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Winterfütterung von Rot- und Rehwild


Eine Wildtierfütterung ist nur dann fachlich vertretbar, wenn sie positive Folgewirkungen ausweist, die den Anforderungen der Nachhaltigkeit entsprechen.Pro und Kontra der Wildtierfütterung werden in Europa nicht nur in Jägerkreisen diskutiert. Auch von Biologen und Jagdkritikern wird der Sinn der Fütterung einiger weniger Wildtierarten immer öfter in Frage gestellt. Plausible Begründungen werden verlangt: Bei welchen Wildarten und wo ist eine winterliche Fütterung vertretbar? Wann zweckmäßig oder gar erforderlich? Die Antwort ist in erster Linie von den regionalen naturräumlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie von den jeweiligen Motiven und Zielen der lokalen Grundbesitzer und Jäger abhängig. Grundsätzlich gilt bei fachgerechter Durchführung: Fütterung reduziert die Sterblichkeit in der Wildpopulation, erhöht deren Zuwachs und beeinflusst die Raumnutzung des Wildes.

Pflanzenfresser sind von Natur aus auf natürliche Nahrungs-Engpässe („Notzeiten“) eingestellt - nicht nur das im Regelfall ungefütterte Gamswild. Dennoch gibt es im Rahmen einiger jagdgesetzlicher Fütterungs-Bestimmungen als Begründung den missverständlichen Begriff „Notzeit“. Aus dem Blickwinkel des Tierschutzes sind allenfalls menschlich verschärfte Nahrungs-Engpässe ins Treffen zu führen, die man durch Fütterung auszugleichen versucht. Aus dem Blickwinkel des „Waldschutzes“ hingegen ist eine Wildfütterung und damit eine Lenkung dieser problematischen Wildtierarten weg von schadenssensiblen Standorten aus ökologischen Gründen bedeutsam.

Zur Überwinterung von Reh- und Rotwild (Fütterung bzw. Nicht-Fütterung) bestehen in Mitteleuropa sehr unterschiedliche gesetzliche Vorgaben. Auch in Österreich gewähren die Landesjagdgesetze erheblichen Spielraum, sodass Ausmaß und Intensität der Fütterung verschieden sein können. Dieser gesetzliche Freiraum erlaubt eine Wildbewirtschaftung auf unterschiedlichem „Nachhaltigkeits-Niveau“ und eine flexible Anpassung der Hege an unterschiedliche Zielsetzungen und an sich ändernde Rahmenbedingungen.

Eine generelle Fütterungsverpflichtung oder ein generelles Fütterungsverbot allerdings sind unflexibel und würden im Grundeigentümer-Reviersystem mitteleuropäischer Prägung auch das Eigentumsrecht erheblich einschränken, weil hier die Jagd Teil der Land- und Forstwirtschaft ist und traditionell als Jagdwirtschaft betrieben wird. Somit besteht ein erheblicher Unterschied zu einer lediglich „aneignenden Nutzungsform“ weitgehend ohne Fütterung, wie sie in anderen Jagdsystemen zur Tradition geworden ist (z.B. in der Schweiz im Kanton Graubünden).

Grundsatzfragen zur Winterfütterung

Aus der Skepsis gegenüber menschlichen Eingriffen in unsere Wildtierpopulationen wird aus jagdkritischer Sicht immer häufiger die Frage gestellt: Ist es wünschenswert, dass wild lebende Tiere vom Menschen durch Fütterung abhängig gemacht werden, wenn die Art auch ohne Fütterung überleben kann? Umgekehrt ist kritisch zu hinterfragen: Wo kann und will der Mensch in der Zivilisationslandschaft Mitteleuropas mit ungelenktem Wild leben und auf die Fütterung als Lenkungsinstrument verzichten? Denn die Wildtiere leben in unserer Kulturlandschaft ohnehin in voller Abhängigkeit von der menschlichen Landnutzung. So hat z.B. Rodung zu einer verringerten Bewaldung geführt und wurde im Wald vielerorts das Angebot an Straucharten und Pioniergehölzen verringert, wodurch sich die Pflanzenfresser auf forstlich bedeutsamere Baumarten verlagert haben. Auch die Motivation und Begründung für die Winterfütterung hat sich im Laufe der letzten etwa drei Jahrhunderte in Mitteleuropa stark gewandelt. Die Meinungen pro und contra Fütterung können je nach Blickwinkel höchst unterschiedlich ausfallen, weil in Abhängigkeit von den Interessen, Einstellungen und Ideologien sowie vom jeweiligen Betrachtungszeitraum unterschiedliche Aspekte wichtig erscheinen und in den Vordergrund gerückt werden.

Zu den oben genannten Fragen müssen situationsgerechte und ehrliche Antworten gefunden werden, die glaubwürdig zu vertreten sind. Fällt die Entscheidung zugunsten der Fütterung, muss diese fachkundig durchgeführt werden, denn Füttern mit mangelhaftem Fachwissen ist fahrlässig: Fütterungsfehler verursachen erhebliche Leiden für das Wild und Schäden am Lebensraum. Und es besteht auch die Gefahr, gegen rechtliche Vorgaben im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit zu verstoßen. Deshalb muss gelten: Statt uninformiert und damit womöglich fehlerhaft oder halbherzig zu füttern, ist es besser, gar nicht zu füttern.

Bei einer Entscheidung für die Fütterung ist sicherzustellen, dass die in der Folge höheren Abschuss-Erfordernisse tatsächlich bewältigt werden können. Ansonsten hat die Futtervorlage eine Zunahme der Wilddichte zur Folge und steigert dadurch die Wildschadensgefahr.

Bei einer Entscheidung gegen die Fütterung sind in der Kulturlandschaft die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die dem Wild eine ungestörte Überwinterung in geeigneten Lebensräumen ermöglichen, in denen das natürliche Nahrungsangebot bei tragbaren Schäden genutzt werden kann und wo auch die menschliche Rücksichtnahme und Schadenstoleranz langfristig sicher gestellt sind.

Kleine Fehler – große Wirkungen

Die Empfindlichkeit des Verdauungssystems von Wildwiederkäuern, ebenso die erhöhte Anfälligkeit vieler Wälder für Schäl- oder Verbissschäden sowie die verringerte Toleranz gegenüber Verbiss und Schälung auf Grund der hohen Anforderungen der Öffentlichkeit und der Eigentümer an den Wald stellen in unserer Kulturlandschaft enorm hohe Anforderungen auch an eine Hege mittels Fütterung. Wenn Fütterungsfehler nicht vermieden werden, wird die Wirkung der Wildfütterung sehr rasch kontraproduktiv und man löst damit Wildschäden aus. Auch die Gefahr der Ausbreitung von Wildkrankheiten steigt durch die fütterungsbedingt stärkeren Wildkonzentrationen. Die generell hohe Fehleranfälligkeit der Winterfütterung kann zu einem starken Argument gegen das Füttern werden, vor allem in empfindlichen Lebensräumen (karge Standorte mit wenig Waldverjüngung) und bei stärkeren Wildkonzentrationen (z.B. Rotwildrudel mit deutlich mehr als 50 Stück).

Fachkenntnisse, die für eine artgerechte und ökologisch vertretbare Wildtierfütterung unbedingt erforderlich sind (Themenbereiche):

  1. Verdauungsvorgänge beim Wildwiederkäuer (incl. fütterungsbedingte Verdauungsstörungen und Erkrankungen);
  2. Nahrungswahl, saisonaler Nahrungsbedarf, saisonale Raumnutzung des Wildes;
  3. Wechselwirkungen zwischen Wildwiederkäuer und Lebensraum (v.a. im Hinblick auf die regionalen Wildschadens-Risiken und auf die Konkurrenz zu anderen Tierarten);
  4. Eignung und Qualität von Futtermitteln (incl. Grundlagen der Futtermittelproduktion, der Futtermittelhygiene und der Vorlagetechnik);
  5. Gesetzliche Rahmenbedingungen für die Wildfütterung (vom Hegerecht und dessen Grenzen über die wildökologische Raumplanung bis hin zur Lebensmittelsicherheit beim Wildbret).

