuchtgebiete, Fließgewässer, Magerrasen und auch Landschaftselemente wie Trockenmauern sollen wieder Berücksichtigung finden. Der Erhaltung bzw. Wiederbewirtschaftung von aufgelassenen Bergmähdern kommt eine wichtige Bedeutung zu. Dafür gilt es entsprechende Anreize zu schaffen.
  • Verstärkte Förderung einer wieder mehr nachhaltigen und kostensparenden Bewirtschaftung am Heimhof, z.B. durch leichtere, ursprüngliche und genügsamere Rinderrassen. Die Vermeidung von exzessiven Trittschäden und dadurch bedingten Erosionen wäre möglich.
  • Ein Abweiden aller Bereiche, auch von Randbereichen von Almflächen, könnte durch eine Weidefolge von Rind – Pferd - und Kleintieren erzielt werden (jedoch unter Berücksichtigung der Walderhaltung im Rahmen der Waldweide). Verlorengegangene Weideflächen im Randbereich bestehender Almen sollten durch Schwenden wiederhergestellt werden. Übergangsbereiche zum Wald sind, wenn nötig, zu schaffen. Vorab Absprache solcher Schwendmaßnahmen (*1) zwischen Grundeigentümern und den anderen regional zuständigen Landnutzern (Naturschutz).
  • Systeme, denen ständig zusätzliche Stoffe, über den natürlichen Kreislauf hinaus, zugeführt werden, sind nicht nachhaltig. Aus diesem Grund muss der Gedanke der Kreislaufwirtschaft im Zentrum der alpinen Landwirtschaft stehen (siehe Karl Buchgraber "Kreislaufbezogene Nährstoffversorgung von Almweiden und Wildäsungsflächen" *2). Düngung und Weidewirtschaft sollten darauf abzielen, mit dem natürlichen Nahrungsangebot auf der Alm die Nutztiere hinreichend zu versorgen. Ausgleichsfütterungen gemäß ÖPUL Richtlinien sind auf das allernotwendigste zu beschränken (Zufütterung von Silage, Kraftfutter und angekauftem Heu). Futter für Notzeiten sollte vermehrt wieder auf Almangern vor Ort geworben werden. Ebenso sind intensive Düngeformen (z.B. mit Gülle vom Heimhof) möglichst einzuschränken. Die Gefahr einer verstärkten Verbreitung von Krankheiten (z.B. Paratuberkulose, Leberegel) durch die Ausbringung der Gülle mit Hochdruckfässern, darf nicht unterschätzt werden. Eine Verunreinigung von Quellgebieten durch übermäßigen Düngereinsatz muss ebenso vermieden werden. Dieser Forderung kann durch eine zeitlich, örtlich und mengenmäßig angepasste Düngung am besten entsprochen werden.

Maßnahmen-Vorschläge (Beispiele)

  • Adaptierung des Fördersystems als Anreiz für den Landwirt, angepasste Rinderrassen zu halten und mit den am Heimhof produzierten Futtermitteln auszukommen.
  • Beim Nutzen der Almflächen im Rahmen der Kreislaufwirtschaft gilt es die Interessen des Naturschutzes, der Jagd, des Forstes und anderer Naturnutzer zu berücksichtigen. Bewirtschaftungs- und Naturschutzpläne auf den Almen haben sich als ein taugliches Mittel zur Erreichung der geforderten Ziele erwiesen. Die Förderung der Tag- und Nachtweide kann einem hohen Düngeranfall entgegenwirken.
  • Bewusstseinsbildungen der Landwirte durch eine entsprechende Ausbildung an Landwirtschaftsschulen oder über Fortbildungsinstitute sind unbedingt notwendig.
  • Schaffung eines Anreizsystems für die Anstellung von qualifiziertem, geschultem Almpersonal.
  • Der wirtschaftliche Ertrag könnte über Vermarktung regionaler Produkte (z.B. Bio vom Berg, Zillertaler Heumilch, Käse von der Engalpe) erhöht werden.
  • Almprämierungen sind ein gutes Instrument um einen Anreiz für gute Arbeit auf der Alm zu schaffen.

Weiserpflanzen – wie diese Knabenkrautart – zeigen, dass keine Überdüngung vorliegt.

Weiserpflanzen – wie diese Knabenkrautart – zeigen, dass keine Überdüngung vorliegt.

