Rotwild: Wintergatter und Ausgrenzungszäune Zäune – Lösung oder Problem?
Wintergatter
Als Wintergatter werden eingezäunte Teilbereiche von Jagdrevieren bezeichnet, in die das Rotwild im Herbst durch die dort einsetzende Winterfütterung zusammengezogen wird und wo es bis zur Öffnung des Gatters im Frühjahr (meist bis Mai/Juni) eingeschlossen bleibt. Wintergatter sollen der Verminderung von Wildschäden am Wald sowie dem Schutz des Wildes vor Störung dienen. Der Einsatz von Wintergattern ist bisher auf den Ostalpenraum konzentriert. Das älteste bekannte Wintergatter wurde 1951 in der Steiermark errichtet, wo jetzt bereits über 130 Gatter existieren. Nach vielseitig bedingten Lebensraumverlusten und dem Einsatz der Winterfütterung stellen Wintergatter einen weiteren gravierenden Eingriff in die Lebensbedingungen des Rotwildes dar.
Angesichts des landeskulturellen Zieles, artgemäße Lebensräume für freilebendes Rotwild in der vom Menschen beanspruchten Kulturlandschaft zu erhalten und dadurch die Voraussetzungen für tragbare Wildschäden an der Vegetation zu schaffen, sind Wintergatter kein geeignetes Mittel zur Problemlösung. Sie können lediglich lokal die Symptome der Wildtier-Umwelt-Problematik mindern aber nicht weitere Lebensraumverluste verhindern. Außerdem ist der Betrieb von Wintergattern sehr fehleranfällig, wodurch auch das Ziel der Wildschadensvermeidung in der Praxis oft nicht erreicht wird; nachhaltiger Erfolg ist nur selten nachweisbar.
Durch den Einsatz von Wintergattern wird die Gefahr weiterer Lebensraumverluste für das Rotwild und für andere großräumig lebende Wildtierarten sogar erhöht. Die praktische Anwendung von Wintergattern lenkt in der Regel vom stetig fortschreitenden Lebensraumverlust sowie von der hohen Wildschadensanfälligkeit naturferner Waldstrukturen ab. Sie dient oft primär der Wildvermehrung und der Trophäenproduktion.
Bei langfristiger Wintergatterung reduziert sich die Rotwildverteilung im Sommer meist auf eine erheblich kleinere Fläche (Verlust von unter natürlicheren Bedingungen bestehenden Traditionen und Verhaltensmustern, z.B. durch das Setzen von Kälbern im Gatter etc.), was auch einen genetischen Selektionsprozess in Richtung unmittelbarer Abhängigkeit vom Menschen erwarten lässt. Außerdem kann infolge dieser eingeschränkten Raumnutzung durch das Rotwild der Jagdwert in benachbarten, nicht mit Wintergatter ausgestatteten Gebieten erheblich abnehmen.
Aus wildökologischer Sicht sind in Ausnahmefällen Wintergatter nur dann als vorübergehende Notlösung vertretbar, wenn eine Wildpopulation sonst in ihrer Existenz gefährdet ist und wenn ein konkretes, terminlich fixiertes Konzept für eine Lebensraumverbesserung vorliegt, die einen späteren Verzicht auf Wintergatter erwarten lässt.
Kriterien für eine Wintergatter-Errichtung
Das erforderliche Lebensraum-Sanierungskonzept ist als großräumiges Gesamtkonzept, z.B. in Form einer wildökologischen Raumplanung auszuführen und hat neben Maßnahmen der Lebensraumverbesserung für das Wild auch Maßnahmen zur Minderung der Wildschadensanfälligkeit des Waldes zu beinhalten.
Wintergatter müssen ausreichend groß sein (je nach Lage mindestens 0,3 bis 0,5 Hektar pro Stück Rotwild; Untergrenze 20 Hektar) und sind so anzulegen, dass bei starker Beunruhigung (z.B. durch eindringende Hunde) eine Flucht nach außen möglich bleibt (einzelne Öffnungen oder zumindest niedrige Einsprünge). Dadurch ist auch gewährleistet, dass bei ungeeignetem Gatterstandort, zu hoher Wilddichte im Gatter, Futtermangel oder jagdlichem Missbrauch eine Ausweichmöglichkeit für die Tiere besteht. Dies bedingt automatisch eine größere Sorgfalt bei Gatterplanung und Wildbetreuung.