Wo füttern?

Vordergründig wird oft davon ausgegangen, dass eine Fütterung des Wildes vor allem in schneereichen Bergregionen zu rechtfertigen oder zu fordern sei, und dass sie in klimatisch günstigen Tieflagen am ehesten entbehrlich sei. Sofern allerdings die Wildschadens-Reduktion im Vordergrund steht, kann es in der Kulturlandschaft aber auch umgekehrt sein. In den klimatisch milderen Lebensräumen wurden Wälder großteils für die Landwirtschaft gerodet. Damit wurde die Differenz zwischen sommerlichem und winterlichem Nahrungsangebot stark erhöht. Während der Vegetationszeit gibt es auf Äckern und Wiesen für die Tiere einen unnatürlich reich gedeckten Tisch – das erlaubt hohe Zuwachsraten. Nach der Ernte und im Winter entzieht der Mensch den Pflanzenfressern hingegen diese Äsungsfülle und provoziert damit „künstliche“ Nahrungsengpässe und Raumnutzungsänderungen der Tiere. Dadurch kommt es in den Waldinseln solcher Landschaften zu einem starken saisonalen Anstieg der Wilddichte. Dies trifft insbesondere auf das Rehwild zu. Unter solchen Rahmenbedingungen lässt sich z.B. mittels Fütterung des Rehwildes außerhalb dieser Waldinseln eine erhebliche Verbiss-Entlastung erzielen, wenn gleichzeitig für entsprechende Deckungsmöglichkeiten abseits des Waldes gesorgt wird, z.B. mit gemischter Winterbegrünung, die auf Äckern sowohl Äsung als auch Deckung bietet.

Schneereiche Gebirgs-Standorte hingegen würden von den meisten Rehen von Natur aus im Winter verlassen werden. Erst im Frühjahr nach dem Austreiben der Bodenvegetation, wenn die Verbissgefahr an jungen Bäumen hier wieder wesentlich geringer wird, kommen die Tiere zurück. An solchen Gebirgsstandorten, vor allem wenn es sich um karge Standorte mit sehr langsamer Waldverjüngung handelt, sollte auf eine Winterfütterung aus Waldschutz-Gründen besser verzichtet werden. Wenn das Wild durch Winterfütterung in solchen Lagen gehalten wird, entsteht während der Übergangszeiten im Spätherbst und insbesondere im Spätwinter und Frühjahr durch die Anwesenheit der Tiere eine stark erhöhte Verbissgefahr für die Waldverjüngung, weil zu dieser Zeit andere Äsung kaum verfügbar ist. Wenn das Wild durch Futtervorlage an solchen Standorten „künstlich angebunden“ wird, steht es außerdem den Winter über in massiver Abhängigkeit vom Menschen. Selbst kurzfristige Unterbrechungen der Futtervorlage können unter solchen Rahmenbedingungen für die Tiere sehr nachteilig werden. Wesentlich günstiger wäre es, für das Wild geeignete und ungestörte Überwinterungs-Lebensräume zu erhalten oder wiederherzustellen (auch in tieferen Lagen), jahreszeitliche Wanderungen der Tiere wieder stärker zu ermöglichen und somit von der „technischen Krücke“ der Winterfütterung weniger abhängig zu werden.

Chance oder Risiko für den Lebensraum?

Verbeißen und Schälen ist für Pflanzenfresser nichts Unnatürliches. Die plausibel erscheinende Theorie einer erfolgreichen Winterfütterung lautet: „Was an der Fütterung an Nahrung aufgenommen wird, wird nicht gleichzeitig im Lebensraum weggeäst – deshalb leistet jede Fütterung einen gewissen Beitrag zur Wildschadensvermeidung.“ Diese Einschätzung wird allerdings nur unter folgenden fünf Voraussetzungen in der Praxis zutreffen:

  1. wenn der Fütterungsstandort und die Wintereinstände abseits von verbiss- oder schälgefährdeten Flächen liegen und wenn beim Rotwild eine revierübergreifende Abstimmung stattfindet. Ansonsten können durch das Zuziehen von Wild sogar erhöhte Wildschäden ausgelöst werden,
  2. wenn bei der Futtermittelwahl keinerlei Fehler gemacht werden;
  3. wenn alle zuziehenden Stücke jederzeit ausreichend Futter aufnehmen können (verfügbare Flächengröße, geeignete Vorlagetechnik, keine Unterbrechungen der Versorgung während der gesamten Fütterungsperiode);
  4. wenn es keine Störungen am Futterplatz, im Fütterungseinstand und im Bereich der Wechsel dazwischen gibt (auch keine jagdlichen!) – kein „Warteraum-Effekt“;
  5. wenn durch ausreichenden Abschuss ein entsprechender jagdlicher Ausgleich für verringerte Fallwildzahlen und für erhöhten Zuwachs jagdtechnisch möglich ist und in vollem Umfang erfolgt.

Es ist eine große Herausforderung die Einhaltung aller fünf genannten Voraussetzungen dauerhaft zu gewährleisten. Da selbst kleine Fehler im Bereich von größeren Wildansammlungen erhebliche Wildschäden provozieren können, reichen einige wenige „unvorhersehbare Vorfälle” oder Missgeschicke aus, um den Erfolg bezüglich Wildschadensvermeidung in kurzer Zeit zunichte zu machen. Das gilt vor allem im Bereich von Rotwild-Wintereinständen mit schälgefährdeten Waldbeständen (die über mehrere Jahrzehnte schälanfällig sind), ebenso für langsam wüchsige, karge Waldstandorte, auf denen schon eine geringe Verbissintensität sehr schädliche Auswirkungen auf die Waldverjüngung haben kann.

Größere Wildansammlungen über mehrere Monate hinweg sind auch in der Naturlandschaft nichts Ungewöhnliches. Je enger in der Kulturlandschaft allerdings die Verflechtung von Fütterungseinständen mit Nutztierweiden und –futterwiesen ist, desto größer ist auch die Gefahr der wechselseitigen Übertragung von Krankheiten oder Parasiten. Und angesichts des Klimawandels, oder z.B. bei Futtermittelankauf aus anderen Ländern, ist zusätzlich mit neuen Krankheitsrisiken zu rechnen.

Fazit

Die Berücksichtigung der genannten wildbiologischen, waldbaulichen, veterinärmedizinischen und jagdlichen Anforderungen ist für eine fachlich vertretbare Winterfütterung von Rot- und Rehwild unverzichtbar. Eine Wildtierfütterung ist nur dann fachlich vertretbar, wenn sie positive Folgewirkungen ausweist, die in den Indikatoren für nachhaltige Jagd erkennbar sind (Forstner et al. 2006, Österr. Agrarverlag, ISBN 10: 3-7040-2202-0 bzw. http://www.biodiv.at/chm/jagd). Dabei kommt es gleichermaßen auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit, den ökologischen, den ökonomischen und den sozio-kulturellen Bereich an. Eine Fütterungspraxis ist somit dann zukunftsfähig, wenn sie sich am Prüfstand einer kritischen Nachhaltigkeitsbetrachtung bewährt, die naturräumliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte ausgewogen berücksichtigt.


Für den FUST-Tirol:

  • Dr. Michl EBNER, FUST-Vorsitzender;
  • Dr. Friedrich VÖLK, Österreichische Bundesforste AG, Geschäftsfeld Jagd sowie FUST-Lenkungsausschuss

Univ. Prof. Dr. Friedrich REIMOSER, Forschungsinstitut für Wildtierkunde & Ökologie, Vet. Med. Univ. Wien; Projektkoordinator.