Fazit

Nachhaltige Beweidung im alpinen Bergland kann Vorteile für unterschiedliche Interessengruppen bringen und zu einer hohen Biodiversität beitragen. Bei der landwirtschaftlichen Nutzung und Gestaltung von Almflächen sollten die bestehenden Potenziale einer optimalen Abstimmung mit Naturschutz, Jagd, Freizeitaktivitäten und forstlichen Erfordernissen stärker berücksichtigt und gefördert werden. Ein ganzheitlicher, integraler Planungsansatz zum Vorteil aller beteiligten Landnutzer erfordert entsprechend ausgebildete Personen und verstärkte Kooperation. Der Alpenpark Karwendel, die ÖBf AG und FUST-Tirol e V. unterstützen die Entwicklung einer integrativen, zukunftsfähigen Almwirtschaft.

*1 siehe hierzu: www.wikipedia.de/Schwendbau
*2 Beitrag von Karl Buchgraber unter www.fust.at abrufbar


Für die Arbeitsgruppe:

• Dr. Michl EBNER und WM Pepi STOCK (FUST)
• DI Roman BURGSTALLER und Dr. Friedrich VÖLK (ÖBf-AG)
• Mag. Hermann SONNTAG (Alpenpark Karwendel),
• Univ. Prof. Dr. Friedrich REIMOSER (Vetmeduni Wien).

Fotos: FUST-Tirol

Zitierweise:
FUST-Tirol (2014): Zukunftsfähige Almwirtschaft, Almdüngung. – FUST-Position 10; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 4 Seiten.

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Naturschutz durch nachhaltige Nutzung
Naturschutz durch Naturnutzung – geht das?


Positive Entwicklung

Naturnutzung Wald WildNaturschutz und Naturnutzung waren im gesellschaftlichen Verständnis lange Zeit starke Gegensätze. Vor 10 Jahren war es auf offizieller internationaler Ebene neu, dass zwischen Naturschutz und Naturnutzung durch den Menschen kein grundsätzlicher Gegensatz besteht. Auch heute wird natürlich nicht jede Form der Nutzung automatisch als Beitrag zum Naturschutz anerkannt. Die Nutzung muss auf „nachhaltige“ Weise erfolgen. Der Verständniswandel wurde 1992 bei der Weltumweltkonferenz der UNO in Rio offiziell eingeleitet. Die Weltnaturschutzunion IUCN stellte im Jahr 2000 in ihrer Grundsatzerklärung von Amman in prägnanter Weise nochmals ganz klar: „Die Nutzung wildlebender Ressourcen stellt, soweit sie nachhaltig erfolgt, ein wichtiges Instrument zur Erhaltung der Natur dar, da die durch eine solche Nutzung erzielten sozialen und wirtschaftlichen Vorteile dem Menschen Anreize geben, diese zu erhalten.“ Am Weltnaturschutzgipfel 2002 in Johannesburg wurde dieses die Nutzung einschließende Naturschutzverständnis abermals bestätigt. Ebenso beim Weltkongress in Kuala Lumpur (UNEP 2004).

Jede Form der Nutzung natürlicher Ressourcen (Pflanzen, Tiere, Lebensräume) kann somit bei Wahrung der „Nachhaltigkeit“ Teil eines großen gesellschaftlichen Naturschutz- und Entwicklungskonzeptes werden. Es wurde weltweit klar, dass die langfristige Erhaltung der Biodiversität am besten durch nachhaltige Nutzung und nicht durch generellen Nutzungsverzicht gewährleistet ist. Dies trifft zum Beispiel auch auf die Nutzung von Waldpflanzen und Wildtieren durch Forstwirtschaft und Jagd zu. Diese Form der Nutzung setzt Lebensraumschutz für Pflanzen und Tiere voraus - nur in intakten Lebensräumen können vitale Populationen auf Dauer bestehen. Dafür sind aber nicht nur Forstleute und Jäger, sondern alle Interessengruppen, die im Wald und in Wildlebensräumen ihre Spuren hinterlassen, mitverantwortlich. Es erfordert also eine ganzheitliche Sicht, die bereits bei Kindern und Jugendlichen in den Familien (an speziellen Familientagen), im Kindergarten und in der Volksschule durch aktives Lernen draußen in der Natur gefördert werden muss. Dies wird als notwendige Ergänzung zur künstlichen Welt am Computer gesehen.