Für bereits bestehende Gatter, die den genannten Anforderungen nicht entsprechen, sind Übergangsfristen zur Anpassung und zur Umsetzung von Konzepten für die Lebensraumverbesserung einzuräumen.
Eine Wintergatterung darf nur als letzte Möglichkeit nach der Ausschöpfung aller alternativen Problemlösungsmöglichkeiten erfolgen. Maßnahmen zur Lebensraumgestaltung und eine populationsverträgliche Reduzierung hoher Wildbestände unter Berücksichtigung von Altersstruktur und Geschlechtsverhältnis haben Vorrang.
Ausgrenzungszäune
Wildausgrenzungszäune im Bereich von Rotwild-Winterfütterungen haben den Zweck, auf bestimmten Strecken das Einwechseln des Wildes in besonders verbiss- oder schälgefährdete Waldbestände während der Fütterungsperiode zu verhindern. Sie dienen nicht der Einschließung des Wildes, es handelt sich also nicht um Wintergatter. Aber trotzdem darf auch bei dieser Art von Zäunen die Problematik der Lebensraumeinschränkung nicht außer Acht gelassen werden.
Fazit
Bei allen Überlegungen zur Errichtung von Gattern als vorübergehende Notlösung sind außer der jeweiligen Rechtslage in den Bundesländern (eventuelle Verbote, Bewilligungspflichten etc.) auch die genannten Risiken und Gestaltungsaspekte zu beachten. Im Interesse einer nachhaltigen Lebensraumsicherung für Wildtiere und einer leichteren Wildschadensvermeidung in der Land- und Forstwirtschaft sind in jedem Fall landschaftsplanerische, forstliche und jagdliche Maßnahmen, die die Problemursachen beheben und vorbeugend wirken, den lediglich symptom-bezogenen Maßnahmen wie Wintergatter vorzuziehen.
Rotwild an der Fütterung im Gatter
Rotwild sechs bis acht Monate hinter Zaun bringt keine nachhaltige Lösung des Wald-Wild-Problems. Wintergatter sind aus wildökologischer Sicht nur dann als vorübergehende Notlösung vertretbar, wenn eine Wildpopulation sonst in ihrer Existenz gefährdet ist und wenn ein konkretes, terminlich fixiertes Konzept für eine Lebensraumverbesserung vorliegt, die einen späteren Verzicht auf Wintergatter erwarten lässt.
Für den FUST-Tirol:
Landtagsvizepräsident Anton STEIXNER, Vorsitzender;
Univ. Prof. DI Dr. Edwin DONAUBAUER, Vorsitzender des Fachlichen Lenkungsausschusses.
Univ. Prof. DI Dr. Friedrich REIMOSER, Forsch.-Inst. f. Wildtierkunde u. Ökologie d. Veterinärmed. Univ. Wien, Projektkoordinator.
Fotos: F. Reimoser
Zitierweise: FUST-Tirol (2001): Rotwild – Wintergatter und Ausgrenzungszäune. Zäune - Lösung oder Problem? – FUST-Position 1; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 4 Seiten.
G. Koch (1986): Waldweidebelastung und Abhilfe. – Allgemeine Forst. Zeitschrift 38: 938-939.
Es handelt sich um eine kurze, aber informative Zusammenfassung des Artikels von H. Loher: “Waldweidebelastungen – Folgen und Bereinigungsmöglichkeiten” in Band A 98 – Facharbeitstagung FUST-Tirol – in der Reihe “Beiträge zur Umweltgestaltung” (Erich Schmidt Verlag, München) – siehe unter “FUST-Publikationen: Arbeitkreis A (1986)”
Inhalt
Weidebelastung, Folgen der Waldweide, Ausmaß der Weideschäden, Weiderechtsbereinigung (Ablöse in Geld / Trennung von Wald und Weide / Verlegung von Weiderechten auf geeignete landwirtschaftliche Nutzflächen); 6 Farbfotos.