Fotos: FUST-Tirol

Zitierweise:

FUST-Tirol (2010): Winterfütterung von Rot- und Rehwild. – FUST-Position 8; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 6 Seiten.

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Schälschäden im Wald –
Grundsätze für Bewertung und Vorbeugung
Wildschäden: Prophylaxe statt Bewertungszoff?


positionen_05_1Manche Wildtierarten nutzen die Rinde von Waldbäumen in bestimmten Situationen als zusätzliche Nahrungsquelle. Der Forstwirtschaft entstehen durch diese „Baumschälungen“ beträchtliche Schäden. Bei steigender Tendenz sind in Österreich derzeit rund 278 Millionen Bäume durch Tiere geschält, das sind 7,9% der Gesamtstammzahl des Österreichischen Waldes (Österreichische Waldinventur, Bundesamt und Forschungszentrum für Wald, Wien, 2004). Besonders betroffen sind Fichtenbestände besserer Bonität auf submontanen und montanen Waldstandorten. Aber nicht jede Baumschälung bedeutet Schaden für den Waldbestand und nicht jede Stammverletzung stammt von Wildtieren. Eine sachkundige Bewertung und eine objektive Ursachenanalyse erleichtern die Durchführung effizienter Maßnahmen zur Schadensvermeidung.

Problematik

Die Verletzungen der Baumrinde durch Tiere (Schälen am Stamm oder Wurzelanlauf) werden überwiegend durch Rotwild, in manchen Gebieten auch durch andere Wildtiere (z.B. Mufflon, Steinwild, Sikawild, Hasen, Mäuse) oder Haustiere ( Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde) verursacht. Im Rahmen der Österreichischen Waldinventur werden seit mehreren Jahrzehnten geschälte Waldbäume erhoben, wobei aber eine Zuordnung zur verursachenden Tierart nicht möglich ist. Im konkreten Schaden- bzw. Bewertungsfall spielt diese Zuordnung jedoch eine entscheidende Rolle. Die Österreichische Waldinventur erhebt neben den Schälschäden auch andere Rindenverletzungen, die auf Steinschlag oder forstliche Aktivitäten wie Durchforstung, Einzelstammnutzung oder Holzrückung zurückgehen. Eine Unschärfe in der Zuordnung solcher Rindenverletzungen ist praktisch unvermeidbar. Gemäß Waldinventur machen die forstlich verursachten Rindenverletzungen zwar etwas weniger aus als die wildbedingten Schälschäden, liegen jedoch in derselben Größenordnung der betroffenen Stammzahl.

Nach den Erfordernissen der meisten Landesjagdgesetze sind Schälschäden innerhalb eines Jahres zu reklamieren, um Entschädigungsansprüche gegenüber dem Jagdausübungsberechtigten (z.B. Jagdpächter) geltend zu machen. Dies bedeutet, dass Schadensansprüche gestellt werden müssen lange bevor die ökonomischen Folgen am Waldbestand feststellbar sind. Denn diese Folgen treten erst im Laufe von Jahren und Jahrzehnten ein. Werden geschälte oder mechanisch verletzte Bäume kurz nach der Schälung geerntet (z.B. regelmäßige Durchforstung, Lichtung), wäre der wirtschaftliche Schaden minimal. Falls die Bäume jedoch wegen der Schälung vorzeitig geerntet werden müssen, können sich Zuwachsverluste ergeben. Es ist weiters zu beachten, dass die Schadensfolgen nach Rindenverletzungen am besten an Fichte (und Rotbuche) untersucht sind und daher die meisten Analogieschlüsse auf andere Baumarten überwiegend auf Meinungen bzw. Annahmen basieren.

Folgen von Rindenverletzungen

Verwundungen der Rinde ziehen Infektionen durch Fäulepilze nach sich, egal ob es sich um Schälschäden durch Wild oder andere Ursachen handelt. Die Fäule breitet sich von der Wunde zuerst sehr rasch aus, später nimmt der Fortschritt der Fäule in der Stammachse allmählich ab. So kann innerhalb von 4 bis 10 Jahren das gesamte Erdbloch (unterster, werttragender Stammabschnitt von 4 m Länge) erfasst sein. Der langjährige Durchschnitt der Fäuleausbreitung (über etwa 3 Jahrzehnte) liegt im Mittel unterschiedlicher Wirtschaftswaldgebiete im Alpenraum bei knapp 30 cm pro Jahr. Auf diesen Erkenntnissen baut die Schälschadensrichtlinie nach BINDER auf. Allerdings spielt nach neueren Untersuchungen die Größe der Wundfläche - ab ca. 100 cm2 - keine nennenswerte Rolle bei der Bestimmung des Schädigungsgrades.

Grundsätze der Bewertung

  • Unterscheidung der Ursachen: Bäume, die Rindenverletzungen nicht durch Wild sondern durch andere Ursachen (Holzrückung, Steinschlag, Weidevieh etc.) aufweisen, dürfen nicht als wildbedingte Schälschäden bewertet werden.
  • Bäume, die bereits als geschält bewertet worden sind, dürfen bei einer weiteren Schälung in Folgejahren nicht nochmals bewertet werden, da die Fäulefolgen bereits für die Zukunft bewertet worden sind ("fauler als faul kann ein Baum nicht werden").
  • Bäume, die eine in den Stamm aufsteigende Wurzelfäule aufweisen, dürfen ebenfalls nicht bewertet werden. Solche nicht von Rindenverletzungen des Stammes sondern von den Wurzeln ausgehende Stammfäulen können z.B. in Fichtenbeständen, die aus Erstaufforstungen ehemals landwirtschaftlich genutzter Flächen stammen, 100% der Baume betreffen. In anderen Beständen kann man sich an den lokalen Erfahrungen orientieren und solche Fäulen entsprechend in Abzug bringen. Je nach Bestandesalter variieren diese Wurzelfäuleprozente etwa zwischen 15 und 35%, was als Anhalt für die Anschätzung dienen kann. Ansonsten können standörtlich vergleichbare Betriebsergebnisse (Holzrücklass, Faulholzsortiment, Braunbloche etc.) zur Einschätzung des Wurzelfäuleanteils herangezogen werden.
  • Zur Bewertung werden in der Regel die Stammzahlen je Hektar des zu bewertenden Bestandes erhoben. Liegt die Stammzahl in dichten Beständen über den Stammzahl-Leitlinien der Österreichischen Waldinventur, ist die Anzahl der zu bewertenden Schälstämme entsprechend zu reduzieren oder ein entsprechend geringerer Schadenswert je Baum anzusetzen.
  • In der Bewertung von Schälschäden sollen/können zusätzlich zu den Aspekten der Landeskultur die waldbaulichen und betriebswirtschaftlichen Ziele der konkreten Schadensfläche berücksichtigt werden. Die Schälschäden sind selten gleichmäßig verteilt; sie sind vor allem in jüngeren Altersklassen konzentriert und in diesen oft in bestimmten Beständen oder bestimmten Bestandesteilen. Dies soll in der Bewertung begründet und entsprechend gewürdigt werden. Die Höhe des Schadens hängt stets vom Ziel des Geschädigten (Grundbesitzer, Unterlieger von Schutzwäldern etc.) ab, und davon, inwieweit die Folgen der Schälung die Zielerreichung bzw. das öffentliche Interesse (Sicherheit) beeinträchtigen. Deshalb erleichtert eine klare Definition der Zielvorgabe (z.B. Zielbaumarten, maximal toleriertes Schälprozent pro Jahr) eine konfliktfreie Beurteilung und Bewertung von Schälschäden.