Nachhaltigkeit als Forderung des Menschen

Naturschutzorganisationen stellen fest, dass das Schlagwort „nachhaltige Nutzung“ teilweise zur Rechtfertigung von nicht nachhaltigen Tätigkeiten verwendet wird. Dabei taucht der Vorwurf des „Etikettenschwindels“ auf. Die Diskussionen um die Nachhaltigkeit machen deutlich, dass die konkrete Bedeutung dieses Begriffes nicht von vornherein klar ist, sondern dass im gesellschaftlichen Kontext erst definiert werden muss, was man darunter verstehen will. Es gibt kein Naturgesetz, aus dem man Nachhaltigkeit ableiten könnte. Deshalb wird nun in den verschiedenen Nutzergruppen versucht, Prinzipien, Kriterien und Indikatoren festzulegen, die den Grad der Nachhaltigkeit in ökologischer, ökonomischer und sozio-kultureller Hinsicht messbar machen. Dies erfolgte zum Beispiel auch für die Jagd (www.biodiv.at/chm/jagd).

Eine überwiegende Anzahl von Menschen antwortet allerdings auf die Frage, welcher der beiden Begriffe „Nachhaltigkeit“ oder „Nutzung“ denn der Natur näher stünde, spontan mit: „Die Nachhaltigkeit“. Nachhaltigkeit ist somit stärker mit „natürlich“ besetzt, Nutzung hingegen generell eher negativ mit „unnatürlich“. Dieser Irrtum dürfte die Nachwirkung einer Jahrzehnte langen sehr nutzungskritischen bis nutzungsfeindlichen Bildung sein, als verständliche aber überzogene Gegenbewegung zu einer vielerorts bedenkenlosen „Übernutzung“ von natürlichen Ressourcen durch den Menschen.

Nachhaltigkeit und letztlich auch Naturschutz sind aber keine Naturprinzipien, sondern auf den Menschen bezogene anthropozentrische Konzepte. Sie sind primär auf die absehbaren Bedürfnisse zukünftiger Menschengenerationen zugeschnitten. Nachhaltigkeit, wie sie der Mensch anstrebt, findet man im Naturgeschehen kaum. Das einzig wirklich Nachhaltige in der Natur ist ihre Veränderung. Nichts kommt so wieder wie es einmal war. Ständig gibt es neue Gewinner und neue Verlierer unter den Arten.

Zu den großen Gewinnern der letzten Jahrtausende gehört zweifellos der Mensch. Es ist verständlich, dass er und andere Gewinner aus dem Pflanzen- und Tierreich sich eine Umweltsituation längerfristig bzw. nachhaltig erhalten wollen, die ihnen den Gewinnerstatus kontinuierlich und auf Dauer ermöglicht. Dies ist im Grunde ein ständiges Arbeiten gegen natürliche Veränderungen. Bei der notwendigen Pflege von Gärten wird das zum Beispiel sehr deutlich. Eine auf überschaubarer Fläche alljährlich weitgehend gleichbleibende Nutzungsmenge und -qualität, ein erklärtes Ziel der Land- und Forstwirtschaft, also kurzfristige und kleinflächige Nachhaltigkeit, können sogar sehr unnatürlich, aber dennoch vom Menschen sehr erwünscht sein. Dies trifft auch auf die jagdliche Nutzung zu. Wildtierbestände unterliegen von Natur aus meist viel größeren räumlichen und zeitlichen Schwankungen als dem Jäger lieb ist.

Nutzung als Grundprinzip der Natur

Nutzung hingegen ist - auch ohne Einbeziehung der menschlichen Nutzung - ein ganz zentrales Grundprinzip der Natur. Ohne Nutzung könnten die natürlichen Prozesse nicht ablaufen, an denen sich auch der Naturschutz orientiert. Nutzung, sowohl in konsumtiver als auch in nicht konsumtiver Form, ist der Motor vieler dynamischer Abläufe in Naturgeschehen. Jedes Lebewesen lebt von der Nutzung und Benutzung natürlicher Ressourcen, sei es zum Schutz vor Feinden oder Klimaeinflüssen, zum Spiel, zum Nestbau und selbstverständlich zur Nahrung (Primärproduktion der Pflanzen, Nahrungsketten über Pflanzen- und Fleischfresser bis hin zu den Reduzenten, die die organische Substanz wieder abbauen). Alle Glieder der Lebensgemeinschaften, der Mensch eingeschlossen, stehen von Natur aus in ständigen Nutzungsabhängigkeiten zueinander.

Während also der Begriff „Nutzung“ eng mit der ganzen Natur verbunden ist, ist der Begriff Nachhaltigkeit auf den Menschen und seine Bedürfnisse bezogen. Beide Begriffe sind wichtig, keiner davon minderwertiger. Den Blick auf die Realität verstellende Ideologien, daraus entstehende Missverständnisse und Feindbildpflege zwischen „Schützern“ und „Nutzern“ der Natur können Probleme sicherlich nicht lösen und sollten der Vergangenheit angehören. Insbesondere bei der Ausbildung der Jugend und der sie ausbildenden Lehrer sollte dies beachtet werden. Als Voraussetzung für Lernen in der Natur braucht es geeignete land-, forst- und jagdwirtschaftliche Betriebe, in die Lehrer und Schüler eingeladen und kompetent geführt werden. Dafür sollen Natur-, Wald- und Wildpädagogen ausgebildet werden, die den „Mehrwert“ der nachhaltigen Nutzung für den Menschen und den Naturschutz gut vermitteln können, auch, dass Nachhaltigkeit eine Kultur des Teilens ist - zwischen Generationen und Interessengruppen.

positionen_04_2Nutzung ist grundsätzlich natürlich. Wenn sie den Nachhaltigkeitskriterien entspricht, entstehen für Mensch und Lebensraum auf Dauer positive Auswirkungen und gleichzeitig wird diese Nutzung dann von der Gesellschaft als aktiver Beitrag zum Naturschutz anerkannt.

Erlebnis und Beute

Nachhaltige Nutzung wurde als wichtige Säule auch des Naturschutzes erkannt. Eine Wiederentdeckung traditioneller Konzepte? Nutzung ist grundsätzlich natürlich. Dies trifft auch auf die Jagd zu. Wenn sie den Nachhaltigkeitskriterien entspricht, entstehen für Mensch und Lebensraum auf Dauer positive Auswirkungen und gleichzeitig wird diese Nutzungsform dann von der Gesellschaft als aktiver Beitrag zum Naturschutz anerkannt.

Für den FUST-Tirol:

  • Landtagsvizepräsident Anton STEIXNER, Vorsitzender;
  • Univ. Prof. DI Dr. Edwin DONAUBAUER, Univ. für Bodenkultur, Mitglied des Lenkungsausschusses.
  • Univ. Prof. DI Dr. Friedrich REIMOSER, Forsch.-Inst. f. Wildtierkunde u. Ökologie d. Veterinärmed. Univ. Wien, Projektkoordinator.

Fotos: F. Reimoser

Zitierweise:

FUST-Tirol (2004): Naturschutz durch nachhaltige Nutzung. Naturschutz durch Naturnutzung – geht das? – FUST-Position 4; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 5 Seiten.

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Kooperation Forst-Jagd
Wald und Wild – Harmonie oder Gegensatz?


Forst und Jagd – Kooperation oder Konkurrenz?

positionen_03_1Die von Forstseite als mangelhaft kritisierte Wildbestandesregulierung durch die Jäger sowie die von Jagdseite als wenig objektiv gesehenen Toleranzgrenzen bei der Beurteilung von Wildschäden werden oft heftig diskutiert. Einseitige Schuldzuweisungen verhindern den Blick auf kooperativen Lösungen. Bestehende „Wald-Wild-Probleme“ sind in ihrer Wurzel ein „Mensch-Mensch-Problem“. In einer verbesserten Kooperation zwischen Forstwirtschaft und Jagd besteht ein großes, bisher zu wenig genutztes Potenzial zur Problemlösung. Dies setzt ein erweitertes Selbstverständnis von Forst und Jagd voraus.

Ausgangslage

Aus ökosystemarem Blickwinkel gehören zum Wald nicht nur Bäume, sondern gleichermaßen Pflanzen und Tiere. Forstleute und Jäger beeinflussen einander durch ihre Aktivitäten in diesem Ökosystem, ohne sich dabei ihrer Auswirkungen auf den jeweils Anderen immer bewußt zu sein. Bei der Lösung von forstlichen und jagdlichen Problemen sind beide Seiten aber maßgeblich voneinander abhängig. Dies betrifft vor allem die Vermeidung von Verbiß- und Schälschäden an der Waldvegetation, die Gestaltung der Habitatqualität von Wildtieren und die Bejagbarkeit des Wildes. Besondere Berührungspunkte ergeben sich bei den sogenannten forstlichen Problemarten wie Hirsch, Reh und Gams, aber auch bei den Waldhühnern, die in ihrem Vorkommen stark von forstlichen Maßnahmen abhängen.