Bewertungshilfen

In Österreich werden sehr unterschiedliche Vorgangsweisen bei der Bewertung von Schälschäden durch Wild angewendet, die häufig auf überholten Annahmen basieren. Für Fichte kann die auf umfangreichem Datenmaterial basierende BINDER-Tafel (Bundesamt und Forschungszentrum für Wald, Wien) unter Berücksichtigung der oben genannten Einschränkungen vor allem im Wirtschaftswald ohne Probleme angewendet werden. Für andere Baumarten gibt es bisher keine gleichwertigen Hilfstafeln; es besteht Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Bei Fichte kann diese Tafel auch für die Bewertung von Rindenverletzungen herangezogen werden, die nicht von Wildtieren verursacht worden sind.

Schadensursachen

Die Ursachen der Wildschäden in Mitteleuropa lassen sich grob in drei Gruppen gliedern:

  • Zersplitterung und Beunruhigung des Lebensraumes (Verkehrswege, Siedlungsbau, Tourismus, hoher Jagddruck),
  • Überhöhte Schalenwildbestände, ungünstige Wildverteilung sowie wildschadensfördernde Wildbewirtschaftung (ineffiziente Bejagungsstrategie, Fütterungsfehler etc.),
  • Wildschadenanfällige Wälder (fehlende Berücksichtigung des Standortfaktors Schalenwild bei der Waldbewirtschaftung).

Als primäre Ursache für das hohe Ausmaß der Schälschäden im Rotwildlebensraum der Ostalpen stellte sich in einer Analyse die hohe Schälanfälligkeit (Schäldisposition) der zahlreich vorkommenden Fichten-Monokulturen heraus (Völk, 1998). Diese dichten wintergrünen Nadelwälder bieten dem Rotwild zwar ideale Deckungsmöglichkeiten (Klimaschutz, Feindschutz), das Nahrungsangebot ist jedoch vorwiegend auf die Rinde beschränkt, die in derartigen Wäldern besonders leicht vom Stamm ablösbar ist. Bei hoher Schälanfälligkeit des Waldes können auch geringe Rotwilddichten gravierende Schäden bewirken. Deshalb sollte bei der Waldbewirtschaftung mehr Rücksicht auf die Wechselwirkung zwischen Waldstruktur, Habitatqualität für Rotwild und Risiko von Schälschäden genommen werden. Selbstverständlich kann das Problem durch jagdliche Fehler (z.B. falsche Bejagung, falsche Fütterung) oder touristische Störung und Abdrängung des Wildes in den Wald wesentlich verschärft werden.

Forstliche Maßnahmen zur Vorbeugung

Grundsätzlich sollte die Strategie verfolgt werden, den hohen nahrungsunabhängigen Besiedlungsanreiz, wie er durch den unnatürlich günstigen Feind- und Klimaschutz in Fichten-Monokulturen entsteht, zu reduzieren und gleichzeitig das natürliche Nahrungsangebot zu verbessern (vor allem im Herbst und Winter). Dies ist möglich durch eine Umstellung des Waldbaues von sekundären Fichten-Reinbeständen auf standortgemäße Mischwaldbestände (geringer Verbissdruck wichtig!), sowie in bereits vorhandenen wintergrünen Nadelholzbeständen durch eine frühzeitige Dickungspflege und Durchforstung. Falls Winterfütterung durchgeführt wird, sollte eine langfristige Vorbereitung bzw. längere Belassung größerer, nicht durch Schläge fragmentierter Baumholzkomplexe, in denen Rotwild ein bis drei Jahrzehnte ohne großes Schälrisiko im Winter gefüttert werden kann, erfolgen. Solche Konzepte werden in den FUST-Revieren (Österreichische Bundesforste AG) umgesetzt. Wichtig ist, dass die Maßnahmen großräumig geplant und mit jagdlichen sowie landschaftsplanerischen Maßnahmen räumlich und zeitlich gut koordiniert werden (Wildökologische Raumplanung). Anderenfalls kommt es meist nur zu einer Problemverschiebung, aber nicht zu einer nachhaltigen Problemlösung.

Dort, wo Rotwild in der Kulturlandschaft nachhaltig erhalten werden soll, ist eine gute integrale Wildschadensprophylaxe unter verstärkter Einbeziehung forstlicher Maßnahmen auf Dauer nicht ersetzbar. Ledigliche Symptombekämpfung (diverse Schälschutzmaßnahmen) oder Sanierungsprogramme für geschälte Wälder (Schnellwuchsbetrieb, Bestandesumwandlung etc.) sind unbefriedigend. Präventive Maßnahmen sind in der Regel auch ökonomisch wesentlich günstiger als nachträgliche Sanierungsmaßnahmen.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Schälschadensprobleme durch Rotwild nicht isoliert, sondern stets im Zusammenhang mit der Dichte der anderen im selben Gebiet vorkommenden Schalenwildarten gesehen werden sollten. Je geringer die Verbissbelastung der Waldvegetation ist und je mehr Gehölzvegetation dem Rotwild ganzjährig ohne Störung bei der Nahrungsaufnahme zur Verfügung steht, desto geringer ist in der Regel die Gefahr der Entstehung von Schälschäden. Dies trifft auch hinsichtlich Sommerschälung an Laubholz zu.

Grundsätzlich sollte die Strategie verfolgt werden, den hohen nahrungsunabhängigen Besiedlungsanreiz, wie er durch den unnatürlich günstigen Feind- und Klimaschutz in Fichten-Monokulturen entsteht, zu reduzieren und gleichzeitig das natürliche Nahrungsangebot zu verbessern (vor allem im Herbst und Winter). Dies ist möglich durch eine Umstellung des Waldbaues von sekundären Fichten-Reinbeständen auf standortgemäße Mischwaldbestände (geringer Verbissdruck wichtig!), sowie in bereits vorhandenen wintergrünen Nadelholzbeständen durch eine frühzeitige Dickungspflege und Durchforstung. Falls Winterfütterung durchgeführt wird, sollte eine langfristige Vorbereitung bzw. längere Belassung größerer, nicht durch Schläge fragmentierter Baumholzkomplexe, in denen Rotwild ein bis drei Jahrzehnte ohne großes Schälrisiko im Winter gefüttert werden kann, erfolgen. Solche Konzepte werden in den FUST-Revieren (Österreichische Bundesforste AG) umgesetzt. Wichtig ist, dass die Maßnahmen großräumig geplant und mit jagdlichen sowie landschaftsplanerischen Maßnahmen räumlich und zeitlich gut koordiniert werden (Wildökologische Raumplanung). Anderenfalls kommt es meist nur zu einer Problemverschiebung, aber nicht zu einer nachhaltigen Problemlösung.

Problematik im Kleinwald: Bei Kleinwaldbesitz sind die Voraussetzungen zur Realisierung großräumig erforderlicher Maßnahmen wesentlich ungünstiger als bei räumlich zusammenhängendem Großwaldbesitz. Kleinflächige Eigentumsstruktur und Rotwild-Kernzonen mit Überwinterungsgebieten sind deshalb meist schlecht verträglich.