Vor allem die von Forstseite als mangelhaft kritisierte Wildbestandesregulierung und jagdmethodische Unflexibilität der Jäger sowie die von Jagdseite oft als wenig objektiv gesehenen Toleranzgrenzen bei der Beurteilung von Wildschäden und die hohe Wildschadenanfälligkeit des Waldes aufgrund forstlicher Maßnahmen sind Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Einseitige Schuldzuweisungen und Feindbildpflege verstellen oft den Blick auf mögliche kooperative Lösungen.

Eine wesentliche Wurzel dieses Spannungsfeldes liegt im mangelnden Verständnis der komplexen Problemzusammenhänge und im oft schwachen Vertrauen zur „Gegenseite“. Weiters besteht eine grundsätzliche „Konkurrenz“ um Waldbäume, die einerseits für die Sicherung der Holzproduktion sowie der Schutz- Wohlfahrts- und Erholungswirkung des Waldes erforderlich sind, andererseits aber auch als natürliche Nahrung der großen Pflanzenfresser dienen, deren Bestandeshöhe den Jagdwert meist entscheidend mitbestimmt. Selbst Grundeigentümer, die sowohl forstliche als auch jagdliche Ziele und Maßnahmen aus einer Hand steuern können, haben nicht selten Schwierigkeiten, aus diesem Zielkonflikt heraus zu harmonischen Lösungen zu kommen, insbesondere in Gebieten, die nur wenig Ertrag aus der Holzproduktion ermöglichen.

Wichtige Zusammenhänge beachten

Der Vergleich zahlreicher Fallstudien zeigt sehr unterschiedliche Auswirkungen des Schalenwildes auf die Waldverjüngungsdynamik. Je nach Waldgesellschaft (Baumartenzusammensetzung, Verjüngungspotenzial, Bodengüte), forstlicher Waldbehandlung und je nach Wildart, -dichte und -verteilung ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen der Wildtiere auf die Waldstruktur. Umgekehrt wirkt sich die Waldstruktur auf die Wildtiere aus. Die Tiere können Schäden bewirken und andererseits selbst in Mangelsituationen geraten. Auch positive Einwirkungen der Wildtiere auf die Waldvegetation konnten unter günstigen Voraussetzungen nachgewiesen werden.

Außer von der Wilddichte hängen die Auswirkungen des Schalenwildes (Verbiss, Fegen, Schälen, Tritteinwirkung auf Boden und Pflanzen, Nährstoffumverteilung - Kot) entscheidend von den standörtlichen Voraussetzungen, der Struktur des Altbestandes, den waldbaulichen Maßnahmen und dem Verjüngungsziel ab. Die Beachtung dieser Zusammenhänge ist die Voraussetzung für eine effizientere Berücksichtigung des Standortfaktors Schalenwild bei der Planung waldbaulicher und jagdlicher Maßnahmen. Die Frage der Habitatgestaltung erlangt auch durch die vielerorts einsetzende Umwandlung von wind-, schnee- oder insektengeschädigten Sekundärwäldern in naturnähere Waldformen aktuelle Bedeutung, weil sich während des Waldumbaues die Verbissschadensproblematik meist stark verschärft. Das Problemfeld ist über die forstliche und jagdliche Relevanz hinaus auch von großem Interesse für den Natur- und Umweltschutz.

Ziele und Maßnahmen besser abstimmen

Statt konkurrierender Ziele zwischen Forstwirtschaft und Jagd, die zwangsläufig Probleme schaffen, sollten im Zuge einer verbesserten Kooperation und einer ganzheitlicheren Sicht harmonische Ziele entwickelt werden, die Synergismen zwischen den Interessengruppen ermöglichen. Diesbezüglich besteht ein großes, bisher ungenutztes Potenzial. Durch Zielharmonisierung kann auch den forst- und jagdgesetzlichen Bestimmungen sowie den internationalen Konventionen (Alpenkonvention, Nachhaltigkeitskriterien etc.) besser Rechnung getragen werden. Die Voraussetzungen für diese Harmonisierung müssen in drei Bereichen geschaffen werden: (i) Sozio-Kultur: Schaffung von Verständnis und Vertrauen, Abbau problemverschärfender Traditionen; (ii) Ökologie: Steuerung der Habitatqualität, Minderung der Wildschadenanfälligkeit des Waldes, effiziente Bejagungsmethoden etc.; und (iii) Ökonomie: Verbesserung finanzieller Werte, Vermeidung von Wertverlusten, Gesamtrechnung Forst-Jagd etc.

Kooperation als Voraussetzung für Lösungen

Als Kooperationsebenen zwischen Forst- und Jagdseite sind in räumlicher Hinsicht Revier, Betrieb, Hegegemeinschaft, Land und Bund möglich, wobei eventuelle kompetenzrechtliche Probleme abgebaut werden sollten. Im Hinblick auf die Akteure sind es die Ebenen Jagdausübungsberechtigte – Grundeigentümer oder/und Jägerschaft – Forstbehörde.

Kooperation kann einerseits durch Unterlassungen (Rücksichtnahmen) und andererseits durch aktive Maßnahmen von beiden Seiten erfolgen. Wichtig ist dabei vor allem die Festlegung und räumlich-zeitliche Abstimmung von Zielen (klare Ziele, Offenheit, Prioritätensetzung), weiters die inhaltliche, räumliche und zeitliche Abstimmung von Maßnahmen in den Bereichen Waldbau, Erschießung, Jagdstrategie und Fütterung, sowie der Blick auf eine gemeinsame Nachhaltigkeit („Gesamtnachhaltigkeit“ entsprechend UNO-Summit 2002 in Johannesburg). Auch die Abstimmung der örtlich zu erfüllenden Aufgaben mit der Qualifikation der Akteure (z. B. Pächter) und dem Pachtpreis (Akzeptanz beider Seiten; Jäger als Partner/Kunde) können für den Erfolg entscheidend sein.

Der „Organisation“ der Kooperation (regional; politisch) kommt wesentliche Bedeutung zu. Wichtig sind eine entsprechende Kommunikationsstruktur (Kommunikationseinrichtungen), Schulung (Aus- und Weiterbildung), Kooperation nach innen (im Bereich Forst – Jagd), Kooperation gegenüber Dritten (z. B. Tourismus, Naturschutz), sowie Öffentlichkeitsarbeit.

Mögliche Kooperationsinhalte

Wenn es z. B. um die Vermeidung von Wildschäden am Wald bei möglichst geringer Beeinträchtigung des Jagdwertes geht, sollte von jagdlicher Seite die Arealabgrenzung für die einzelnen Wildarten, Abschußhöhe, Jagdtechnik, jahreszeitliche Abschußverteilung (Intervalljagd etc.) und räumliche Abschußverteilung (Schwerpunktbejagung etc.) mit forstlichen Anliegen koordiniert werden. Ebenso sollten Ort und Art der Wildfütterung, jagdliche Biotopverbesserung (Wildwiesen, Wildäcker, Verbißflächen etc.), Ruhegebiete, sowie die Einteilung der Jagdgebiete (Grenzziehung, den Aufgaben entsprechende Personalzuteilung etc.) abgestimmt werden.

Von forstlicher Seite sollte grundsätzlich die Strategie verfolgt werden, den hohen nahrungsunabhängigen Besiedlungsanreiz, wie er durch den unnatürlich günstigen Feind- und Klimaschutz in standortwidrigen Fichten-Monokulturen entsteht, zu reduzieren und gleichzeitig das natürliche Nahrungsangebot zu verbessern (vor allem im Herbst und Winter). Dies erfordert eine Umstellung des Waldbaues von sekundären Fichten-Reinbeständen auf standortgemäße Mischwaldbestände, sowie in bereits vorhandenen wintergrünen Nadelholzbeständen eine frühzeitige Dickungspflege und Durchforstung. Folgende waldbauliche Maßnahmen können das Risiko von Wildschäden maßgeblich vermindern:

  • Auflockerung des Kronendaches dichter Waldbestände ab dem Dickungsstadium (weniger Klima- und Feindschutz, mehr Nahrungsangebot, früherzeitig gröbere, weniger schäl-attraktive Borke).
  • Förderung von Mischwald anstelle von künstlichen wintergrünen Reinbeständen (weniger Klimaschutz, mehr Nahrung durch Blattfall im Herbst, Mastjahre etc.)
  • Statt Aufforstung Förderung der natürlichen Waldverjüngung (größerflächig natürliches „Überschußangebot“ an Jungbäumen, das ohne Schadensfolgen vom Wild genutzt werden kann).
  • Möglichst Belassung oder Förderung von Sträuchern und Verbissbaumarten („Ablenkäsung“).
  • Vermeidung optisch auffälliger Waldbestandesgrenzen, wie sie vor allem durch kahlschlagbedingte Steilränder entstehen (weniger Besiedlungsanreiz für Schalenwild – geringere Wilddichten).
  • Langfristige Vorbereitung bzw. längere Belassung größerer, nicht durch Schläge fragmentierter Baumholzkomplexe, in denen Rotwild ohne großes Schäl- und Verbißschadensrisiko im Winter gefüttert werden kann (falls Winterfütterung erforderlich ist).

Diese Maßnahmen lassen sich am besten und ökonomisch zweckmäßigsten in einem kahlschlagfreien oder zumindest kahlschlagarmen Naturverjüngungsbetrieb realisieren. Für günstige Bejagungsmöglichkeiten sollte gesorgt werden (Schußschneisen an jagdstrategisch günstigen Standorten etc.). Entscheidend ist dabei, daß die Maßnahmen großräumig erfolgen und mit jagdlichen sowie landschaftsplanerischen Maßnahmen räumlich und zeitlich gut koordiniert werden (Wildökologische Raumplanung). Anderenfalls kommt es meist nur zu einer Problemverschiebung, aber nicht zu einer nachhaltigen Problemlösung. Es gilt also, für das Wild ausreichend große zusammenhängende Lebensräume mit geringer Wildschadenanfälligkeit in der Kulturlandschaft zu erhalten und wiederherzustellen, wo auch Schalenwild möglichst schadensfrei integriert bzw. wo es ohne großes Wildschadensrisiko über den Winter gebracht werden kann.

Wo Schalenwild in der Kulturlandschaft nachhaltig erhalten werden soll, ist eine gute integrale Wildschadensprophylaxe unter verstärkter Einbeziehung forstlicher Maßnahmen auf Dauer nicht ersetzbar. Ledigliche Symptombekämpfung (diverse Schutzmaßnahmen) oder Sanierungsprogramme für geschädigte Wälder (Schnellwuchsbetrieb, Bestandesumwandlung etc.) sind unbefriedigend. Präventive Maßnahmen sind in der Regel auch ökonomisch wesentlich günstiger als nachträgliche Sanierungsmaßnahmen.

Im übergeordneten, gesellschaftlichen Interesse geht es insbesondere um die Berücksichtigung folgender Fragen: Wie können konkurrierende Ziele der Landschaftsnutzung harmonisiert und Wildtiere in die Kulturlandschaft integriert werden, ohne dass es zu untragbaren Wildschäden kommt? Wie kann eine nachhaltige Nutzung von Wildtierpopulationen gewährleistet werden? Wie können Maßnahmen in Schutzgebieten (Nationalparke, Natura 2000, Schutzwaldsanierungsgebiete etc.) mit den Maßnahmen im wildökologisch relevantem Umfeld außerhalb dieser Gebiete zweckmäßig abgestimmt werden? Wie können durch den Menschen isolierte Wildtierpopulationen wieder vernetzt werden? Als Abstimmungsinstrument bietet sich die Wildökologische Raumplanung an.

Objektive Erfolgskontrolle schafft Akzeptanz

Der Festlegung klarer und objektiv überprüfbarer forstlicher und jagdlicher Ziele und der Einhaltung von Belastungsgrenzen (z. B. Verbiss- und Schälbelastungen an der Vegetation, Wildstandsreduzierung, Bejagungsformen) kommt wesentliche Bedeutung zu. Objektive Monitoringsysteme (z. B. Kontrollzäune, Abschußkontrolle), die einen eindeutigen SOLL-IST-Vergleich ermöglichen, sind Voraussetzung für eine objektive Erfolgskontrolle und die Akzeptanz der Maßnahmen.