Jagdliche Maßnahmen zur Schadensminderung und Vorbeugung

Eine regions- und standortbezogene Regulierung (Anpassung) des Wildbestandes unter Berücksichtigung der Biotopkapazität, vor allem des natürlichen Äsungsangebots und der Überwinterungsmöglichkeiten ist unerlässlich (Wildbestände dürfen nicht zu hoch werden; nicht jedes Gebiet eignet sich als Rotwildgebiet). Es sind aus landeskultureller Sicht nicht in jedem Gebiet gleichzeitig mehrere Wildarten als Hauptwildarten vertretbar – es müssen standortbezogene Prioritäten auf bestimmte Arten unter Zurücknahme anderer Arten gesetzt werden. Eine Koordination der forstlichen mit jagdlichen Maßnahmen ist insbesondere in folgender Hinsicht erforderlich: Durch Verlegung oder Neuerrichtung von Fütterungen lässt sich das Rotwild an weniger schadensanfällige oder -gefährdete Orte binden. Durch die Auflassung ungünstig gelegener Fütterungen (mit begleitenden Maßnahmen) können unerwünschte Wildkonzentrationen vermieden werden. In manchen Fällen genügt ein Habitatschutzgbiet (Ruhezone), damit eine Fütterung auch tagsüber vom Wild angenommen wird und dieses dadurch weniger oder nicht schält. Fütterungsfehler wie zum Beispiel Unregelmäßigkeiten bei der Futtervorlage, falsches oder verdorbenes Futter, zu wenig Entnahmestellen, Störungen bei der Fütterung, zuziehendes fremdes Wild etc. sollen vermieden werden. Eine Entlastung des Waldes ergibt sich auch bei dauerhaft frei zugänglichen Äsungsflächen außerhalb des Waldes - hier bedarf es gesellschaftlicher Rücksichtnahme durch Schaffung von Ruhezonen (auch jagdlich). Auch die Minimierung des Jagddrucks bei der Abschusserfüllung ist wesentlich (effiziente Jagdmethoden, Vermeidung wildschadensfördernder Jagdtraditionen).

Fazit

Die stets erforderliche Anpassung des Wildbestandes und der jagdlichen Maßnahmen an den aktuell vorhandenen Lebensraum ist jeweils ortsangepasst herzuleiten. Diese Forderung wird erfahrungsgemäß von jagdlicher Seite vor allem dann motiviert mitgetragen und nachhaltig zielführend, wenn klar erkenntlich ist, dass gleichzeitig die Wildschadenanfälligkeit des Waldes nicht aufgrund mangelnder forstlicher Rücksichtnahme auf die natürlichen Wechselwirkungen zwischen Waldstruktur und Schalenwild erhöht, sondern möglichst vermindert wird. Die Beachtung der unterschiedlichen Schadensursachen und der fachlichen Grundsätze für die Schälschadensbewertung trägt wesentlich zum Vertrauen und zur Konfliktminimierung zwischen Forstwirtschaft und Jagd bei, und erhöht die Bereitschaft zur Durchführung schadensmindernder Maßnahmen(-kombinationen). Neue Erkenntnisse legen nahe, den Standortsfaktor “Schalenwild”, in Rotwildgebieten zur Schälschadensvermeidung insbesondere das Rotwild, in Zukunft bei der Wahl von waldbaulichen Zielen und Maßnahmen stärker zu berücksichtigen, sowohl aus ökologischem als auch aus nachhaltig ökonomischem Blickwinkel. Die forstliche Schadensvorbeugung sollte auch beim Schalenwild selbstverständlich werden, so wie dies z.B. bei anderen Standortfaktoren wie Sturm, Schnee und Insekten üblich ist. Wenn solche Maßnahmen seitens der Forstwirtschaft aktiv gesetzt werden, dann können auch die vielerorts notwendigen Maßnahmen seitens Jagd, Tourismus etc. rascher und effizienter zur Schadensminderung beitragen.

Schälschäden in Fichten-Stangenholz
Schälschäden in Fichten-Stangenholz

Die Beachtung der Grundsätze zur Wildschadensbewertung trägt wesentlich zum Vertrauen zwischen Forstwirtschaft und Jagd bei und erhöht die Bereitschaft zur Durchführung zielführender Maßnahmen. Wenn Schadensvorbeugung auch von der Forstwirtschaft erfolgt, dann können Maßnahmen seitens Jagd und Tourismus rascher und effizienter zur Schadensminderung beitragen.


Für den FUST-Tirol:

  • Dr. Michl EBNER, MEP, Vorsitzender;
  • FM DI Egon FRITZ, Österreichische Bundesforste AG, Vorsitzender des fachlichen Lenkungsausschusses
  • Univ. Prof. DI Dr. Friedrich REIMOSER, Forschungsinstitut für Wildtierkunde & Ökologie, Projektkoordinator;
  • Hofrat DI Artur PERLE, Landesforstdirektion Tirol, Mitglied des Lenkungsausschusses;

Univ. Prof. DI Dr. Edwin DONAUBAUER, Univ. für Bodenkultur, Mitglied des Lenkungsausschusses.

Fotos: F. Reimoser

Zitierweise:

FUST-Tirol (2007): Schälschäden im Wald – Grundsätze für Bewertung und Vorbeugung. Wildschäden: Prophylaxe statt Bewertungszoff? – FUST-Position 5; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 8 Seiten.

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Kooperation Forst-Jagd
Wald und Wild – Harmonie oder Gegensatz?


Forst und Jagd – Kooperation oder Konkurrenz?

positionen_03_1Die von Forstseite als mangelhaft kritisierte Wildbestandesregulierung durch die Jäger sowie die von Jagdseite als wenig objektiv gesehenen Toleranzgrenzen bei der Beurteilung von Wildschäden werden oft heftig diskutiert. Einseitige Schuldzuweisungen verhindern den Blick auf kooperativen Lösungen. Bestehende „Wald-Wild-Probleme“ sind in ihrer Wurzel ein „Mensch-Mensch-Problem“. In einer verbesserten Kooperation zwischen Forstwirtschaft und Jagd besteht ein großes, bisher zu wenig genutztes Potenzial zur Problemlösung. Dies setzt ein erweitertes Selbstverständnis von Forst und Jagd voraus.

Ausgangslage

Aus ökosystemarem Blickwinkel gehören zum Wald nicht nur Bäume, sondern gleichermaßen Pflanzen und Tiere. Forstleute und Jäger beeinflussen einander durch ihre Aktivitäten in diesem Ökosystem, ohne sich dabei ihrer Auswirkungen auf den jeweils Anderen immer bewußt zu sein. Bei der Lösung von forstlichen und jagdlichen Problemen sind beide Seiten aber maßgeblich voneinander abhängig. Dies betrifft vor allem die Vermeidung von Verbiß- und Schälschäden an der Waldvegetation, die Gestaltung der Habitatqualität von Wildtieren und die Bejagbarkeit des Wildes. Besondere Berührungspunkte ergeben sich bei den sogenannten forstlichen Problemarten wie Hirsch, Reh und Gams, aber auch bei den Waldhühnern, die in ihrem Vorkommen stark von forstlichen Maßnahmen abhängen.

Vor allem die von Forstseite als mangelhaft kritisierte Wildbestandesregulierung und jagdmethodische Unflexibilität der Jäger sowie die von Jagdseite oft als wenig objektiv gesehenen Toleranzgrenzen bei der Beurteilung von Wildschäden und die hohe Wildschadenanfälligkeit des Waldes aufgrund forstlicher Maßnahmen sind Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Einseitige Schuldzuweisungen und Feindbildpflege verstellen oft den Blick auf mögliche kooperative Lösungen.

Eine wesentliche Wurzel dieses Spannungsfeldes liegt im mangelnden Verständnis der komplexen Problemzusammenhänge und im oft schwachen Vertrauen zur „Gegenseite“. Weiters besteht eine grundsätzliche „Konkurrenz“ um Waldbäume, die einerseits für die Sicherung der Holzproduktion sowie der Schutz- Wohlfahrts- und Erholungswirkung des Waldes erforderlich sind, andererseits aber auch als natürliche Nahrung der großen Pflanzenfresser dienen, deren Bestandeshöhe den Jagdwert meist entscheidend mitbestimmt. Selbst Grundeigentümer, die sowohl forstliche als auch jagdliche Ziele und Maßnahmen aus einer Hand steuern können, haben nicht selten Schwierigkeiten, aus diesem Zielkonflikt heraus zu harmonischen Lösungen zu kommen, insbesondere in Gebieten, die nur wenig Ertrag aus der Holzproduktion ermöglichen.

Wichtige Zusammenhänge beachten

Der Vergleich zahlreicher Fallstudien zeigt sehr unterschiedliche Auswirkungen des Schalenwildes auf die Waldverjüngungsdynamik. Je nach Waldgesellschaft (Baumartenzusammensetzung, Verjüngungspotenzial, Bodengüte), forstlicher Waldbehandlung und je nach Wildart, -dichte und -verteilung ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen der Wildtiere auf die Waldstruktur. Umgekehrt wirkt sich die Waldstruktur auf die Wildtiere aus. Die Tiere können Schäden bewirken und andererseits selbst in Mangelsituationen geraten. Auch positive Einwirkungen der Wildtiere auf die Waldvegetation konnten unter günstigen Voraussetzungen nachgewiesen werden.

Außer von der Wilddichte hängen die Auswirkungen des Schalenwildes (Verbiss, Fegen, Schälen, Tritteinwirkung auf Boden und Pflanzen, Nährstoffumverteilung - Kot) entscheidend von den standörtlichen Voraussetzungen, der Struktur des Altbestandes, den waldbaulichen Maßnahmen und dem Verjüngungsziel ab. Die Beachtung dieser Zusammenhänge ist die Voraussetzung für eine effizientere Berücksichtigung des Standortfaktors Schalenwild bei der Planung waldbaulicher und jagdlicher Maßnahmen. Die Frage der Habitatgestaltung erlangt auch durch die vielerorts einsetzende Umwandlung von wind-, schnee- oder insektengeschädigten Sekundärwäldern in naturnähere Waldformen aktuelle Bedeutung, weil sich während des Waldumbaues die Verbissschadensproblematik meist stark verschärft. Das Problemfeld ist über die forstliche und jagdliche Relevanz hinaus auch von großem Interesse für den Natur- und Umweltschutz.

Ziele und Maßnahmen besser abstimmen

Statt konkurrierender Ziele zwischen Forstwirtschaft und Jagd, die zwangsläufig Probleme schaffen, sollten im Zuge einer verbesserten Kooperation und einer ganzheitlicheren Sicht harmonische Ziele entwickelt werden, die Synergismen zwischen den Interessengruppen ermöglichen. Diesbezüglich besteht ein großes, bisher ungenutztes Potenzial. Durch Zielharmonisierung kann auch den forst- und jagdgesetzlichen Bestimmungen sowie den internationalen Konventionen (Alpenkonvention, Nachhaltigkeitskriterien etc.) besser Rechnung getragen werden. Die Voraussetzungen für diese Harmonisierung müssen in drei Bereichen geschaffen werden: (i) Sozio-Kultur: Schaffung von Verständnis und Vertrauen, Abbau problemverschärfender Traditionen; (ii) Ökologie: Steuerung der Habitatqualität, Minderung der Wildschadenanfälligkeit des Waldes, effiziente Bejagungsmethoden etc.; und (iii) Ökonomie: Verbesserung finanzieller Werte, Vermeidung von Wertverlusten, Gesamtrechnung Forst-Jagd etc.

Kooperation als Voraussetzung für Lösungen

Als Kooperationsebenen zwischen Forst- und Jagdseite sind in räumlicher Hinsicht Revier, Betrieb, Hegegemeinschaft, Land und Bund möglich, wobei eventuelle kompetenzrechtliche Probleme abgebaut werden sollten. Im Hinblick auf die Akteure sind es die Ebenen Jagdausübungsberechtigte – Grundeigentümer oder/und Jägerschaft – Forstbehörde.

Kooperation kann einerseits durch Unterlassungen (Rücksichtnahmen) und andererseits durch aktive Maßnahmen von beiden Seiten erfolgen. Wichtig ist dabei vor allem die Festlegung und räumlich-zeitliche Abstimmung von Zielen (klare Ziele, Offenheit, Prioritätensetzung), weiters die inhaltliche, räumliche und zeitliche Abstimmung von Maßnahmen in den Bereichen Waldbau, Erschießung, Jagdstrategie und Fütterung, sowie der Blick auf eine gemeinsame Nachhaltigkeit („Gesamtnachhaltigkeit“ entsprechend UNO-Summit 2002 in Johannesburg). Auch die Abstimmung der örtlich zu erfüllenden Aufgaben mit der Qualifikation der Akteure (z. B. Pächter) und dem Pachtpreis (Akzeptanz beider Seiten; Jäger als Partner/Kunde) können für den Erfolg entscheidend sein.

Der „Organisation“ der Kooperation (regional; politisch) kommt wesentliche Bedeutung zu. Wichtig sind eine entsprechende Kommunikationsstruktur (Kommunikationseinrichtungen), Schulung (Aus- und Weiterbildung), Kooperation nach innen (im Bereich Forst – Jagd), Kooperation gegenüber Dritten (z. B. Tourismus, Naturschutz), sowie Öffentlichkeitsarbeit.

Mögliche Kooperationsinhalte

Wenn es z. B. um die Vermeidung von Wildschäden am Wald bei möglichst geringer Beeinträchtigung des Jagdwertes geht, sollte von jagdlicher Seite die Arealabgrenzung für die einzelnen Wildarten, Abschußhöhe, Jagdtechnik, jahreszeitliche Abschußverteilung (Intervalljagd etc.) und räumliche Abschußverteilung (Schwerpunktbejagung etc.) mit forstlichen Anliegen koordiniert werden. Ebenso sollten Ort und Art der Wildfütterung, jagdliche Biotopverbesserung (Wildwiesen, Wildäcker, Verbißflächen etc.), Ruhegebiete, sowie die Einteilung der Jagdgebiete (Grenzziehung, den Aufgaben entsprechende Personalzuteilung etc.) abgestimmt werden.

Von forstlicher Seite sollte grundsätzlich die Strategie verfolgt werden, den hohen nahrungsunabhängigen Besiedlungsanreiz, wie er durch den unnatürlich günstigen Feind- und Klimaschutz in standortwidrigen Fichten-Monokulturen entsteht, zu reduzieren und gleichzeitig das natürliche Nahrungsangebot zu verbessern (vor allem im Herbst und Winter). Dies erfordert eine Umstellung des Waldbaues von sekundären Fichten-Reinbeständen auf standortgemäße Mischwaldbestände, sowie in bereits vorhandenen wintergrünen Nadelholzbeständen eine frühzeitige Dickungspflege und Durchforstung. Folgende waldbauliche Maßnahmen können das Risiko von Wildschäden maßgeblich vermindern:

  • Auflockerung des Kronendaches dichter Waldbestände ab dem Dickungsstadium (weniger Klima- und Feindschutz, mehr Nahrungsangebot, früherzeitig gröbere, weniger schäl-attraktive Borke).
  • Förderung von Mischwald anstelle von künstlichen wintergrünen Reinbeständen (weniger Klimaschutz, mehr Nahrung durch Blattfall im Herbst, Mastjahre etc.)
  • Statt Aufforstung Förderung der natürlichen Waldverjüngung (größerflächig natürliches „Überschußangebot“ an Jungbäumen, das ohne Schadensfolgen vom Wild genutzt werden kann).
  • Möglichst Belassung oder Förderung von Sträuchern und Verbissbaumarten („Ablenkäsung“).
  • Vermeidung optisch auffälliger Waldbestandesgrenzen, wie sie vor allem durch kahlschlagbedingte Steilränder entstehen (weniger Besiedlungsanreiz für Schalenwild – geringere Wilddichten).
  • Langfristige Vorbereitung bzw. längere Belassung größerer, nicht durch Schläge fragmentierter Baumholzkomplexe, in denen Rotwild ohne großes Schäl- und Verbißschadensrisiko im Winter gefüttert werden kann (falls Winterfütterung erforderlich ist).