Positive Beispiele

Beispiele für die aktive Berücksichtigung von Wildtieren und deren Bejagung sind zwar noch nicht zahlreich vorhanden, können aber bereits in allen Ländern gefunden werden. Von manchen Forstbetrieben wurden zum Beispiel aufbauend auf die Wirtschaftsplandaten Biotopeignungskarten für Schalenwildarten oder/und Rauhfußhühner erstellt. Die Überwachung der Habitatqualität dient den Betrieben als Grundlage für die Entwicklungsprognose über die Verbreitung der Arten und die Entstehung von Flächen mit erhöhter Wildschadenanfälligkeit, sowie für die Ableitung präventiver und kurativer Maßnahmen zur Habitatgestaltung und Wildschadensvermeidung. Erforderliche Parameter für die Habitatbeurteilung werden meist im Zuge der Wirtschaftsplanerstellung miterhoben. Dadurch sind ein regelmäßiges Monitoring, Erfolgskontrolle und eine ständige adaptive Maßnahmenoptimierung möglich.

Fazit

In einer verbesserten Kooperation zwischen Forstwirtschaft und Jagd besteht ein großes, bisher zu wenig genutztes Potenzial zur Lösung von „Wald-Wild-Problemen“. Dies setzt ein erweitertes Selbstverständnis von Forst und Jagd voraus. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse erscheint es sowohl aus ökologischem als auch aus ökonomischem Blickwinkel notwendig, den Standortfaktor „Wild“, insbesonders das Schalenwild, in Zukunft bei forstlichen Zielen und der Auswahl von waldbaulichen Maßnahmen wesentlich stärker zu berücksichtigen. Für die Lebensräume der großen Pflanzenfresser sollte die Wildschadensprophylaxe schon allein im Eigeninteresse der Forstwirtschaft ebenso selbstverständlich werden wie z. B. die forstliche Prävention hinsichtlich der Standortfaktoren Wind, Schnee und Insekten. Wenn sich die Forstwirtschaft ihrer bisher unterschätzten Rolle als Mitverursacher von Wildschäden stärker bewußt wird und aktiv schadensmindernde Maßnahmen setzt, dann werden auch die vielerorts zusätzlich notwendigen Maßnahmen seitens Jagd, Tourismus etc. rascher und effizienter zum Erfolg beitragen können. Von jagdlicher Seite kommt einer räumlich und zeitlich wesentlich flexibleren Abschußdurchführung und zweckmäßigeren Hegemaßnahmen, beides mit verstärkter Abstimmung auf forstliche Erfordernisse, eine entscheidende Bedeutung zu. Im Interesse der Lösung bestehender „Wald-Wild-Probleme“, die in ihrer Wurzel ein „Mensch-Mensch-Problem“ sind, sollte es statt Lippenbekenntnissen zu einer stärkeren aktiven Zusammenarbeit von Forstwirtschaft und Jagd kommen, mit effizienten Problemlösungsbeiträgen von beiden Seiten. Grundlage dafür müssen eine entsprechend umfassende Aus- und Weiterbildung von Jägern und Forstleuten sowie die Schaffung geeigneter Kooperationsplattformen auf verschiedenen Ebenen (Betriebe, Interessenvertretungen, Behörde) sein. In einer integralen wildökologischen Raumplanung kann die Abstimmung der Maßnahmen systematisch erfolgen. Waldwirtschaftspläne sollten in Hinkunft auch Grundzüge der forstlichen Wildschadensvorbeugung mit berücksichtigen.

Schuss-Schneise in schwierig bejagbarem Bergwald
Schuss-Schneise in schwierig bejagbarem Bergwald

In der besseren räumlichen und zeitlichen Abstimmung von forstlichen und jagdlichen Zielen und Maßnahmen liegt ein großes, ungenutztes Erfolgspotential für die Lösung von „Wald-Wild-Problemen“. Dies setzt ein erweitertes Selbstverständnis von Forst und Jagd voraus.

 


Für den FUST-Tirol:

  • Landtagsvizepräsident Anton STEIXNER, Vorsitzender;
  • Univ. Prof. DI Dr. Edwin DONAUBAUER, Vorsitzender des Fachlichen Lenkungsausschusses.
  • Univ. Prof. DI Dr. Friedrich REIMOSER, Forsch.-Inst. f. Wildtierkunde u. Ökologie d. Veterinärmed. Univ. Wien, Projektkoordinator.

Fotos: F. Reimoser

Zitierweise:

FUST-Tirol (2003): Kooperation Forst – Wald und Wild – Harmonie oder Gegensatz? – FUST-Position 3; Forschungs- und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 7 Seiten.

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