Diese Maßnahmen lassen sich am besten und ökonomisch zweckmäßigsten in einem kahlschlagfreien oder zumindest kahlschlagarmen Naturverjüngungsbetrieb realisieren. Für günstige Bejagungsmöglichkeiten sollte gesorgt werden (Schußschneisen an jagdstrategisch günstigen Standorten etc.). Entscheidend ist dabei, daß die Maßnahmen großräumig erfolgen und mit jagdlichen sowie landschaftsplanerischen Maßnahmen räumlich und zeitlich gut koordiniert werden (Wildökologische Raumplanung). Anderenfalls kommt es meist nur zu einer Problemverschiebung, aber nicht zu einer nachhaltigen Problemlösung. Es gilt also, für das Wild ausreichend große zusammenhängende Lebensräume mit geringer Wildschadenanfälligkeit in der Kulturlandschaft zu erhalten und wiederherzustellen, wo auch Schalenwild möglichst schadensfrei integriert bzw. wo es ohne großes Wildschadensrisiko über den Winter gebracht werden kann.

Wo Schalenwild in der Kulturlandschaft nachhaltig erhalten werden soll, ist eine gute integrale Wildschadensprophylaxe unter verstärkter Einbeziehung forstlicher Maßnahmen auf Dauer nicht ersetzbar. Ledigliche Symptombekämpfung (diverse Schutzmaßnahmen) oder Sanierungsprogramme für geschädigte Wälder (Schnellwuchsbetrieb, Bestandesumwandlung etc.) sind unbefriedigend. Präventive Maßnahmen sind in der Regel auch ökonomisch wesentlich günstiger als nachträgliche Sanierungsmaßnahmen.

Im übergeordneten, gesellschaftlichen Interesse geht es insbesondere um die Berücksichtigung folgender Fragen: Wie können konkurrierende Ziele der Landschaftsnutzung harmonisiert und Wildtiere in die Kulturlandschaft integriert werden, ohne dass es zu untragbaren Wildschäden kommt? Wie kann eine nachhaltige Nutzung von Wildtierpopulationen gewährleistet werden? Wie können Maßnahmen in Schutzgebieten (Nationalparke, Natura 2000, Schutzwaldsanierungsgebiete etc.) mit den Maßnahmen im wildökologisch relevantem Umfeld außerhalb dieser Gebiete zweckmäßig abgestimmt werden? Wie können durch den Menschen isolierte Wildtierpopulationen wieder vernetzt werden? Als Abstimmungsinstrument bietet sich die Wildökologische Raumplanung an.

Objektive Erfolgskontrolle schafft Akzeptanz

Der Festlegung klarer und objektiv überprüfbarer forstlicher und jagdlicher Ziele und der Einhaltung von Belastungsgrenzen (z. B. Verbiss- und Schälbelastungen an der Vegetation, Wildstandsreduzierung, Bejagungsformen) kommt wesentliche Bedeutung zu. Objektive Monitoringsysteme (z. B. Kontrollzäune, Abschußkontrolle), die einen eindeutigen SOLL-IST-Vergleich ermöglichen, sind Voraussetzung für eine objektive Erfolgskontrolle und die Akzeptanz der Maßnahmen.

Positive Beispiele

Beispiele für die aktive Berücksichtigung von Wildtieren und deren Bejagung sind zwar noch nicht zahlreich vorhanden, können aber bereits in allen Ländern gefunden werden. Von manchen Forstbetrieben wurden zum Beispiel aufbauend auf die Wirtschaftsplandaten Biotopeignungskarten für Schalenwildarten oder/und Rauhfußhühner erstellt. Die Überwachung der Habitatqualität dient den Betrieben als Grundlage für die Entwicklungsprognose über die Verbreitung der Arten und die Entstehung von Flächen mit erhöhter Wildschadenanfälligkeit, sowie für die Ableitung präventiver und kurativer Maßnahmen zur Habitatgestaltung und Wildschadensvermeidung. Erforderliche Parameter für die Habitatbeurteilung werden meist im Zuge der Wirtschaftsplanerstellung miterhoben. Dadurch sind ein regelmäßiges Monitoring, Erfolgskontrolle und eine ständige adaptive Maßnahmenoptimierung möglich.

Fazit

In einer verbesserten Kooperation zwischen Forstwirtschaft und Jagd besteht ein großes, bisher zu wenig genutztes Potenzial zur Lösung von „Wald-Wild-Problemen“. Dies setzt ein erweitertes Selbstverständnis von Forst und Jagd voraus. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse erscheint es sowohl aus ökologischem als auch aus ökonomischem Blickwinkel notwendig, den Standortfaktor „Wild“, insbesonders das Schalenwild, in Zukunft bei forstlichen Zielen und der Auswahl von waldbaulichen Maßnahmen wesentlich stärker zu berücksichtigen. Für die Lebensräume der großen Pflanzenfresser sollte die Wildschadensprophylaxe schon allein im Eigeninteresse der Forstwirtschaft ebenso selbstverständlich werden wie z. B. die forstliche Prävention hinsichtlich der Standortfaktoren Wind, Schnee und Insekten. Wenn sich die Forstwirtschaft ihrer bisher unterschätzten Rolle als Mitverursacher von Wildschäden stärker bewußt wird und aktiv schadensmindernde Maßnahmen setzt, dann werden auch die vielerorts zusätzlich notwendigen Maßnahmen seitens Jagd, Tourismus etc. rascher und effizienter zum Erfolg beitragen können. Von jagdlicher Seite kommt einer räumlich und zeitlich wesentlich flexibleren Abschußdurchführung und zweckmäßigeren Hegemaßnahmen, beides mit verstärkter Abstimmung auf forstliche Erfordernisse, eine entscheidende Bedeutung zu. Im Interesse der Lösung bestehender „Wald-Wild-Probleme“, die in ihrer Wurzel ein „Mensch-Mensch-Problem“ sind, sollte es statt Lippenbekenntnissen zu einer stärkeren aktiven Zusammenarbeit von Forstwirtschaft und Jagd kommen, mit effizienten Problemlösungsbeiträgen von beiden Seiten. Grundlage dafür müssen eine entsprechend umfassende Aus- und Weiterbildung von Jägern und Forstleuten sowie die Schaffung geeigneter Kooperationsplattformen auf verschiedenen Ebenen (Betriebe, Interessenvertretungen, Behörde) sein. In einer integralen wildökologischen Raumplanung kann die Abstimmung der Maßnahmen systematisch erfolgen. Waldwirtschaftspläne sollten in Hinkunft auch Grundzüge der forstlichen Wildschadensvorbeugung mit berücksichtigen.

Schuss-Schneise in schwierig bejagbarem Bergwald
Schuss-Schneise in schwierig bejagbarem Bergwald

In der besseren räumlichen und zeitlichen Abstimmung von forstlichen und jagdlichen Zielen und Maßnahmen liegt ein großes, ungenutztes Erfolgspotential für die Lösung von „Wald-Wild-Problemen“. Dies setzt ein erweitertes Selbstverständnis von Forst und Jagd voraus.

 


Für den FUST-Tirol:

  • Landtagsvizepräsident Anton STEIXNER, Vorsitzender;
  • Univ. Prof. DI Dr. Edwin DONAUBAUER, Vorsitzender des Fachlichen Lenkungsausschusses.
  • Univ. Prof. DI Dr. Friedrich REIMOSER, Forsch.-Inst. f. Wildtierkunde u. Ökologie d. Veterinärmed. Univ. Wien, Projektkoordinator.

Fotos: F. Reimoser

Zitierweise:

FUST-Tirol (2003): Kooperation Forst – Wald und Wild – Harmonie oder Gegensatz? – FUST-Position 3; Forschungs- und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 7 Seiten.

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FUST-Tirol    Positionen

Rotwild: Wintergatter und Ausgrenzungszäune
Zäune – Lösung oder Problem?


Wintergatter

Als Wintergatter werden eingezäunte Teilbereiche von Jagdrevieren bezeichnet, in die das Rotwild im Herbst durch die dort einsetzende Winterfütterung zusammengezogen wird und wo es bis zur Öffnung des Gatters im Frühjahr (meist bis Mai/Juni) eingeschlossen bleibt. Wintergatter sollen der Verminderung von Wildschäden am Wald sowie dem Schutz des Wildes vor Störung dienen. Der Einsatz von Wintergattern ist bisher auf den Ostalpenraum konzentriert. Das älteste bekannte Wintergatter wurde 1951 in der Steiermark errichtet, wo jetzt bereits über 130 Gatter existieren. Nach vielseitig bedingten Lebensraumverlusten und dem Einsatz der Winterfütterung stellen Wintergatter einen weiteren gravierenden Eingriff in die Lebensbedingungen des Rotwildes dar.

Angesichts des landeskulturellen Zieles, artgemäße Lebensräume für freilebendes Rotwild in der vom Menschen beanspruchten Kulturlandschaft zu erhalten und dadurch die Voraussetzungen für tragbare Wildschäden an der Vegetation zu schaffen, sind Wintergatter kein geeignetes Mittel zur Problemlösung. Sie können lediglich lokal die Symptome der Wildtier-Umwelt-Problematik mindern aber nicht weitere Lebensraumverluste verhindern. Außerdem ist der Betrieb von Wintergattern sehr fehleranfällig, wodurch auch das Ziel der Wildschadensvermeidung in der Praxis oft nicht erreicht wird; nachhaltiger Erfolg ist nur selten nachweisbar.

Rotwild an der Fütterung im Gatter

Durch den Einsatz von Wintergattern wird die Gefahr weiterer Lebensraumverluste für das Rotwild und für andere großräumig lebende Wildtierarten sogar erhöht. Die praktische Anwendung von Wintergattern lenkt in der Regel vom stetig fortschreitenden Lebensraumverlust sowie von der hohen Wildschadensanfälligkeit naturferner Waldstrukturen ab. Sie dient oft primär der Wildvermehrung und der Trophäenproduktion.

Bei langfristiger Wintergatterung reduziert sich die Rotwildverteilung im Sommer meist auf eine erheblich kleinere Fläche (Verlust von unter natürlicheren Bedingungen bestehenden Traditionen und Verhaltensmustern, z.B. durch das Setzen von Kälbern im Gatter etc.), was auch einen genetischen Selektionsprozess in Richtung unmittelbarer Abhängigkeit vom Menschen erwarten lässt. Außerdem kann infolge dieser eingeschränkten Raumnutzung durch das Rotwild der Jagdwert in benachbarten, nicht mit Wintergatter ausgestatteten Gebieten erheblich abnehmen.

Aus wildökologischer Sicht sind in Ausnahmefällen Wintergatter nur dann als vorübergehende Notlösung vertretbar, wenn eine Wildpopulation sonst in ihrer Existenz gefährdet ist und wenn ein konkretes, terminlich fixiertes Konzept für eine Lebensraumverbesserung vorliegt, die einen späteren Verzicht auf Wintergatter erwarten lässt.

Kriterien für eine Wintergatter-Errichtung

  • Das erforderliche Lebensraum-Sanierungskonzept ist als großräumiges Gesamtkonzept, z.B. in Form einer wildökologischen Raumplanung auszuführen und hat neben Maßnahmen der Lebensraumverbesserung für das Wild auch Maßnahmen zur Minderung der Wildschadensanfälligkeit des Waldes zu beinhalten.
  • Wintergatter müssen ausreichend groß sein (je nach Lage mindestens 0,3 bis 0,5 Hektar pro Stück Rotwild; Untergrenze 20 Hektar) und sind so anzulegen, dass bei starker Beunruhigung (z.B. durch eindringende Hunde) eine Flucht nach außen möglich bleibt (einzelne Öffnungen oder zumindest niedrige Einsprünge). Dadurch ist auch gewährleistet, dass bei ungeeignetem Gatterstandort, zu hoher Wilddichte im Gatter, Futtermangel oder jagdlichem Missbrauch eine Ausweichmöglichkeit für die Tiere besteht. Dies bedingt automatisch eine größere Sorgfalt bei Gatterplanung und Wildbetreuung.
  • Für bereits bestehende Gatter, die den genannten Anforderungen nicht entsprechen, sind Übergangsfristen zur Anpassung und zur Umsetzung von Konzepten für die Lebensraumverbesserung einzuräumen.
  • Eine Wintergatterung darf nur als letzte Möglichkeit nach der Ausschöpfung aller alternativen Problemlösungsmöglichkeiten erfolgen. Maßnahmen zur Lebensraumgestaltung und eine populationsverträgliche Reduzierung hoher Wildbestände unter Berücksichtigung von Altersstruktur und Geschlechtsverhältnis haben Vorrang.

Ausgrenzungszäune

Wildausgrenzungszäune im Bereich von Rotwild-Winterfütterungen haben den Zweck, auf bestimmten Strecken das Einwechseln des Wildes in besonders verbiss- oder schälgefährdete Waldbestände während der Fütterungsperiode zu verhindern. Sie dienen nicht der Einschließung des Wildes, es handelt sich also nicht um Wintergatter. Aber trotzdem darf auch bei dieser Art von Zäunen die Problematik der Lebensraumeinschränkung nicht außer Acht gelassen werden.

Fazit

Bei allen Überlegungen zur Errichtung von Gattern als vorübergehende Notlösung sind außer der jeweiligen Rechtslage in den Bundesländern (eventuelle Verbote, Bewilligungspflichten etc.) auch die genannten Risiken und Gestaltungsaspekte zu beachten. Im Interesse einer nachhaltigen Lebensraumsicherung für Wildtiere und einer leichteren Wildschadensvermeidung in der Land- und Forstwirtschaft sind in jedem Fall landschaftsplanerische, forstliche und jagdliche Maßnahmen, die die Problemursachen beheben und vorbeugend wirken, den lediglich symptom-bezogenen Maßnahmen wie Wintergatter vorzuziehen.

Rotwild an der Fütterung im Gatter

Rotwild sechs bis acht Monate hinter Zaun bringt keine nachhaltige Lösung des Wald-Wild-Problems. Wintergatter sind aus wildökologischer Sicht nur dann als vorübergehende Notlösung vertretbar, wenn eine Wildpopulation sonst in ihrer Existenz gefährdet ist und wenn ein konkretes, terminlich fixiertes Konzept für eine Lebensraumverbesserung vorliegt, die einen späteren Verzicht auf Wintergatter erwarten lässt.


Für den FUST-Tirol:

  • Landtagsvizepräsident Anton STEIXNER, Vorsitzender;
  • Univ. Prof. DI Dr. Edwin DONAUBAUER, Vorsitzender des Fachlichen Lenkungsausschusses.
  • Univ. Prof. DI Dr. Friedrich REIMOSER, Forsch.-Inst. f. Wildtierkunde u. Ökologie d. Veterinärmed. Univ. Wien, Projektkoordinator.

Fotos: F. Reimoser

ZitierweiseFUST-Tirol (2001): Rotwild – Wintergatter und Ausgrenzungszäune. Zäune - Lösung oder Problem? – FUST-Position 1; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 4 Seiten.

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